OGH 13Os16/12w

OGH13Os16/12w5.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juli 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Markus K***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a (aF) FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie die Berufungen des Angeklagten, der Finanzstrafbehörde und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 16. September 2011, GZ 16 Hv 81/10h‑98, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten werden zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I und im Strafausspruch zu diesem Schuldspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufunggegen den Strafausspruch zum Schuldspruch I auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Finanzstrafbehörde und der Staatsanwaltschaft gegen den Strafausspruch wegen der Finanzvergehen (Schuldspruch II) werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Markus K***** des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs 1 Z 2 StGB (I) sowie jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a (aF) FinStrG (II/A), nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 lit a (aF) FinStrG (II/B) und nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 lit a (aF) FinStrG (II/C) schuldig erkannt.

Danach hat er in Bregenz

(I) „im Zeitraum Jänner 2007 bis zumindest Oktober 2009 gewerbsmäßig eine größere Zahl illegal erwerbstätiger Personen, nämlich Personen zur unselbständigen Erwerbstätigkeit ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung, wobei 97 verschiedene Personen festgestellt werden konnten, beschäftigt“;

(II) vorsätzlich Abgabenhinterziehungen bewirkt, wobei es ihm jeweils darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und zwar (auf die im Urteilsspruch näher beschriebene Weise)

A) unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflicht (im Urteilsspruch nach Steuerart und Jahren aufgeschlüsselte) Verkürzungen an Umsatzsteuer für die Jahre 2007 und 2008 von 60.300 Euro und an Einkommensteuer für denselben Zeitraum von 36.656,16 Euro;

B) von März bis Dezember 2009 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 Umsatzsteuergesetz 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer von 27.166,67 Euro und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und

C) von Februar 2007 bis September 2009 unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 Einkommensteuergesetz 1988 entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung an Lohnsteuer von 97.436,50 Euro und an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen von 14.868,45 Euro und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte hat dagegen rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet (ON 100), die Rechtsmittel jedoch nicht ausgeführt. Da auch bei der Anmeldung keine Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurden, war die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285 Abs 1 letzter Satz, 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1 StPO).

Ebenso war seine Berufung (als unzulässig) zurückzuweisen (vgl Ratz , WK‑StPO 2 § 296 Rz 5), weil der Angeklagte nicht angegeben hat, gegen welchen der beiden Sanktionsaussprüche sie sich richtet (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO).

Der Oberste Gerichtshof überzeugte sich aber aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde davon, dass dem Schuldspruch I der (auch bei sofortiger Zurückweisung einer Nichtigkeitsbeschwerde mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von Gründen; vgl Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 18; Fabrizy, StPO11 § 290 Rz 5) im Rahmen des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet:

Soweit hier wesentlich stellte das Erstgericht zum Schuldspruch I fest, dass für den Angeklagten im Zeitraum Jänner bis zumindest Oktober 2009 wenigstens 97 Personen arbeiteten, „wobei gleichzeitig zumindest mehrere tätig waren“, und weiters, dass während der Eishockey‑Weltmeisterschaft in Zürich und Bern (April und Mai 2009) „zumindest neun Personen in Österreich beschäftigt und in die Schweiz entsendet wurden“ (US 5).

Strafbarkeit nach § 153e Abs 1 Z 2 StGB setzt allerdings voraus, dass gleichzeitig eine größere Zahl illegal erwerbstätiger Personen beschäftigt oder beauftragt wird, worunter ein Richtwert von etwa zehn Personen zu verstehen ist (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153e Rz 12 f).

Da das Urteil dazu keine Feststellungen enthält, haftet dem Schuldspruch I ein Rechtsfehler mangels Feststellungen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 605 ff) und solcherart zum Nachteil des Angeklagten Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO an, die ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ die Aufhebung des Schuldspruchs I nach sich zog.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer gegen den Strafausspruch zum Schuldspruch I gerichteten Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs hinsichtlich des in Rede stehenden Verhaltens bei der Strafbemessung auf §§ 31 und 40 StGB zu achten sein (vgl das aus ON 42 ersichtliche Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 13. Jänner 2011 GZ 23 Hv 153/10y‑18).

Zur Entscheidung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde gegen den Strafausspruch wegen der Finanzvergehen sind die Akten allerdings vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zuzuleiten (§ 285i StPO, § 218 FinStrG).

Die Kostenentscheidung ‑ die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12) ‑ beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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