OGH 13Os26/86

OGH13Os26/866.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.März 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Huber als Schriftführers in der Strafsache gegen Dr. Walter D*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengerichts vom 8. Oktober 1985, GZ 10 Vr 1528/85-22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Der am 25.Jänner 1938 geborene Dr. Walter D*** wurde des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 10.März 1981 in Klagenfurt als mit der Leitung der kriminalpolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion (Klagenfurt) betrauter Beamter mit dem Vorsatz, die im Strafverfahren 12 U 234/81 des Bezirksgerichts Klagenfurt als Privatankläger auftretende Maria Notburga B*** und den Staat an ihrem Recht auf Strafverfolgung und ungesäumten Vollzug der dieser dienenden gerichtlichen Anordnungen zu schädigen, dadurch, daß er einen ihm übermittelten Beschlagnahmebeschluß des Bezirksgerichts Klagenfurt nicht sofort durchführen ließ, sondern den mit der Durchführung beauftragten Bezirksinspektor Gerhard Z*** anwies, die Beschlagnahme erst am nächsten Tag durchzuführen, anschließend den Beschuldigten Dkfm. Peter W*** vom Vorliegen des Beschlagnahmebeschlusses fernmündlich in Kenntnis setzte und ihm riet, die hievon betroffenen Gegenstände beiseitezuschaffen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte aus den Gründen des § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde. Die Verfahrensrüge (Z 4) releviert die vom Verteidiger des Angeklagten in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung des Rudolf F***, eines Polizeibeamten, zum Beweis dafür, daß dieser es gewesen sei, der den Barbetrag von 10.000 S im Rahmen einer Fahnenweihe von Dkfm. Peter W*** erhalten habe, der Angeklagte also in dieser Spende in keiner Form integriert (gemeint: involviert) gewesen sei; ferner des Hofrats Dr. Josef K*** zum Beweis dafür, daß es (in der Bundespolizeidirektion Klagenfurt) üblich sei, daß Abteilungsleiter noch kurz vor Dienstschluß die Tagesereignisse berichten und schließlich der Untersuchungsrichterin Mag. Anneliese G***-F*** zum Beweis dafür, daß die Aussage des Zeugen Dkfm. Peter W*** nicht auf einen Protokollierungsfehler zurückzuführen sei, sondern daß er dezidiert erklärt habe, es sei Dr. D*** gewesen, dem er einen Betrag von 10.000 S übergeben habe (S. 132 bis 134).

In Begründung seiner abweislichen Zwischenerkenntnisse hat der Schöffensenat ausgeführt, daß zufolge der Aussagen der Zeugen Dkfm. Peter W*** und Gruppeninspektor Maximilian K*** sowie nach der Verantwortung des Angeklagten zweifelsfrei erwiesen sei, daß nicht dieser die 10.000 S von Dkfm. Peter W*** bekommen habe, (wie es) aufgrund von Protokollierungsfehlern des Gruppeninspektors K*** und der Untersuchungsrichterin so scheine, sondern Rudolf F***, der Angeklagte also mit dieser (Spenden-) Sache nichts zu tun habe; daß ferner der Antrag auf Vernehmung des Hofrats Dr. K*** zur Sache selbst in keine Beziehung zu setzen sei und dem Angeklagten im Zweifel geglaubt werde, daß es bei der Polizeidirektion Klagenfurt üblich sei, dem Polizeidirektor jeweils am späten Nachmittag einen Bericht über die Vorfälle des Tags zu erstatten und schließlich, daß die Protokollierung durch die Untersuchungsrichterin richtig vorgenommen worden sei, weil der Zeuge Dkfm. W*** vorerst geglaubt habe, Dr. D*** könnte der Empfänger des Betrags von 10.000 S gewesen sein, wie er dies auch bei seiner Vernehmung dem Gruppeninspektor K*** mitgeteilt habe, dann aber daraufgekommen sei, daß es Inspektor F*** gewesen sei, dem er das Geld übergeben hatte (S. 133 bis 135).

Dieser Argumentation ist vollauf beizupflichten.

Rechtliche Beurteilung

Die Geldspende hat mit dem Anklagevorwurf selbst nichts zu tun. Daß der Zeuge Dkfm. W*** zunächst den Angeklagten, dann F*** als deren Empfänger nannte, steht für das Gericht ohnedies fest. Über die Ursache dieser als Indiz für die Glaubwürdigkeit des Zeugen allenfalls bedeutsamen Änderung seiner Aussage war durch die Vernehmung von Zeugen kein Aufschluß zu gewinnen, weil jene Ursache als innerer Vorgang einer unmittelbaren Wahrnehmung durch Außenstehende naturgemäß entzogen ist. Die tägliche Berichterstattung an den Polizeidirektor aber hat das Gericht ohnehin als erwiesen angenommen. Durch die Abweisung der Beweisanträge konnten daher Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt werden.

Die Mängelrüge (Z 5) erweist sich insgesamt als unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung. Das Schöffengericht hat dem Zeugen Dkfm. W*** volle Glaubwürdigkeit zugebilligt, ist dabei auch auf die oben erwähnte Ungereimtheit in seinen Bekundungen eingegangen und hat schlüssig dargelegt, weshalb diese Änderung seiner Angaben seine Zeugenqualität nicht mindert (S. 146; 150 bis 152; 154; 155). In den gleichfalls als wahrheitsgemäß beurteilten Depositionen der Zeuginnen Lisbeth S*** und Silvia J*** fand das Gericht eine es überzeugende Bestätigung für die Richtigkeit der Aussage des Dkfm. W*** (S. 143; 146; 150 f.; 154 f.).

Wenn die Beschwerde bezweifelt, daß es der Angeklagte war, der selbst dem Zeugen Dkfm. W*** den Beschlagnahmebeschluß fernmündlich ankündigte und dieser daraufhin die darnach sicherzustellenden Lobisser-Krüge wegschaffen ließ, dann scheitert sie an der Beweiswürdigung der Tatrichter, die durch logisch und empirisch einwandfreie, wenn auch nicht zwingende Schlußfolgerungen zur Konstatierung des für den Schuldspruch wesentlichen Sachverhalts gelangten. Darauf, ob der Angeklagte, wie das Schöffengericht vermeint, auch durch eine gezielte Verzögerung der Hausdurchsuchung sein Amt mißbrauchte, kommt es bei dem als funktionelle Einheit anzusehenden Geschehen entscheidend nicht an. Genug daran, daß der Angeklagte durch die telephonische Ankündigung dieser Maßnahme sofort nach der Weitergabe des Beschlagnahmebeschlusses dem Betroffenen die von diesem auch prompt genützte Möglichkeit eröffnete, durch unverzügliches Beiseiteschaffen der verfänglichen Sachen diese Maßnahme zu vereiteln.

Die auf den Kriminalbeamten Gerhard Z*** bezogenen Beschwerdeausführungen sind schon deshalb nicht zielführend, weil das Gericht dessen Aussage nur zum Teil als taugliche Feststellungsgrundlage bewertet hat (S. 152), sie insbesondere aber wegen ihrer Unbestimmtheit als Grundlage für Feststellungen über ein Telephongespräch des Angeklagten unmittelbar nach der Aushändigung des Beschlagnahmebeschlusses an den Kriminalbeamten zu dessen Vollziehung für ungeeignet hielt (S. 154).

Die von der Beschwerde aufgezeigten, als möglich unterstellten Geschehensvarianten wurzeln in Spekulationen darüber, wie die Verfahrensergebnisse anders gedeutet werden könnten. Das gilt insbesondere für die im Rechtsmittel angeschnittenen Haß- und Rachemotive; sprechen doch selbst solche Beweggründe, die vom Erstgericht durchaus in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen, in freier Beweiswürdigung allerdings nicht akzeptiert wurden (S. 146 f., 148 f.), noch nicht zwingend für eine Falschbezichtigung, weil aus Haß oder aus Rache auch eine kompromittierende Wahrheit geoffenbart werden kann. Die Beschlagnahme im Dezember 1980 (12 U 608/80 des Bezirksgerichts Klagenfurt) hat, wie die Beschwerde selbst einräumt, "mit dem in Rede stehenden Beschlagnahmebeschluß des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 27.Februar 1981 nichts zu tun" (S. 162). Alle Erwägungen des Nichtigkeitswerbers über mögliche Reaktionen solcher insbesondere seinen Bruder Kurt W*** betreffenden periphären Vorgänge auf das Verhalten des Hauptbelastungszeugen Dkfm. W*** und sein eigenes haben rein spekulativen Charakter und vermögen die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Sachverhaltsfeststellungen nicht zu erschüttern. Die relevanten Akten 12 U 234/81 des Bezirksgerichts Klagenfurt wurden sehr wohl in der Hauptverhandlung verlesen (S. 134). Daß nach fast fünf Jahren ein Geschehen nicht mehr in allen Einzelheiten in der Erinnerung bleibt, ist der Beschwerde zuzugeben. Es ist aber wohl unbestreitbar, daß die dem Schuldspruch zugrundeliegende markante Begebenheit: fernmündliche Warnung vor einer drohenden Beschlagnahme durch den damals unzweifelhaft erkannten Angeklagten und erfolgreiches Beiseiteschaffen des zu beschlagnahmenden Guts, auch über Jahre in ihren allein relevanten, von zeitlichen und räumlichen Details unabhängigen Grundzügen dem Betroffenen im Gedächtnis haften bleiben kann. Die Gründe, die das Schöffengericht nicht daran zweifeln ließen, daß der Angeklagte es war, der Dkfm. W*** vor der drohenden Beschlagnahme der Lobisser-Krüge rechtzeitig warnte, sind dem Urteil mit aller Deutlichkeit zu entnehmen (S. 155). Da zu dem nach Übernahme des Beschlagnahmebefehls durch den Zeugen Z*** angeblich geführten Telephongespräch des Angeklagten keine Konstatierungen getroffen wurden (S. 154), fehlt dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen das Substrat. Die den IPA-Teller und die Polizeispende betreffenden Verfahrensergebnisse sind nur hinsichtlich der Umstände, unter welchen der Verdacht gegen den Angeklagten bekannt wurde, von Interesse und wurden diesbezüglich auch gewürdigt (S. 150 ff.), haben aber ansonsten mit dem eigentlichen Tatgeschehen nichts zu tun. Insoweit die Beschwerde aus dem gegen Dkfm. W*** geführten Strafverfahren schlechthin Argumente gegen dessen Verläßlichkeit als Zeuge aufzuzeigen trachtet (S. 170, 171, 172), unternimmt sie (abermals) einen unzulässigen und daher unbeachtlichen Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung.

Zusammenfassend ist zur Mängelrüge zu sagen:

Mit den an deren Spitze gestellten Überlegungen zum Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) verkennt der Nichtigkeitswerber das Prinzip der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO), das dem erkennenden Gericht nicht verwehrt, sich unter mehreren denkbaren Schlußfolgerungen auch für den Angeklagten ungünstigere zu entscheiden und so zu relevanten Feststellungen zu gelangen, wenn diese Konklusionen nur denkgesetzlich möglich sind und den Erfahrungsgrundsätzen nicht widersprechen (SSt. 45/23, 19/94 u. v.a.). Daß die für den Schuldspruch relevanten Konstatierungen nach diesen Grundsätzen aus den Verfahrensergebnissen abgeleitet werden konnten, kann füglich nicht bezweifelt werden. Sind sie, wie hier, von der Überzeugung des Gerichts getragen, erweisen sie sich - wie schon erwähnt - als im Nichtigkeitsverfahren unbekämpfbar. Darüber vermögen auch die mit dem konkreten Sachverhalt nicht in Verbindung gebrachten Judikaturzitate nicht hinwegzuhelfen (S. 160, 161).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht die Feststellung des wissentlichen Mißbrauchs seiner Amtsstellung als Leiter der kriminalpolizeilichen Abteilung durch den Angeklagten (S. 138, 155, 156) - wie sollte auch die gezielte Bekanntgabe einer behördlichen Maßnahme just an denjenigen, vor dem sie zur Vermeidung der Erfolglosigkeit dieser Maßnahme geheim gehalten werden mußte, von der subjektiven Tatseite anders denn als wissentlicher Befugnismißbrauch aufgefaßt werden - und ist damit nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon in einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Auf die Anregung eines Vorgehens nach § 362 StPO war nicht einzugehen (§ 362 Abs 3 StPO).

Eine Entscheidung über den Delegierungsantrag erübrigt sich mangels einer Zurückverweisung der Sache an die erste InstanZ

Zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wird ein Gerichtstag anberaumt werden (§ 296 Abs 3 StPO).

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