OGH 13Os67/04

OGH13Os67/0414.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Felbab als Schriftführerin in der Strafsache gegen Maximilian P***** wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. Februar 2004, GZ 12 Hv 273/03w-22, nach öffentlicher Verhandlung in Gegenwart des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Solé sowie in Anwesenheit der Verteidigerin Dr. Irene Pfeifer und des Angeklagten Maximilian P*****, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben.

Es wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Freispruch sowie im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Maximilian P***** ist schuldig; er hat den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) übersteigenden Menge gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung am 25. Juni 2001 und zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im August 2001 in Graz in Verkehr gesetzt, indem er im Auftrag des Johann F***** von Heerlen, Niederlande, über Deutschland nach Österreich geschmuggelte (= Punkt 2. des erstgerichtlichen Schuldspruches) 400 Gramm Kokain dem Johann F***** überbrachte.

Er hat hiedurch das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG begangen und wird hiefür sowie für den unberührt gebliebenen Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG nach § 28 Abs 4 SMG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von

3 (drei) Jahren

sowie zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens verurteilt. Die Vorhaft vom 1. Dezember 2003, 21:20 Uhr, bis 19. Februar 2004, 11:20 Uhr, wird gemäß § 38 Abs 1 StGB auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Maximilian P***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt. Danach hat er den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) übersteigenden Menge gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung ein- und ausgeführt, indem er

1. am 7. Februar 2001, 21. Mai 2001, 13. Juni 2001 und zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Juli 2001 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Johann F***** insgesamt 800 Gramm Kokain und

2. am 25. Juni 2001 und zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im August 2001 im Auftrag des Johann F***** alleine insgesamt 400 Gramm Kokain von Heerlen, Niederlande, über Deutschland nach Österreich schmuggelte.

Von der weiteren wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 25. Juni 2001 und zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im August 2001 in Graz den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in Verkehr gesetzt, indem er die zu Punkt 2. des Schuldspruches angeführten 400 Gramm Kokain dem Johann F***** überbrachte, wurde Maximilian P***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Freispruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der Berechtigung zukommt.

Nach den (im Umfang der Anfechtung relevanten) Feststellungen des Erstgerichtes unternahm der Angeklagte am 25. Juni 2001 und zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im August 2001 über Ersuchen des Johann F*****, mit welchem er bereits im Zeitraum 7. Februar 2001 bis zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Juli 2001 insgesamt vier Kokainschmuggelfahrten nach Holland durchgeführt hatte, zwei weitere Fahrten (diesmal alleine) nach Holland, um vom marokkanischen Suchtgiftlieferanten des Johann F***** neuerlich jeweils 200 Gramm Kokain nach Österreich zu verbringen. Auch diese Schmuggelfahrten führte er in Umsetzung des bereits zuvor gefassten "Entschlusses" (ersichtlich gemeint: Absicht) durch, sich durch die Begehung derartiger Schmuggelfahrten, bei denen jeweils große Mengen Kokain aus Holland ausgeführt und nach Österreich eingeführt werden sollten, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Darüber hinaus agierte er mit dem Wissen, dass er im Rahmen dieser Schmuggelfahrten als Mitglied einer zumindest aus Johann F*****, seinem marokkanischen Suchtgiftlieferanten, anderen Chauffeuren und Mittätern des Johann F***** und ihm selbst bestehenden kriminellen Vereinigung tätig wurde, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, über einen längeren Zeitraum fortgesetzten Suchtgiftschmuggel und Suchtgifthandel zu betreiben. Er hielt es dabei auch ernstlich für möglich und fand sich damit ab, als Mitglied einer solchen Verbindung zu fungieren und deren Ziele mit seiner Tat zu unterstützen (US 5).

Nachdem Maximilian P***** bei diesen beiden Fahrten tatplanmäßig in Heerlen, Niederlande, vom Suchtgiftlieferanten des Johann F***** jeweils 200 Gramm Kokain entgegengenommen hatte, führte er das Suchtgift in der Folge nach Österreich ein, wo er schließlich in Graz den Schmuggel-PKW, in welchem das Suchtgift versteckt war, bei seinem Auftraggeber Johann F***** abstellte, welcher schließlich aus dem Fahrzeug im Beisein des Angeklagten die Suchtgiftpakete ausbaute und dem Angeklagten den vereinbarten Fuhrlohn übergab.

Weiters stellte das Erstgericht fest, dass der Wille des Angeklagten bei der Ausführung der von ihm begangenen Tathandlungen von vornherein auf eine kontinuierliche Tatbegehung gerichtet war und auch den daran geknüpften Additionseffekt umfasste, der Angeklagte durch die mehrfachen Schmuggelfahrten auch die mehrfache Überschreitung der Grenzmenge von 15 Gramm Kokain in Reinsubstanz um mehr als das 25-fache ernstlich für möglich hielt und "diesen Umstand billigend in Kauf" nahm.

In der rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass das vom Angeklagten (objektiv) bewirkte Inverkehrsetzen eines Suchtmittels durch Übergabe an ein anderes Mitglied eben dieser kriminellen Vereinigung begangenen grenzüberschreitenden Suchtgifttransport nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 zweiter Fall SMG "aufgehe", weil mit dem Schmuggel die Verfügungsgewalt über das eingeführte Suchtgift der kriminellen Vereinigung in ihrer Gesamtheit verschafft werden sollte, sodass eine eigenständige Strafbarkeit der Weitergabe dieses Suchtgifts nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG ausscheide. Außerdem habe sich das über Auftrag des Johann F***** erworbene Suchtgift bereits im Obergewahrsam der kriminellen Vereinigung befunden, sodass die Weitergabe innerhalb dieser Vereinigung nicht als gewerbsmäßiges und bandenmäßiges Inverkehrsetzen anzusehen ist.

Wie vom Obersten Gerichtshof bereits zu 13 Os 19/04 anlässlich der Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft in der nach Ausscheidung gemäß § 57 Abs 1 StPO getrennt geführten Strafsache gegen Siegfried L***** dargelegt, zeigt auch diese von der Staatsanwaltschaft erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend auf, dass § 28 Abs 2 SMG nur in Ansehung der Aus- und Einfuhr von Suchtgift ein alternatives, im Übrigen dagegen ein kumulatives Mischdelikt beinhaltet, in dem drei selbstständige und untereinander nicht austauschbare Tatbilder erfasst werden (vgl Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28-31 Rz 82; ders in WK-StPO § 281 Rz 574 f;

Foregger/Litzka/Matzka § 27 Anm VI.2). Suchtgiftschmuggelfahrten müssen auch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung - wie vorliegendenfalls im Schuldspruch 1. dokumentiert - nicht zwangsläufig mit einem Inverkehrsetzen des aus- und eingeführten Suchtgifts oder - im Fall einer unmittelbaren Dealertätigkeit des Schmugglers - auch nicht mit der Weitergabe des Suchtmittels an ein anderes Mitglied der kriminellen Vereinigung einhergehen. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts verdeutlicht gerade die Judikatur des Obersten Gerichtshofes, dass im Fall der Weitergabe eines Suchtmittels nur eine unmittelbare, von Anfang an bestehende gemeinsame Verfügungsmacht über das Suchtgift durch Übergebenden und Empfänger sowohl ein Inverkehrsetzen iSd § 28 Abs 2 vierter Fall SMG als auch ein (inhaltsgleiches) Überlassen dieses Suchtgiftes iSd § 27 Abs 1 sechster Fall SMG ausschließt (vgl JBl 1980, 213 = SSt 50/43; 12 Os 53/01; 13 Os 76/95). Die bloße Bestimmung des vom Angeklagten alleine geschmuggelten Suchtgifts für ein weiteres Mitglied der kriminellen Vereinigung begründet aber noch keinen Mitgewahrsam. Darüber hinaus betrifft der Unrechtsgehalt des Inverkehrsetzens von Suchtgift das in der tatsächlichen Einräumung von Gewahrsam am Suchtmittel liegende Gefahrenpotenzial einer drohenden schädlichen Einwirkung auf die Gesundheit von Menschen, während jener der Aus- und Einfuhr von Suchtgift das besondere Gefahrenmoment eines grenzüberschreitenden Verkehrs mit Suchtmitteln eigenständig und ungeachtet der Weiterleitung des Suchtgifts an potenzielle Konsumenten erfasst. Die Begehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung aggraviert in beiden Fällen den Tatbestand durch die Steigerung des jeweiligen Gefahrenpotenzials, ohne aber die Unrechtselemente des § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG an jene des § 28 Abs 2 vierter Fall SMG anzugleichen.

Das nach § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG qualifizierte Inverkehrsetzen von Suchtgift ist somit weder in allen Tatbestandsvarianten des § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG enthalten, noch decken sich die kriminalpolitischen Ziele, die ausschlaggebend für die Strafbarkeit dieser beiden Deliktsformen sind. Damit kann bei derartigen Fallkonstellationen entgegen der Auffassung des Erstgerichts von keinem Scheinkonkurrenzverhältnis ausgegangen werden (13 Os 19/04). In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war somit das angefochtene Urteil, dass im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in seinem freisprechenden Teil und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufzuheben. Da das Erstgericht - entgegen der Meinung der Generalprokuratur - die für eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst erforderlichen Feststellungen insbesondere auch zur subjektiven Tatseite des Grundtatbestandes nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG ausreichend (und mängelfrei begründet) getroffen hat (US 5) war die Basis für die abschließende rechtliche Beurteilung des vom Erstgericht mit Freispruch erledigten Sachverhaltes durch einen Schuldspruch auch wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG gegeben. Bei der zufolge dieser Entscheidung notwendig gewordenen neuen Strafbemessung, die unter Einbeziehung des rechtskräftig gewordenen Schuldspruches wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, die nach § 28 Abs 4 SMG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu erfolgen hatte, war als erschwerend zu werten das Zusammentreffen zweier (echt konkurrierender) strafbestimmender Verbrechen, die zweifache (nicht strafbestimmende) Qualifikation nach § 28 Abs 3 SMG sowie der Schmuggel von mehr als dem Doppelten der in § 28 Abs 4 Z 3 SMG genannten Suchtgiftmenge; als mildernd war zu werten das reumütige Geständnis des Angeklagten und das längere Zurückliegen der Taten (worin der Umstand der freiwilligen Abstandnahme weiterer Tatbegehungen aufgeht).

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände und der in § 32 StGB bezeichneten allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung entspricht eine dreijährige (mangels Vorliegen der Vorraussetzungen nicht teilweise bedingt nachzusehenden) Freiheitsstrafe der personalen Täterschuld und dem sozialen Störwert der vom Angeklagten begangenen Verbrechen.

Demzufolge war die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO. Die Vorhaft bis zur Fällung des Ersturteils wurde angerechnet; im Übrigen obliegt die weitere Vorhaftbestimmung gemäß § 400 StPO dem Erstgericht.

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