OGH 13Os60/12s

OGH13Os60/12s30.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Peter A***** und einen anderen Angeklagten wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Peter A***** und Dkfm. Mag. DDr. Gerhard G***** sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Jänner 2012, GZ 121 Hv 25/11z-65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Peter A***** und Dkfm. Mag. DDr. Gerhard G***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (I) und nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (II) schuldig erkannt.

Danach haben Peter A***** als Obmann, Dkfm. Mag. DDr. Gerhard G***** als Vizepräsident des Vereins „O*****“-Verein zur Förderung zwischenmenschlicher Beziehungen (der einen sogenannten Swingerclub betrieb) vom März 2003 bis zum März 2007 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken vorsätzlich Abgabenverkürzungen um insgesamt rund 140.000 Euro bewirkt, nämlich

(I) durch Nichtabgabe von Umsatz- und Körperschaftsteuererklärungen für die Jahre 2002 bis 2005 und solcherart unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten an Umsatzsteuer für 2002 um etwa 12.400 Euro und für 2003 bis 2005 um jeweils ca 24.700 Euro sowie an Körperschaftsteuer für 2002 um rund 4.200 Euro, für 2002 und 2004 um jeweils etwa 8.400 Euro und für 2005 um ca 6.200 Euro sowie

(II) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen an Umsatzsteuer für die Monate Jänner 2006 bis Jänner 2007 um jeweils rund 2.060 Euro, wobei sie das Bewirken dieser Verkürzungen nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten haben.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von beiden Angeklagten aus Z 5, von Peter A***** überdies aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter A*****:

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) ist die Begründung der Urteilsfeststellungen zur Höhe des strafbestimmenden Wertbetrags (§ 53 Abs 1 FinStrG) keineswegs undeutlich (Z 5 erster Fall). Das Erstgericht legt diesbezüglich unmissverständlich dar, von den Schätzungen der Finanzbehörde (§ 184 BAO) ausgegangen zu sein, die jeweiligen Verkürzungsbeträge aber aufgrund der Angaben der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen zur Besucherfrequenz (in Relation zu diesen Schätzungen) entsprechend reduziert zu haben (US 13 f).

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang die abgabenbehördliche Schätzung anzweifelt, ist sie darauf zu verweisen, dass einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens nach ständiger Judikatur die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des im diesbezüglichen Finanzstrafverfahren aktuellen Finanzvergehens zukommt (RIS-Justiz RS0087030). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) folgt daraus, dass das erkennende Gericht die abgabenrechtlichen Erhebungsergebnisse - sofern sie (wie hier: ON 64 S 83) in der Hauptverhandlung vorgekommen sind (§ 258 Abs 1 StPO) - seinen Feststellungen prinzipiell zugrunde legen kann. Dabei macht es keinen Unterschied, auf welcher Art abgabenbehördlicher Grundlagenermittlung (§§ 161 bis 184 BAO) der in Rede stehende Bescheid beruht, womit auch die abgabenbehördliche Schätzung (§ 184 BAO) eine im dargelegten Sinn taugliche Begründungsbasis darstellt (Lässig in WK2 FinStrG Vorbem Rz 5). Zielt eine Nichtigkeitsbeschwerde darauf, eine auf einem Abgabenbescheid - wie hier den Denkgesetzen entsprechend - fußende Urteilsbegründung zu erschüttern, muss sie demnach aus konkreten Details der Tatsachengrundlagen des Bescheids im Beweisverfahren unausgeräumt gebliebene Mängel ableiten (vgl RIS-Justiz RS0087030), welchem Erfordernis die Beschwerde nicht einmal ansatzweise gerecht wird.

Die vermisste Begründung für die Feststellungen zur Steuerpflicht des Vereins „O*****“ findet sich auf den US 12 f, jene der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite auf den US 14 bis 16.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) aus der Prämisse der Mildtätigkeit (§ 37 BAO) der Zwecke des Vereins „O*****“ fehlende Steuerpflicht ableitet, entfernt sie sich von den gegenteiligen Urteilsfeststellungen (US 6 f) und verfehlt solcherart den (auf der Sachverhaltsebene) gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dkfm. Mag. DDr. Gerhard G*****:

Das Erstgericht legt in eingehender Beweiswürdigung dar, aus welchen Gründen es die leugnende Verantwortung der Angeklagten als widerlegt erachtet (US 12 bis 16). Eine darüber hinausgehende Erörterung sämtlicher Details der Verantwortung des Beschwerdeführers ist unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht erforderlich, sie würde vielmehr dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) widersprechen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Die Ableitung der abgabenrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers aus den - aufgrund der Vereinsstatuten, der vorgelegten Verträge sowie der Angaben der Angeklagten und der Zeugin M***** festgestellten (US 12) - Umständen, dass der Beschwerdeführer Vizepräsident des Vereins „O*****“ und als solcher für dessen Vertretung vor Ämtern und Behörden zuständig war (US 5), ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.

Die vermisste Begründung für die Konstatierungen zur Steuerpflicht des Vereins „O*****“ findet sich auf den US 12 f, jene der Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf den US 14 bis 16.

Die Beschwerdebehauptung, das Erstgericht habe die in Richtung rechtsirrtümlichen (§ 9 FinStrG) Handelns zielende Verantwortung des Beschwerdeführers bloß mit der Begründung abgelehnt, dass für einen Rechtsirrtum „nach einer Gesamtbetrachtung der Umstände“ kein Raum bliebe, unterlässt die gebotene Orientierung an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0116504, RS0119370; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394). Das Erstgericht stützt sich insoweit nämlich ausdrücklich auf die jahrelang geübte Praxis der Angeklagten, gleichartige Vereine wie die „O*****“ zu betreiben, und deren daraus abgeleitetes Wissen um die Steuerpflicht der angebotenen Leistungen (US 15 f), was aus dem Blickwinkel hinreichender Begründung (Z 5 vierter Fall) keinen Bedenken begegnet.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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