Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 11.April 1956 geborene Kaufmann Gerhard S*** und der am 13.Juli 1939 geborene Angestellte Arnulf K*** des Vergehens nach § 1 Abs 1 lit a und c PornG schuldig erkannt. Darnach haben sie am 21.März 1985 in Graz als geschäftsführende Gesellschafter der Fa. V***-P***, Videofilm- und Videogeräteverleih Ges.m.b.H., im bewußten Zusammenwirken die (im Urteilsspruch bezeichneten) Videokassetten mit (in den Urteilsgründen beschriebenen) Darstellungen intensiven gleichgeschlechtlichen Unzuchttreibens und teils auch sadomasochistischen Darstellungen in gewinnsüchtiger Absicht zur Verbreitung vorrätig gehalten und anderen angeboten bzw. überlassen.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit einer gemeinsam ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z. 5, 9 lit a und lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Generell stellt das Gericht zur geschäftlichen Tätigkeit der beiden Angeklagten unter ausdrücklichem Bezug auf deren niederschriftlichen Angaben bei der Polizei (S. 51-61) und deren (übereinstimmenden) Verantwortungen in der Hauptverhandlung (S. 293-300, 354-360) fest, daß sie zu gleichen Teilen (zu je 50 %) beteiligt und auch tatsächlich mit gleichem Zeitaufwand als geschäftsführende Gesellschafter der oben genannten Videoverleihfirma tätig sind. Sie haben vor Aufnahme dieser Geschäftstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich einschlägige Geschäfte besichtigt und sich über die Einhaltung und Anwendung der Bestimmungen des Pornographiegesetzes auf diese Art und Weise zu informieren gesucht. Bei Bestellung von Kassetten anhand der Covers glaubten sie ausreichend gewährleistet zu haben, daß es zu keinen Beanstandungen komme. Intern wurde es so gehandhabt, daß die Bestellungen und Einkäufe durch den Erstangeklagten S*** erfolgten, dessen Aufgabe es auch war, die eingelangten Filme im Schnellauf nach pornographischem Inhalt zu prüfen. Beide Angeklagten waren aber (noch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung - S. 300, 355-357) der (rechtsirrigen) Ansicht, daß f (im Verhältnis zur Filmlänge) kurze lesbische Szenen nicht als tatbestandsmäßig nach § 1 PornG angesehen werden können. Der Angeklagte K*** verließ sich "blind und ohne (eigene) Besichtigung" auf die Kontrolle durch S***, zumal auch der Zugang zu dem Teil des Geschäftes, wo diese (Sexfilm-)Kassetten angeboten wurden, durch eine Lichtschranke gesichert und mit strengstem Jugendverbot deklariert war.
Im Rahmen sicherheitsbehördlicher Erhebungen am 21.März 1985 wurde im Geschäft der Angeklagten eine Hausdurchsuchung vorgenommen, bei der (auch) die im Urteilsspruch angeführten Kassetten schon aufgrund der Covers und der Beschreibungen (S. 77) unter dem Verdacht beschlagnahmt wurden, sie enthalten Darstellungen harter Pornographie (S. 373 bis 376).
Dieser Verdacht hat sich hinsichtlich der einhundertachtundfünfzig vom Schuldspruch erfaßten Kassetten bei der Besichtigung der von der Polizei beanstandeten Filmausschnitte in der Hauptverhandlung bestätigt. Das Schöffengericht gelangte daher nach Beschreibung der inkriminierten Filmpassagen (S. 376-420) zu dem Ergebnis, daß es sich hiebei um Darstellungen handelt, die überwiegend intensive gleichgeschlechtliche (lesbische) Unzuchtsakte oder (wenngleich zum geringen Teil) auch sadomasochistische und ekelerregende Passagen enthalten, die - wenn auch in Relation zur Gesamtlänge des jeweiligen Filmes kurz - doch ihrem Wesen nach "intensive Betätigung von Körperkontakten im Bereiche der Geschlechtsteile" darstellen. Diese Darstellungen seien daher objektiv als harte Pornographie im Sinn des § 1 PornG zu qualifizieren.
Das Gericht lastete den beiden Angeklagten dieses Vergehen aber auch in subjektiver Richtung an, weil die Kontrollen des Angeklagten S*** nur äußerst oberflächlich und daher im Ergebnis wirkungslos waren, den Angeklagten K*** (der mit seinem Partner ein Vertrauensverhältnis hatte und sich mit diesem auch gelegentlich über den Inhalt der Filme unterhielt - S. 356, 357) nicht entlasten können und er deshalb auch auf die Kontrolltätigkeit seines Mitgesellschafters nicht vertrauen durfte. Beide Angeklagten haben nach der Überzeugung des Gerichts durch ihre mangelnde Überprüfungstätigkeit in bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Unzüchtigkeit der Medienwerke "zumindest in der Schuldform des bedingten Vorsatzes gehandelt", beide "mußten" es für ernstlich möglich halten, daß die inkriminierten Filmkassetten auch zumindest teilweise harte Pornographie beinhalten. Soweit sie sich darauf berufen, der Meinung gewesen zu sein, daß nur Filme, die ausschließlich lesbische Szenen zeigen, zu beanstanden wären, qualifizierten die Tatrichter diesen Rechtsirrtum als vorwerfbar im Sinn des § 9 Abs 2 StGB (S. 423-425).
Wenn im Rahmen der Ausführung der Mängelrüge (Z. 5) beanstandet wird, daß die einzelnen Filmszenen im Urteil nicht hinreichend exakt beschrieben worden seien und der Eindruck erweckt werde, der gesamte Inhalt der Kassetten sei unzüchtig, wird hiemit ein Begründungsmangel nicht aufgezeigt. Im Urteil wird ausdrücklich an mehreren Stellen aktengetreu darauf hingewiesen, daß es sich jeweils nur um kurze Szenen im Rahmen der Darstellung anderer sexueller Praktiken in diesen Filmen handelt (S. 374, 421, 422). Im übrigen kommt es bei der Beurteilung der Frage des absolut unzüchtigen Charakters einer Darstellung gar nicht darauf an, ob die unter dem Begriff "harte Pornographie" zu subsumierenden Teile im Vergleich zum Gesamtumfang des betroffenen Medienwerkes mehr oder weniger gering sind (SSt 50/44, 10 Os 3/85); genug daran, daß es sich hiebei - auch bei flüchtiger Betrachtung erkennbar - um auf sich reduzierte und von anderen Lebensvorgängen losgelöste, anreißerisch verzerrte Abbildungen von gleichgeschlechtlichen Unzuchtsakten, also um intensives Unzuchttreiben auch zwischen Frauen bzw. von Gewaltakten in Verbindung mit sexuellen Betätigungen handelt, denen entsprechender Auffälligkeitswert zukommt. Dies wurde im vorliegenden Fall festgestellt, sodaß der (inhaltlich) erhobene Vorwurf eines Feststellungsmangels (Z. 9 lit a) ebenfalls verfehlt ist.
Zur Rüge (Z. 9 lit a) des Erstangeklagten S***, er habe hinsichtlich der Unzüchtigkeit des Inhalts der Kassetten nicht bedingt vorsätzlich, sondern nur fahrlässig gehandelt, ist er zunächst auf die entgegenstehenden Urteilsannahmen zu verweisen, die
- im Einklang mit seinen eigenen Einlassungen (S. 53, 297, 298, 356)
- davon ausgehen, daß er bei der Besichtigung der Kassetten im Schnellauf gelegentlich lesbische Szenen im Rahmen des Gruppensex wahrgenommen, diesem Umstand jedoch keine Bedeutung beigemessen hat (S. 374). Daraus konnte das Gericht - wenn auch unklar formuliert (verbo: "mußte") - ohne Rechtsirrtum den Schluß ableiten, er habe sich damit abgefunden, daß die Filme (auch) unzüchtigen Inhalt im Sinn des § 1 PornG haben, somit bedingt vorsätzlich (§ 5 Abs 1 StGB) gehandelt.
Es trifft aber auch - entgegen der von der Generalprokuratur vertretenen Meinung - nicht zu, daß der Zweitangeklagte K*** sich auf die Kontrolltätigkeit seines Mitgesellschafters verlassen durfte und die getroffenen Feststellungen seinen Schuldspruch nicht stützen könnten.
Es ist zwar richtig, daß grundsätzlich ein Geschäftsmann bei Bestellung einer geeigneten Person zur Überwachung und Einhaltung der Bestimmungen des Pornographiegesetzes selbst exkulpiert werden kann, jedoch darf er dann auf die Wirksamkeit dieser Kontrolle nicht vertrauen, wenn das Kontrollorgan seinen Aufgaben nicht gewachsen ist oder diese Aufgaben tatsächlich nicht ordnungsgemäß durchführt (EvBl 1975/130). Das Gericht geht aber - wie dargelegt - davon aus, daß der Erstangeklagte S*** seiner Kontrollfunktion nicht ordnungsgemäß nachkam und überdies - genauso wie der Angeklagte K***
- der Meinung war, daß eingestreute Szenen gleichgeschlechtlicher Betätigung in einem im übrigen unbedenklichen Sexfilm nicht als unzüchtig zu werten seien. Da der Angeklagte im Geschäft arbeitete, kannte er auch die dort aufliegenden Covers und Beschreibungen, die
- wie aus den Polizeierhebungen ersichtlich - allein schon den Verdacht, daß die Filme u.a. harte Pornographie beinhalten, belegten, abgesehen davon, daß sich K***
gelegentlich mit S*** auch besprach (S. 356, 300). Wer aber die Tatsachen kennt, die im konkreten Fall das rechtliche Merkmal der Unzüchtigkeit des Deliktsobjekts verwirklichen, also sich jener Tatsachen bewußt ist, aus denen das Gericht auf die Unzüchtigkeit schließt, handelt bereits bedingt vorsätzlich (EvBl 1973/195, Leukauf-Steininger, Strafrechtl. Nebengesetze 2 , E 78, 79, 82 zu § 1 PornG).
Damit bleibt bei Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit beider Angeklagter nur mehr die ebenfalls relevierte (Z. 9 lit b) Frage offen, ob ihnen ein schuldausschließender Rechtsirrtum zuzugestehen ist. Nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung (SSt 51/51 = LSK 1981/32, verst. Senat; 12 Os 55/85, 11 Os 124/85 u.a.) muß der ohne Rücksicht auf den angesprochenen Personenkreis unzulässigen Darstellung gleichgeschlechtlicher Unzucht und von Gewaltakten in Verbindung mit sexuellen Betätigungen weder eine propagandistische Wirkung im Sinn einer Massenbeeinflussung noch die Eignung zukommen, eine in dieser Richtung anregende Wirkung zu erzielen. Es genügt vielmehr eine (nach objektiven Kriterien zu beurteilende) Werbekomponente, wie sie bei Druckwerken und Laufbildern regelmäßig gegeben ist. Die in der Beschwerde angesprochenen, in früheren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (SSt 50/44, EvBl 1980/115) aufgetretenen Divergenzen sind daher nicht mehr aktuell. Als Verleiher von Filmkassetten wären die Angeklagten verpflichtet gewesen, sich mit der neuen, im Tatzeitpunkt zugänglich gewesenen Judikatur vertraut zu machen; ein Irrtum bezüglich der Erlaubtheit des Vertriebes der inkriminierten Videofilmkassetten ist daher nach § 9 Abs 2 StGB vorzuwerfen (11 Os 17/83 u.a.). Es haftet dem Urteil auch in dieser Richtung Nichtigkeit nicht an.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte gemäß § 1 Abs 2 PornG und § 37 Abs 1 StGB über Gerhard S*** eine Geldstrafe von einhundertzwanzig Tagessätzen, im Fall der Nichteinbringlichkeit sechzig Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und über Arnulf K*** eine solche von einhundert Tagessätzen, im Nichteinbringungsfall fünfzig Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Gemäß § 19 Abs 2 StGB wurde die Höhe des Tagessatzes bei S*** mit vierhundert S und bei K*** mit einhundert S festgesetzt.
Bei der Bemessung dieser Geldstrafen waren erschwerend die Vielzahl der Filme strafbaren Inhalts und damit die Erfolgsnähe der strafrechtlich verpönten Zwecke, mildernd hingegen der bisherige unbescholtene Lebenswandel der Angeklagten, zu dem die Tathandlungen in auffallendem Widerspruch stehen, deren Tatsachengeständnis, der Umstand, daß die Taten im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Unzucht nur mit bedingtem Vorsatz begangen wurden und daß die inkriminierten Filme noch nicht zur Verbreitung gelangt waren, sowie das längere Zurückliegen der Taten. Das Gericht verhängte deshalb statt der angedrohten Freiheitsstrafe nur Geldstrafen und nahm in Ansehung der größeren Verantwortlichkeit des Erstangeklagten S*** eine Abstufung in der Anzahl der Tagessätze nach dem Ausmaß der Schuld (§ 32 Abs 1 StGB) vor. Bei Festsetzung der Höhe des Tagessatzes ging das Gericht bei S*** von einem monatlichen Nettoeinkommen von zwanzigtausend S und bei K*** von einem solchen von zehntausend S aus und berücksichtigte bei beiden die Sorgepflicht für zwei Kinder.
Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten sowohl die Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze als auch der Höhe des einzelnen Tagessatzes an und begehren überdies bedingte Strafnachsicht. Der Berufung ist zwar zuzugeben, daß den Angeklagten ein nicht schuldausschließender Rechtsirrtum als Milderungsumstand zuzubilligen ist (§ 34 Z. 12 StGB), hingegen wurde der Milderungsumstand des längeren Zurückliegens der Tat (Tatzeit 21. März 1985) wohl zu Unrecht angenommen. Bedenkt man die große Anzahl der inkriminierten Filme und die im Hinblick auf die Tatbegehung im Rahmen eines Gewerbes besonders naheliegende und große Gefahr des verpönten Erfolgseintritts, so erscheinen die vom Erstgericht ausgemessenen Geldstrafen hinsichtlich der Anzahl der Tagessätze schuld- und tätergerecht.
Bei der Höhe des Tagessatzes soll zur Erzielung einer größtmöglichen Effektivität der Unrechtsfolge eine Abschöpfung der Einkommensspitze der Verurteilten auf einen dem Existenzminimum nahekommenden Betrag und eine fühlbare Herabsetzung ihres Lebensstandards für den gesamten Zeitraum, der der Anzahl der verhängten Tagessätze entspricht, erreicht werden (LSK 1975/116).
Den Verurteilten muß zugemutet werden, daß sie ihren Lebensaufwand zwecks Bezahlung der Geldstrafe auf das Äußerste einschränken (LSK 1977/54).
Geht man von den festgestellten monatlichen Nettoeinkommen der beiden Angeklagten und deren Sorgepflicht für jeweils zwei Kinder aus, so erweisen sich unter Heranziehung der Grundsätze des § 5 Lohnpfändungsgesetz, aber auch unter Bedachtnahme auf die in Bundes- und Landesgesetzen für die Gewährung von Ergänzungszulagen zur Pension oder für die Gewährung von Sozialhilfen normierten Richtsätze die als abschöpfbar angenommenen Einkommensteile, nämlich beim Angeklagten S*** von 12.000 S (entspricht einem Tagessatz von 400 S) und beim Angeklagten K*** von 3.000 S (entspricht einem Tagessatz von 100 S) als unbedenklich.
Da die kriminalpolitische Effektivität einer bedingten Geldstrafe jedenfalls geringer ist als die einer bedingten Freiheitsstrafe (LSK 1983/169), wäre in einem derartigen Fall des gewerbsmäßigen Handelns mit Filmen pornographischen Inhalts die Anwendung des § 43 StGB nachgerade unvertretbar.
Den Berufungen war daher der Erfolg zu versagen.
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