OGH 13Os167/01

OGH13Os167/016.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lauermann als Schriftführer, in der Entschädigungssache des Entschädigungswerbers Rudiko G***** beim Landesgericht für Strafsachen Wien, AZ 23a Vr 1414/99, über die Beschwerde des Entschädigungswerbers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 5. Oktober 2001, GZ 21 Ns 22/01-12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

  1. 1. Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
  2. 2. Der Antrag, eine mündliche Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof unter Ladung des Beschwerdeführers anzuberaumen, wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Rudiko G***** war beim Landesgericht für Strafsachen Wien unter AZ 23a Vr 1414/99 ein Verfahren zur Auslieferung zwecks Strafverfolgung an die Republik Georgien anhängig, in welchem er entsprechend einem richterlichen Haftbefehl zufolge internationaler Fahndung wegen des Verdachtes der Mitwirkung an einem im Herbst 1996 gesetzten Mordanschlag an Eduard S***** sowie an Vorbereitungshandlungen zur Tötung des Nugzar S***** am 20. Februar 1999, 9,45 Uhr, festgenommen (S 15) und - dem Antrag des öffentlichen Anklägers folgend - am 22. Februar 1999 aus dem Grunde des § 180 Abs 7 StPO in Auslieferungshaft genommen wurde (ON 7).

Nach dem Inhalt der Auslieferungsunterlagen begehrte die Republik Georgien die Auslieferung von G***** (nur) deshalb, weil er im Jahr 1996 in Verabredung mit anderen Personen die Straftat der Vorbereitung einer verbrecherischen Tötung unter erschwerenden Umständen (Ermordung des Generaldirektors des georgischen Unternehmens "I*****" Nugzar S*****- eines mächtigen Wirtschaftskonkurrenten -) durch konkrete Anweisungen aus dem Ausland begangen haben soll. Zur Durchführung des Verbrechens sei es deshalb nicht gekommen, weil einer der vorgesehenen unmittelbaren Täter (ehemalige Mitglieder der Spezialeinheit des Ministeriums für Sicherheit der Republik Georgien mit der Bezeichnung "O*****") verhaftet wurde. Diese Straftat wird im georgischen Haftbefehl den Artikeln 17, 19 und 104 des georgischen Strafgesetzbuches unterstellt, deren Wortlaut aus den Auslieferungsunterlagen ersichtlich ist und die für eine solche Tat eine Freiheitsstrafe von acht bis fünfzehn Jahren mit oder ohne Verbannung von bis zu fünf Jahren oder lebenslange Freiheitsstrafe vorsehen.

Am 21. Mai 1999 hob die Untersuchungsrichterin die bis 6. April 1999 aus dem ursprünglich herangezogenen Haftgrund, sodann aber aus den Gründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatausführungsgefahr fortgesetzte (ON 27) Auslieferungshaft gegen Gelöbnis, Abnahme des Reisepasses sowie Erlag einer Kaution von 500.000,-- S auf (ON 33), sodass G***** nach Erlag der Sicherheitsleistung am 25. Mai 1999 um 15,45 Uhr dieses Tages auf freien Fuß gesetzt wurde (ON 34). Mit Beschluss vom 29. September 1999, AZ 22 Ns 5/99 (ON 41), erklärte das Oberlandesgericht Wien die vom Generalstaatsanwalt der Republik Georgien mit Note vom 26. Februar 1999, Nr 18-860-97, begehrte Auslieferung des Rudiko G***** wegen der im georgischen Haftbefehl vom 14. Dezember 1996, Strafsache N 7496975, beschriebenen Straftat aus dem Grunde des § 19 Abs 1 Z 1 ARHG (Besorgnis eines den Grundsätzen der Artikel 3 und 6 MRK widersprechenden Verfahrens im ersuchenden Staat) für unzulässig.

Am 21. Dezember 1999 erklärte Rudiko G***** auf einen Ersatzanspruch nach dem strafrechtlichen Entschädigungsgesetz nicht zu verzichten, worauf die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit rechtskräftigem Beschluss vom 17. Jänner 2001, GZ 23 a Vr 1414/99-54, feststellte, dass die in § 2 Abs 1 lit b StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, und die Akten dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 13. Dezember 1999 zumittelte, mit dem diese die beschlussmäßige Feststellung begehrt, dass die Bedingungen für die Zuerkennung einer Haftentschädigung nach § 2 Abs 1 lit a StEG für die erlittene Auslieferungshaft an G***** nicht vorliegen. G***** erklärte mit Schriftsatz vom 11. November 2001, sein Ersatzbegehren auch auf Rechtswidrigkeit der Auslieferungshaft zu stützen. Mit dem angefochtenen, - nach durchgeführter öffentlicher Verhandlung auch öffentlich verkündetem - Beschluss hat das Oberlandesgericht Wien erkannt, dass für die Rudiko G***** durch seine Anhaltung in Auslieferungshaft in der Zeit vom 20. Februar 1999, 9,45 Uhr, bis 25. Mai 1999, 15,45 Uhr, entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile die im § 2 Abs 1 lit a StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Rudiko G*****, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Vorweg ist darauf zu verweisen, dass, worauf bereits das Oberlandesgericht ausdrücklich und zutreffend verwiesen hat, bei Prüfung der Frage, ob die Haft gesetzwidrig angeordnet oder verlängert wurde, auf den Erhebungsstand zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Anordnung oder Verlängerung abzustellen ist; gegen die Zulässigkeit der Auslieferung bzw die Annahme von Haftgründen entsprechende, erst nachträglich hervorgekommene Umstände müssen dabei außer Betracht bleiben.

Zum Vorbringen, es hätten erhebliche Zweifel an der formellen Unbedenklichkeit der Auslieferungsersuchen (unter anderem) deshalb bestanden, weil zwei mit gleichem Tag datierte, jedoch verschiedene Tatvorwürfe enthaltende Haftbefehle vorlagen, räumt die Beschwerde selbst ein, dass diese zu verschiedenen Zeiten in Österreich einlangten, weshalb von einer von Anfang an vorhandenen erheblichen Bedenklichkeit des Ersuchens keine Rede sein kann.

Soweit die Beschwerde ohne Substrat und teils polemisch, Kritik an der georgischen Justiz übt, ist sie unbeachtlich.

Zutreffend hat daher das Oberlandesgericht Wien ausgesprochen, dass dem Landesgericht für Strafsachen Wien kein Fehler bei der Beurteilung der formellen Voraussetzungen der Auslieferungshaft und eines für die Auslieferung ausreichenden Tatverdachtes unterlaufen ist.

Auch seine Meinung, dass die Heranziehung der jeweiligen Haftgründe durch die Untersuchungsrichterin gesetzmäßig gewesen sei, ist fehlerfrei, insbesondere auch hinsichtlich der vom Beschwerdeführer nominell bekämpften Fluchtgefahr. Denn im Hinblick auf die vom Oberlandesgericht Wien zitierten bestimmten Tatsachen (S 7 der angefochtenen Entscheidung) kann - entgegen der Beschwerde - keineswegs davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer, der ausländischer Staatsbürger ist, "in Österreich rechtlich und sozial völlig integriert" sei; sondern liegt angesichts der massiven Tatvorwürfe, des gegebenen Strafrahmens sowie der Tatsache, dass der Beschwerdeführer über erhebliche Gelder und über Einkommen verfügt, die nicht mit einer bestimmten Tätigkeit an einem festen Ort in Österreich in Zusammenhang stehen, die Erwartung einer Flucht oder eines Verborgenhaltens auf der Hand. Damit erübrigt sich aber ein Eingehen auf die noch weiters angenommenen Haftgründe. Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen, und zwar in nichtöffentlicher Sitzung, weil der Antrag, eine mündliche Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof (unter Ladung des Beschwerdeführers) anzuberaumen, im hier vorliegenden Beschwerdeverfahren einer Rechtsgrundlage entbehrt und demnach zurückzuweisen war. Denn ein den Verfahrensgarantien des Art 6 Abs 1 EMRK orientiertes Entschädigungsverfahren setzt zwar nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Obersten Gerichtshofes unabdingbar die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung und auch die öffentliche Verkündung der Entscheidung voraus, jedoch nicht in allen Instanzen.

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