OGH 13Os56/23v

OGH13Os56/23v20.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FI Trsek in der Strafsache gegen * K* wegen Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 17. Februar 2023, GZ 50 Hv 127/22s‑111, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Bertsch zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00056.23V.0920.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I 3 a wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Adhäsionserkenntnis betreffend die Privatbeteiligte * B* sowie der zugleich ergangene Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht aufgehoben und es wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst

1) erkannt:

* K* wird gemäß § 259 Z 3 StPO von dem wider ihn erhobenen Vorwurf freigesprochen, er habe * B* eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen versucht, indem er sie Mitte Mai 2022in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) mit der rechten Hand am Hals gegen eine Scheibe drückte und sie würgte, sie zu Boden warf sowie ihr mit der rechten Faust mehrmals ins Gesicht schlug, wodurch sie ein Hämatom, das fast die gesamte rechte Gesichtshälfte bedeckte, ein Monokelhämatom am rechten Auge sowie eine blutende Verletzung erlitt.

Für die ihm weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich die Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB (I 1) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB (II 1) sowie nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (I 3 b und III 4), die Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I 2, I 3 c und I 4) sowie nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (II 3), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II 2 und III 2), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II 4 und III 6) sowie nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (III 5) und je ein Vergehen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB (IV) und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (V), wird er unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 84 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von

drei Jahren

verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die vom 8. Juni 2022, 15:05 Uhr, bis zum 9. November 2022, 00:00 Uhr, vom 30. November 2022, 12:00 Uhr, bis zum 30. Dezember 2022, 00:00 Uhr, sowie vom 8. Jänner 2023, 21:00 Uhr, bis zum 17. Februar 2023, 18:34 Uhr, erlittene Vorhaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

Gemäß § 369 Abs 1 StPO ist * K* schuldig, der Privatbeteiligten * B* 900 Euro binnen 14 Tagen zu zahlen.

Mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen wird die genannte Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

 

2) der

Beschluss

gefasst:

Gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO wird die * K* mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 22. September 2021, AZ 17 Hv 52/21t, gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

 

Auf diese Entscheidung wird der Angeklagte mit seiner auf den Schuldspruch I 3 a sowie den Strafausspruch bezogenen Nichtigkeitsbeschwerde, seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe und seiner Beschwerde verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird verworfen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf die Strafneubemessung verwiesen.

Der Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde der österreichische Staatsangehörige * K* der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB (I 1) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB (I 3 a und II 1) sowie nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (I 3 b und III 4), der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I 2, I 3 c und I 4) sowie nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (II 3), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II 2 und III 2) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II 4 und III 6) sowie nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (III 5) und je eines Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB (IV) und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (V) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

(I) * B*

1) von Mitte Mai 2022 bis zum 8. Juni 2022 in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) und an verschiedenen Orten in der Schweiz mehrfach durch die sinngemäße Äußerung, sollte sie ihn verlassen oder die Polizei einschalten, werde er sie und ihr nahestehende Personen, nämlich ihre Mutter, ihren Bruder und den Vater ihres Sohnes (US 17), umbringen sowie ihr das Kind wegnehmen, somit durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper und am Körper von Sympathiepersonen sowie mit der Entführung einer Sympathieperson, zu entsprechenden Unterlassungen genötigt, die besonders wichtige Interessen der Genannten verletzten,

2) am 26. Mai 2022 in W* (Schweiz) vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht, indem er ihr mit der flachen Hand ins Gesicht schlug,

3) vorsätzlich

a) auf eine Weise, mit der Lebensgefahr verbunden ist, am Körper verletzt, indem er sie Mitte Mai 2022 in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) im Schulterbereich packte, gegen eine Scheibe drückte und sie würgte, sie zu Boden drückte, ihr mit der flachen Hand mehrmals ins Gesicht schlug und ihr ein beschädigtes Mobiltelefon ins Gesicht warf, wodurch sie ein Hämatom am Auge sowie Nasenbluten und Kratzer im Gesicht erlitt,

b) am 3. Juni 2022 in U* (Schweiz) eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zuzufügen versucht, indem er ihr zwei Mal mit der Faust ins Gesicht schlug und sie an den Haaren zog, wodurch sie eine blutende Verletzung an der Unterlippe, Hämatome im Gesicht, eine vorübergehende Sehstörung am linken Auge und Schmerzen beim Kauen erlitt und wodurch ihr eine kleine Ecke des linken Frontzahns abbrach,

c) vom 3. Juni 2022 bis zum 8. Juni 2022 in L* (Schweiz) am Körper verletzt, indem er ihr zumindest einmal mit der flachen Hand ins Gesicht schlug und ihr sein Handy an den Kopf warf, wodurch sie eine oberflächliche Abschürfung mit Hämatom an der Stirn erlitt, und

4) vom 3. Juni 2022 bis zum 8. Juni 2022 im Großraum Lu* (Schweiz) am Körper verletzt, indem er ihr zumindest einmal mit der flachen Hand ins Gesicht schlug, wodurch sie Nasenbluten erlitt, weiters

(II) * T*

1) am 27. März 2022 in D* (Schweiz) auf eine Weise, mit der Lebensgefahr verbunden ist, vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihr mit der flachen Hand wiederholt mehrere wuchtige Ohrfeigen gegen den Kopf versetzte und sie wiederholt würgte, sodass sie keine Luft mehr bekam, wodurch sie Kratzer am Hals, eine blutende Verletzung an der Lippe, Hämatome im Bereich beider Augen und Beulen am Hinterkopf oberhalb des linken Ohrs sowie an der Stirn erlitt,

2) am 27. März 2022 in D* (Schweiz) mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich bei ihm im Hotelzimmer zu bleiben und sich „krankschreiben zu lassen“, genötigt, indem er ihr eine Ohrfeige ins Gesicht versetzte, sie mit dem Fuß aus etwa einem Meter Abstand gegen den Oberschenkel trat und sie aufforderte, bei ihm zu bleiben und sich „krankschreiben zu lassen“, weil sie mit den – bei den zu II 1 genannten Tathandlungen erlittenen – Hämatomen im Gesicht nicht aus dem Haus könne,

3) durch die zu II 2 beschriebenen Tathandlungen vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht und

4) Anfang April 2022 in D* oder an einem anderen Ort in der Schweiz (US 16) gefährlich mit einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Zugänglichmachen, Bekanntgeben oder Veröffentlichen von Tatsachen oder Bildaufnahmen bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr gegenüber mehrfach äußerte, er habe sexuelle Handlungen zwischen ihnen aufgenommen und er werde diese Videos veröffentlichen, zudem

(III) * L*

2) am 26. oder am 27. Juni 2021 in B* (Deutschland) mit Gewalt zu einer Unterlassung, nämlich das Hotelzimmer nicht zu verlassen, genötigt, indem er ihr das Verlassen desselben verbot, sie am Kinn und an den Schultern packte und sie auf ein Bett stieß,

4) am 29. Juni 2021 in Do* (Österreich) vorsätzlich eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zuzufügen versucht, indem er ihr mindestens zwei Mal mit der Faust ins Gesicht schlug, sie an den Haaren packte, ihren Kopf gegen den Schaltknüppel eines Pkws und mit einem Mobiltelefon gegen ihre Stirn schlug, wodurch sie eine stark blutende Platzwunde am Kopf sowie Hämatome im Bereich beider Augen erlitt,

5) am 29. Juni 2021 in Do* (Österreich) und Sc* gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er mit dem Pkw, auf dessen Beifahrersitz die Genannte saß, in aggressiver Weise von Do* in Richtung B* fuhr und äußerte, er werde sie nun umbringen, weil „wenn er ins Gefängnis müsse, dann müsse sich das auch rentieren“, und

6) Anfang November oder Ende Dezember 2021 in S* (Schweiz) gefährlich mit einer Verletzung am Körper bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sie sinngemäß fragte, ob er ihr wieder eine „reinschlagen“ müsse, sowie

(IV) mit * L* am 29. Juni 2021 in A* (Schweiz) nach vorangegangener Einschüchterung den Beischlaf vorgenommen, indem er sie nach den zu III 4 und 5 beschriebenen Tathandlungen „zum Sex“ aufforderte, woraufhin sie den vaginalen Geschlechtsverkehr aus Angst vor weiteren Aggressionen über sich ergehen ließ, ferner

(V) bis zum 8. Juni 2022 an verschiedenen Orten in der Schweiz eine Schreckschusspistole samt Zubehör und Munition besessen, obwohl er über keine Berechtigung hiezu in der Schweiz verfügte und ihm dies zufolge Waffenverbots der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 19. November 2013 gemäß § 12 WaffG verboten war.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 1, 3, 5, 9 (richtig) lit a und b sowie 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Zum amtswegigen Vorgehen:

[4] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war, worauf auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend hinweist, der vom Angeklagten nicht geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO zum Schuldspruch I 3 a von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[5] Ausgangspunkt für die seitens der Schweizer Behörden erfolgte Übergabe des Angeklagten an die österreichischen Strafverfolgungsbehörden war eine (mit gerichtlicher Bewilligung [ON 6 S 5] erteilte) Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Feldkirch vom 17. Jänner 2022, welcher ein Großteil der (vom Freispruch erfassten) Verdachtslage in Bezug auf strafbare Handlungen des Angeklagten zum Nachteil der L* K* (vgl US 6 f) zu Grunde lag (ON 6). Nach Bekanntwerden eines Aufenthaltsorts des Angeklagten in der Schweiz (ON 13) wurde ein Europäischer Haftbefehl ausgestellt und die Ausschreibung des Genannten zur Verhaftung im SIS-Bereich angeordnet (ON 14, 15 und 16). Der im Juni 2022 in einem (wegen der zum Schuldspruch I 1 bis 3 und IV maßgeblichen Verdachtslage geführten) Schweizer Ermittlungsverfahren in kantonaler Untersuchungshaft angehaltene Angeklagte (ON 24 und 25) wurde mit Bewilligung des Schweizer Bundesamts für Justiz vom 8. Juli 2022 unter Spezialitätsvorbehalt (ON 25 S 3) am 4. November 2022 an Österreich ausgeliefert (ON 33, ON 37 S 4).

[6] Nach Einbringung einer Anklageschrift am 15. November 2022 wegen der dem Angeklagten zum Nachteil seiner Ehefrau L* K* angelasteten (vom Freispruch erfassten, US 6 f) Taten (ON 49) langte am 18. November 2022 ein Ersuchen der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen um stellvertretende Strafverfolgung bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch ein. In diesemwies sie auf die erfolgte Auslieferung hin, ersuchte nunmehr um Übernahme der Strafverfolgung des Angeklagten wegen in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich begangener, bei der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen in Strafuntersuchung stehender Vorfälle (ON 2 S 11 in ON 70) und schloss die insofern maßgeblichen Verfahrensergebnisse in Dossiers (AZ ST 2022.19016, ON 2 bis ON 4 in ON 70) an, welche die vom Schuldspruch I, II, III, IV und V umfassten Sachverhalte enthalten.

[7] Nach Übermittlung einer Ausfertigung der darauf bezogenen, gegen den Angeklagten erhobenen Anklage und der Mitteilung, dass ein Fahren ohne Berechtigung in Österreich keiner gerichtlichen Strafbarkeit unterliegt (ON 16 und ON 17 in ON 73), erklärte die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen am 11. Jänner 2023, das von ihr zu AZ ST 2022.19016 geführte Verfahren (mit Ausnahme des Vorwurfs des Fahrens ohne Berechtigung) an die Staatsanwaltschaft Feldkirch abzutreten (ON 83).

[8] Demgegenüber wird dem Angeklagten zum Schuldspruch I 3 a ein (ausschließlich) in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) gesetztes und als Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB beurteiltes Verhalten angelastet (US 2 und 16 f). Dieses Geschehen betrifft weder einen von der Auslieferung (vgl ON 6 und ON 14) noch einen vom Ersuchen um Übernahme der Strafverfolgung erfassten (nämlich in Deutschland, in der Schweiz oder in Österreich vorgefallenen) Sachverhalt. Da den Akten diesbezüglich auch keine sonstigen Gründe für eine Aufhebung der Spezialitätsbindung (Art 14 Abs 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens BGBl 1969/320) zu entnehmen sind, ist das Urteil im Schuldspruch I 3 a mit einem prozessualen Verfolgungshindernis behaftet.

[9] Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§ 288 Abs 2 StPO iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[10] Darauf war der Angeklagte mit seinem ausschließlich gegen den aufgehobenen Schuldspruch gerichteten (auf Z 5 sowie 9 lit a und b gestützten) Beschwerdevorbringen und seiner Sanktionsrüge (Z 11) zu verweisen.

[11] Mangels aktenkundigen Hinweises auf ein im Zeitpunkt der Fällung des Ersturteils anhängiges Nachtragsauslieferungsverfahren war im Umfang des aufgehobenen Schuldspruchs sogleich in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) und insoweit mit Freispruch vorzugehen (RIS-Justiz RS0098426 [T9]).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen:

[12] Die Besetzungsrüge (Z 1) gründet den Einwand der Befangenheit des gesamten Schöffensenats allein auf ihre aus Z 5 vierter Fall erhobene Urteilskritik. Damit behauptet sie keinen Besetzungsmangel im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.

[13] Indem die Verfahrensrüge (Z 3) die Vorgangsweise der Vorsitzenden des Schöffensenats kritisiert, die Vernehmung der Tatopfer * B*, * T* und * L* nicht kontradiktorisch unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung (§ 250 Abs 3 StPO iVm § 165 Abs 3 StPO) vorgenommen, sondern gemäß § 250 Abs 1 StPO unter zeitweiser Entfernung des Angeklagten aus dem Gerichtssaal durchgeführt zu haben, bezieht sie sich auf keine Bestimmung, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet. Allfällige Nichtigkeit aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO würde einen in der Hauptverhandlung erfolglos gestellten Antrag an das Schöffengericht (§ 238 Abs 1 StPO), auf eine bestimmte andere Weise zu verfahren, als die Vorsitzende gedenkt, voraussetzen (RIS-Justiz RS0113408; Kirchbacher, WK-StPO § 250 Rz 30). Ein hier nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung erfolgter Widerspruch gegen die diesbezügliche prozessleitende Verfügung der Vorsitzenden (vgl ON 86 S 26, ON 91 S 2 und ON 96 S 2) genügt hingegen nicht (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 304 und 314).

[14] Die mit Mängelrüge (Z 5) vorgetragene Kritik an der tatrichterlichen Beurteilung der Überzeugungskraft von Verfahrensergebnissen – nämlich gegenständlich der Aussagen der Zeuginnen T*, L* und B*, der Einlassung des Angeklagten sowie der Inhalte von Chat-Nachrichten (US 21 ff) – ist einer Anfechtung aus Z 5 entzogen (RIS‑Justiz RS0106588 [insbesondere T3]). Mit den wiederholten Einwänden, die Beweiswürdigung sei „willkürlich“ und „lebensfremd“ und die Überlegungen des Gerichts betreffend toxische Beziehungen stellten eine „pauschale Verallgemeinerung“ dar, erschöpft sich die Beschwerde in einem Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[15] Dem Beschwerdevorbringen (Z 5 vierter Fall) zuwider stützte das Erstgericht seine Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen nicht auf eine „Gerichtsnotorietät“, sondern im Wesentlichen auf die für glaubwürdig erachteten Angaben der Zeuginnen T*, L* und B* (US 20 ff). Die Kritik, der Angeklagte sei durch die Würdigung des Aussageverhaltens dieser Zeuginnen von einer ihm „unbekannten Gerichtsnotorietät“ „überrascht“ worden und hätte in die Lage versetzt werden müssen, einen Antrag auf Einholung eines psychologischen Gutachtens zum Nachweis dafür zu stellen, dass „das Verhalten der Zeuginnen * L*, * T* und * B* nach den angeblichen Gewaltvorfällen nicht für Opfer in Gewaltbeziehungen ganz typisch“ sei, schlägt solcherart schon im Ansatz fehl. Im Übrigen sind beweiswürdigende Erwägungen des Gerichts unter dem Aspekt der Nichtigkeitsgründe nicht Gegenstand des Überraschungsverbots (RIS-Justiz RS0120025 [T3 und T5]).

[16] Soweit die Beschwerde zum Schuldspruch IV eine Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 12) vermisst (nominell Z 5 fünfter Fall, der Sache nach Z 5 vierter Fall), übergeht sie die Urteilserwägung (US 22 f), wonach das Gericht seine Feststellungen zur inneren Tatseite jeweils aus dem äußeren Tatgeschehen, einer lebensnahen Betrachtung des Sachverhalts und dem Verhalten des Angeklagten erschloss (dazu RIS-Justiz RS0098671), soweit dies zu den einzelnen Fakten nicht näher ausgeführt wurde.

[17] Aktenwidrigkeit im Sinn der Z 5 fünfter Fall des § 281 Abs 1 StPO liegt dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431). Mit der Behauptung, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zum Schuldspruch IV (US 12) seien „aktenwidrig“, wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund daher der Sache nach nicht eingewendet (RIS-Justiz RS0099431 [T15]).

[18] Unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall sei hinzugefügt, dass die diesbezüglich ins Treffen geführten Passagen der Aussage der Zeugin L* (wonach sie beim Geschlechtsverkehr aus Angst mitgemacht habe; ON 96 S 12 f) ohnedies berücksichtigt wurden (US 31).

[19] Zu eingehender Erörterung der (von der Beschwerde nicht näher bezeichneten [vgl aber RIS-Justiz RS0124172]) Bekundungen des Beschwerdeführers über seine „Bekanntschaft mit einer russischen Dame“ (vgl US 46) und seine angebliche Intention, deshalb die Beziehung zu * B* zu beenden, waren die Tatrichter schon deshalb nicht verhalten, weil sie dessen leugnender Verantwortung insgesamt keine Glaubwürdigkeit zuerkannten (US 21, RIS‑Justiz RS0098377 [vgl insbesondere T2]).

[20] Zum Schuldspruch II 1 wendet sich die Beschwerde (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) gegen die Subsumtion nach der Qualifikationsnorm des § 84 Abs 5 Z 1 StGB. Sie vermisst Feststellungen „über die genaue Dauer des Würgens“, weil es insoweit darauf ankäme, dass tatsächlich eine konkrete Gefahr für das Leben der * T* bestanden habe. Diese Behauptung entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (RIS-Justiz RS0116565), weshalb die Urteilskonstatierungen, wonach der Angeklagte * T* gegen den Kopf und ins Gesicht schlug, sie mit einer Hand würgte, sodass sie kaum noch, kurzzeitig auch keine Luft mehr bekam und wodurch die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn des Opfers beeinträchtigt war, wobei er dieses Würgen immer wieder kurzzeitig unterbrach, jedoch mehrmals wieder fortsetzte (US 14), für die rechtsrichtige Subsumtion nach § 84 Abs 5 Z 1 StGB nicht ausreichen sollten (vgl dazu Burgstaller/Schütz in WK2 StGB § 84 Rz 81 und 83; Leukauf/Steininger/Nimmervoll, StGB4 § 84 Rz 43 und 44; Kienapfel/Schroll, StudB BT I5 § 84 Rz 59 und 62 f). Die von der Beschwerde ins Treffen geführte Kommentarstelle (Bertel/Schwaighofer/Venier BT I16 § 84 Rz 14) beschränkt sich ihrerseits auf die bloße Rechtsbehauptung, es sei für die Annahme der in Rede stehenden Qualifikation erforderlich, wenigstens einen Augenblick um das Leben des Opfers fürchten zu müssen (siehe aber RIS-Justiz RS0118429 [T4 und T8]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 590).

[21] Mit dem Einwand, die Feststellungen, wonach * T* kaum noch, kurzzeitig auch keine Luft mehr bekam (US 14), seien „aktenwidrig“ (abermals RIS-Justiz RS0099431 [T15]), wird der Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (RIS-Justiz RS0099810).

[22] Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet, eine Strafverfolgung des Angeklagten wegen „sämtlicher Fakten zum Nachteil von * T*, der * L* und der * B*“ in Österreich sei – von der seinerzeitigen Auslieferung nicht erfasst und mangels Verzichts des Angeklagten – zufolge des Spezialitätsvorbehalts ausgeschlossen. Sie leitet diesen Einwand jedoch weder aus dem Urteilssachverhalt ab noch macht sie einen auf das prozessuale Verfolgungshindernis der Spezialität der Auslieferung bezogenen Feststellungsmangel (vgl RIS-Justiz RS0118545 [T4]) deutlich und bestimmt geltend (Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 281 Rz 79; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 602 ff).

[23] Hinzugefügt sei, dass – ausgehend von der Aktenlage – nach der (unter Spezialitätsvorbehalt) erfolgten Auslieferung des Angeklagten an Österreich die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Gossau, die Staatsanwaltschaft Feldkirch um stellvertretende Strafverfolgung des Angeklagten wegen der ihm in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich angelasteten, bei der Staatsanwaltschaft Kanton St. Gallen in Untersuchung stehenden Taten ersuchte und insofern auch eine Abtretung des Strafverfahrens erklärte (ON 2, 3 und 4 in ON 70, ON 83). In diesem Umfang (Schuldspruch I 1, I 2, I 3 b und c, I 4, II, III, IV und V) findet der Grundsatz der Spezialität der Auslieferung gemäß dem – im Verhältnis zur Schweiz zur Anwendung gelangenden – Art 14 Abs 1 lit a des Europäischen Auslieferungsübereinkommens keine Anwendung (vgl insofern Art 22 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und Art 88, 89 Abs 3 iVm Art 38 Abs 1 lit a schwIRSG).

[24] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zu verwerfen.

 

Zum Sanktionsausspruch und zum Adhäsionserkenntnis:

[25] Bei der aufgrund der teilweisen Aufhebung erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit mehreren Vergehen und die Tatbegehung gegenüber drei Tatopfern (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), die Vorstrafen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) und den raschen Rückfall (vgl Ebner in WK2 StGB § 33 Rz 11 sowie RIS‑Justiz RS0091041) sowieden Umstand, dass der Angeklagte die Tat zu I 3 c unter Anwendung von Gewalt als Volljähriger für eine minderjährige Person wahrnehmbar gegen eine ihr nahestehende Person beging (§ 33 Abs 2 Z 1 StGB).

[26] Im Rahmen der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 Abs 2 und 3 StGB) waren die Tatbegehung während eines anhängigen, sodann mit einem rechtskräftigen Schuldspruch beendeten Strafverfahrens (RIS‑Justiz RS0091048 [T4 und T6]) und innerhalb offener Probezeit (RIS-Justiz RS0090597 und RS0091096 [T1]) aggravierend.

[27] Als mildernd war zu berücksichtigen, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB), und das Absolvieren von mittlerweile zwölf ausführlichen Beratungsgesprächen bei der Gewaltberatungsstelle des Instituts für Sozialdienste Feldkirch (vgl Ebner in WK² StGB § 32 Rz 47).

[28] Ausgehend davon (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) erweist sich bei einer Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe (§ 84 Abs 4 StGB) auf der Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) die im Spruch genannte Sanktion als angemessen.

[29] Die bedingte Nachsicht eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe nach § 43a Abs 4 StGB kommt nicht in Betracht. Ein von dieser Norm vorausgesetzter besonderer Ausnahmefall (RIS-Justiz RS0092050) liegt nämlich hier schon mit Blick auf das einschlägig getrübte Vorleben des Angeklagten sowie die aktuell vielfach wiederholte Delinquenz keinesfalls vor.

[30] Die Anrechnung der Vorhaftzeiten gründet sich auf § 38 Abs 1 Z 1 StGB.

[31] Über die Anrechnung der nach Fällung des Urteils erster Instanz in Vorhaft (§ 38 StGB) zugebrachten Zeit hat gemäß § 400 StPO die Vorsitzende des Erstgerichts mit Beschluss zu entscheiden (RIS-Justiz RS0091624).

[32] Zugleich mit dem Urteil erging gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO der Beschluss, die * K*mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 22. September 2021, AZ 17 Hv 52/21t, gewährte bedingte Strafnachsicht zu widerrufen.

[33] Infolge Aufhebung dieses Beschlusses war vom Obersten Gerichtshof auch über die Frage des Widerrufs zu entscheiden. Insoweit gebot der überaus rasche, spezifisch einschlägige und durch eine Vielzahl von Tathandlungen geprägte Rückfall zusätzlich zur nunmehrigen Sanktion auch den Widerruf, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs 1 StGB).

[34] Der Privatbeteiligten * B*war gemäß § 369 Abs 1 StPO als Schadenersatz für die durch die Taten erlittenen Kränkungen und körperlichen sowie seelischen Schmerzen nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO; Spenling, WK-StPO § 369 Rz 6 mwN) jedenfalls ein Betrag von 900 Euro zuzusprechen. Mit ihrem Mehrbegehren war sie gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

 

Zur Berufung des Angeklagten gegen den Zuspruch an die Privatbeteiligte * L*:

[35] Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten zur Zahlung von 5.000 Euro an * L*.

[36] Die Berufung fordert eine Verweisung auf den Zivilrechtsweg, bringt vor, es läge „keinerlei fachärztliche Diagnose über Art und insbesondere Ursache einer allfälligen psychischen Erkrankung von * L* vor“, und behauptet unter Hinweis auf (vom Erstgericht berücksichtigte, US 26) Chatnachrichten, es sei „nicht nachgewiesen, dass allfällige psychische Probleme von * L* vom Angeklagten verursacht und zu verantworten sind“.

[37] Mit Blick auf die erfolglos bekämpften Feststellungen zu den erlittenen Körperverletzungen (US 11 f) sowie die Urteilskonstatierungen, wonach der Angeklagte * L* durch strafbare Handlungen zu geschlechtlichen Handlungen missbrauchte (vgl § 1328 ABGB) und wonach die urteilsgegenständlichen Tathandlungen des Angeklagten zum Nachteil der * L* für deren psychische Beeinträchtigungen mit Krankheitswert, nämlich eine mittelgradige depressive Episode, eine Agoraphobie mit Panikstörung, Zwangshandlungen und eine posttraumatische Belastungsstörung, zumindest mitursächlich wurden (US 13), ist der vom Erstgericht in freier Überzeugung (Spenling, WK‑StPO § 369 Rz 6 mwN) zuerkannte Betrag von 5.000 Euro nicht zu beanstanden.

[38] Der Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche war daher nicht Folge zu geben.

[39] Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung, Ersterer mit seiner Beschwerde auf den Widerrufsbeschluss zu verweisen.

[40] Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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