OGH 13Os199/84

OGH13Os199/8420.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Dezember 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mahn als Schriftführers in der Strafsache gegen Anton A wegen des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangsabgaben nach §§ 35 Abs. 2, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Anton A gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengerichts vom 9.Juli 1984, GZ. 21 a Vr 2013/82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit der Berufung werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 1.Mai 1947 geborene Geschäftsführer einer Tankstelle Anton A wurde des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangsabgaben nach §§ 35 Abs. 2, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig erkannt. Darnach hat er in Salzburg-Walserberg und Großgmain vom 21. September 1975 bis 24.März 1977

als abgabenpflichtiger, verfügungsberechtigter und inländischer Käufer anläßlich der Einfuhr von insgesamt fünfzehn unfallbeschädigten Personenkraftwagen aus der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich durch die Vorlage von mit unrichtigen Einkaufspreisen versehenen Kaufvertrags- und Bestellformularen und von mit unrichtigen Angaben versehenen Erklärungen zur Ermittlung des Zollwertes (Zollwerterklärung) unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht die Verkürzung von Eingangsabgaben im Gesamtbetrag von 73.873 S bewirkt, wobei es ihm darauf angekommen ist, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Dieses Urteil ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an; den Strafausspruch bekämpfen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Mängelrüge ist zuzugestehen, daß sich das Erstgericht bei der Feststellung der subjektiven Tatseite der wiederholten Eingangsabgabenverkürzung und deren gewerbsmäßiger Begehung, damit für die gerichtliche Strafbarkeit entscheidender Umstände, aktenwidrig (S. 5/II) auf ein 'Geständnis im vollen Umfang der Anklage' stützt (S. 19/II). Tatsächlich hat es aber die für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Einschränkungen der Einlassungen des Angeklagten (S. 317 bis 331 und ON. 5/I, namentlich S. 351/I oben, sowie S. 5 bis 7/II) ebenso übergangen wie es die in diesem Zusammenhang relevanten Ausführungen der Anzeige nicht gewürdigt hat.

Das Gericht stellt zwar - insoweit gedeckt durch alle Beweisergebnisse - fest, daß Anton A Geschäftsführer einer Esso-Tankstelle in Kirschlag (NÖ.) war, die sich auch mit Gebrauchtwagenhandel beschäftigte. Er kaufte bei Autohändlern in Bad Reichenhall in der Zeit vom 21.September 1975 bis 24.März 1977 fünfzehn preislich günstige unfallbeschädigte Personenkraftwagen, um sie in Österreich (nach Reparatur) gewinnbringend zu verkaufen. Zur Mitwirkung des Angeklagten am Verzollungsvorgang konstatiert das Gericht jedoch nur unter Hinweis auf die Ermittlungen des Zollamts Klagenfurt, er habe als Geschäftsführer anläßlich der jeweiligen Verzollungen vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Eingangsabgaben von insgesamt 73.873 S dadurch verkürzt, daß er bei der Verzollung unterfakturierte Verkaufsunterlagen und mit unrichtigen (zu niedrigen) Kaufpreisen versehene Zollwerterklärungen den jeweiligen Abfertigungszollämtern in Vorlage brachte. Dabei war er mit der Verkürzung der Eingangsabgaben einverstanden und nahm sie zumindest billigend in Kauf.

Außerdem lag es dem Angeklagten auch daran, sich durch den Weiterverkauf der eingeführten Fahrzeuge zumindest eine zusätzliche Einnahmequelle zu verschaffen (S. 14/II).

Der Angeklagte hat aber im gerichtlichen Strafverfahren ausdrücklich bestritten, an den Verzollungen im Bewußtsein mitgewirkt zu haben, daß er Eingangsabgaben hinterziehe, er habe sich vielmehr auf seine (abgesondert verfolgten) deutschen Vertragspartner und die gutächtlichen öußerungen der jeweils beigezogenen Schätzmeister verlassen, er habe vielleicht fahrlässig, nicht aber vorsätzlich gehandelt (S. 350, 351/I in Verbindung mit S. 5, 6, 7 und 9/II). Für die Richtigkeit dieser Verantwortung bietet aber selbst die Anzeige Anhaltspunkte, weil sie über die aufgedeckten, mehrere Personen betreffenden Geschäftsabwicklungen allgemein berichtet, daß in einem Teil der Fälle die deutschen Autohändler ihre zollunerfahrenen österreichischen Kunden alle notwendigen Unterlagen blanko unterfertigen ließen, mit ihnen einen Fixpreis vereinbarten und sich den aus der Abgabenhinterziehung resultierenden Gewinn selbst zueigneten (S. 5/I). Beim Angeklagten sei zumindest teilweise dieser Weg gewählt worden (S. 7 oben/I). Dem Erstgericht ist zwar zuzugeben, daß das Finanzvergehen nach § 35 Abs. 2 FinStrG keine besondere Schuldform erfordert, vielmehr dolus eventualis (im Sinn des § 8 Abs. 1 FinStrG) genügt. Es hätte aber im Hinblick auf die - wie die Beschwerde richtig aufzeigt - diesbezüglich nicht eindeutigen Beweisergebnisse einer gedrängten (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO), jedenfalls aber logisch nachvollziehbaren Begründung bedurft, auf Grund welcher Ergebnisse der Hauptverhandlung die Tatrichter zum Schluß gekommen sind, daß der Angeklagte (zumindest bedingt) vorsätzlich gehandelt hat. Aber auch die weitere, sowohl für die strafsatzbegründende Subsumtion (§ 38 Abs. 1 lit. a FinStrG) als auch (von § 53 Abs. 4 FinStrG derzeit abgesehen) für die gerichtliche Zuständigkeit (§ 53 Abs. 1 lit. a FinStrG) wesentliche Urteilsannahme der gewerbsmäßigen Begehung entbehrt insoweit einer entsprechenden Begründung als (auch) davon ausgegangen wird, Anton A habe sich selbst durch die wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahme verschaffen wollen (vgl. hiezu Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Kommentar, E 16, 17 zu § 38 FinStrG). Diesbezüglich stellt das Gericht nämlich nur fest, daß der Angeklagte gemeinsam mit seiner Mutter, die allein die Gewerbeberechtigung besitzt, Hälfteigentümer der Tankstelle in Kirchschlag ist und er diesen Betrieb mit seiner Gattin führt. In dieser Eigenschaft beging er die Abgabenhinterziehungen, woraus der rechtliche Schluß gezogen wird, daß er sich hiedurch eine zusätzliche Einnahmequelle verschaffte (S. 13, 14, 20/II). Abgesehen davon, daß selbst nach der Anzeigebegründung (zumindest in einigen Fällen) die deutschen Händler den (zusätzlichen) Gewinn hatten und der Vorwurf der Gewerbsmäßigkeit gegen den Beschwerdeführer auch dort nicht klar formuliert ist (vgl. S. 17/I), übergeht das Erstgericht bei dieser Konstatierung die Verantwortung des Angeklagten, wonach er und seine Gattin nur Dienstnehmer seiner Mutter waren, die unabhängig vom Gewinn einen gleichbleibenden Lohn erhielten (S. 351 a/I samt beiliegenden Gehaltskonten, S. 6/II). Hieraus ließe sich allenfalls schließen, daß die zusätzlichen Einnahmen aus dem Autohandel trotz festgestelltem Hälfteeigentum an der Tankstelle nicht dem Angeklagten selbst, sondern seiner (strafrechtlich nicht weiter verfolgten - S. 9/II) Mutter zufließen sollten und auch tatsächlich zugeflossen sind. Das Urteil ist somit auch in diesem Umfang mit einem Nichtigkeit bewirkenden Begründungsmangel behaftet.

Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, daß das Urteil für den wohl nicht in der Anzeige (S. 11/I), jedoch in der Gegenäußerung des Zollamts Klagenfurt reklamierten Zuständigkeitstatbestand nach § 53 Abs. 4 FinStrG (S. 35/II) kein ausreichendes Tatsachensubstrat enthält.

Es zeigte sich somit schon bei der nichtöffentlichen Beratung, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, weshalb das angefochtene Urteil aus dem Grund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO zur Gänze zu kassieren und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung aufzutragen war (§ 285 e StPO). Auf diese Entscheidung waren der Angeklagte mit seiner und die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung zu verweisen.

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