OGH 13Os151/08t

OGH13Os151/08t19.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut O***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Geschworenengericht vom 21. Mai 2008, GZ 16 Hv 34/08s-120, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreter der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, und des Privatbeteiligten, Dr. Katzensteiner, des Angeklagten sowie seines Verteidigers Mag. Rast zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft gegen den Ausspruch über die Strafe, nicht jedoch der des Angeklagten, wird Folge gegeben und die ausgesprochene Sanktion auf eine lebenslange Freiheitsstrafe erhöht.

In Stattgebung der Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird der an den Privatbeteiligten Dr. Hannes H***** zu leistende Schmerzengeldbetrag auf 10.000 Euro reduziert.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut O***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 8. Februar 2008 in Spitz vorsätzlich versucht, Dr. Hannes H***** mit Strychnin zu töten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 1, 3, 4, 5, 6, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Einwand der Besetzungsrüge (Z 1), einer der Geschworenen habe während der Hauptverhandlung geschlafen, entzieht sich einer inhaltlichen Antwort, weil der angeblich die Nichtigkeit begründende Umstand nicht gerügt worden ist (§ 345 Abs 2 StPO). Der Antrag, das Verhandlungsprotokoll dahin zu ergänzen, dass die Rüge sehr wohl vorgenommen worden ist (ON 136), wurde rechtskräftig abgewiesen (ON 145 sowie die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 10. März 2009, AZ 13 Os 169/08i, 13 Os 17/09p), sodass insoweit auch die im Rechtsmittel angeregte Aufklärung nach § 285f StPO ausscheidet.

Die - im Übrigen dem bisher behandelten Vorbringen widersprechende - Behauptung, der der Rüge zu Grunde liegende Umstand sei dem Beschwerdeführer erst nach dem Ende der Hauptverhandlung bekannt geworden, übersieht, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs all jene Umstände, die sich - wie hier - in Anwesenheit des Verteidigers für diesen wahrnehmbar ereignen, im Sinn des § 345 Abs 2 StPO als „ihm zur Kenntnis gekommen" anzusehen sind. Richtig ist im Übrigen zwar, dass auch die Aufmerksamkeit der anwesenden Richter als Besetzungsmangel releviert werden kann und körperlicher Abwesenheit einigermaßen gleichwertige Unaufmerksamkeit mangelnder Beiwohnung entspricht. Allerdings bezweckt die Nichtigkeitsdrohung des § 345 Abs 1 Z 1 StPO keineswegs, dass schon die Tatsache einer solchen Unaufmerksamkeit, sogleich gerügt (§ 345 Abs 2 StPO) und mit Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht, stets zur Urteilsaufhebung führt. Vielmehr trägt gerade die Einhaltung der Rügeobliegenheit dazu bei, den Besetzungsmangel mit dem geringst möglichen Aufwand zu beheben, etwa dadurch, dass der Vorsitzende den unaufmerksamen Richter oder Geschworenen zur Aufmerksamkeit ermahnt, eine Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Erholung anordnet oder sonst geeignete Maßnahmen zur Abhilfe ergreift. Rügeobliegenheiten dienen nämlich just dazu, unnötige zusätzliche Rechtsgänge, welche regelmäßig mit einer Verschlechterung der Beweismittel, Kostenfolgen, Verlängerung einer allfälligen Untersuchungshaft und sonstigen, mit erhöhter Verfahrensdauer verbundenen Nachteilen (vgl Art 6 Abs 1 MRK) einher gehen, hintanzuhalten, sowie Ankläger und Verteidiger zur Konzentration auf den Verfahrensgang zu verhalten, damit sich das Gericht ihrer berechtigten Anliegen auch bewusst werden und diesen erforderlichenfalls sogleich Rechnung tragen kann. Ist das während der Unaufmerksamkeit Geschehene ohne weiteres wiederholbar, ist es Aufgabe des zur Rüge verhaltenen Beteiligten, das aus seiner Sicht zu Wiederholende auch deutlich aufzuzeigen. Selbst wenn der nach dem Inhalt des - insoweit ungerügt gebliebenen - Protokolls über die Hauptverhandlung bis dahin erstmalig aufgetretene Umstand, dass ein Geschworener „die Augen geschlossen hatte" (ON 119 S 235), in diesem Sinn erfolgreich gerügt worden wäre, läge die geltend gemachte Urteilsnichtigkeit demnach keineswegs vor. Hätte sich, wie der Beschwerdeführer behauptet, die an den Geschworenen gerichtete Aufforderung, „dem Verhandlungsgeschehen zu folgen", als erfolglos erwiesen, wäre es erneut seine Sache gewesen, auf diesen Umstand rügend hinzuweisen und erforderlichenfalls den Austausch des unaufmerksamen Geschworenen gegen einen der anwesenden Ersatzgeschworenen zu verlangen (vgl §§ 221 Abs 4, 301 Abs 3, 320 Abs 2, 343 Abs 2 zweiter SatzStPO, § 16 Abs 1 GSchG; vgl auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 119, 136, 139, 737).

Die Verfahrensrüge (Z 3, nominell verfehlt auch Z 4), welche die im Ermittlungsverfahren erfolgte kontradiktorische Vernehmung des Zeugen Helmut O***** jun als nichtig bezeichnet, geht schon im Ansatz fehl, weil das diesbezügliche Protokoll (ON 42) in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen ist (ON 119 S 449 f).

Sämtliche Einwände der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) beziehen sich nicht auf Bestimmungen, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet.

Vollständigkeitshalber sei darauf hingewiesen, dass eine Vernehmung unter beschränkter Beteiligung der Verfahrensbeteiligten keineswegs nur bei Opfern (§ 65 Z 1 StPO) gesetzlich vorgesehen ist ([§ 250 Abs 3 StPO iVm] § 165 Abs 3 StPO).

Die Vernehmung des Zeugen Helmut O***** jun in einem gesonderten Raum unter gleichzeitiger Wort- und Bildübertragung in den Verhandlungssaal (ON 119 S 151) sowie unter Wahrung der Kontradiktorietät (ON 119 S 151 bis 181) entspricht den Vorgaben des § 165 Abs 3 StPO und steht im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Garantien des Art 6 Abs 3 lit d MRK (vgl Grabenwarter, EMRK³ § 24 Rz 114 bis 116).

Privatgutachten fallen weder unter Absatz 1 noch unter Absatz 2 des § 252 StPO und sind demgemäß in der Hauptverhandlung nicht zu verlesen (Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 40). Die diesbezügliche Judikatur ist einhellig (RIS-Justiz RS0115646).

Der Inhalt der in der Beschwerde angesprochenen - im Übrigen kein Schriftstück (§ 252 Abs 2 StPO) darstellenden - DVD ist in der Hauptverhandlung vorgeführt worden (ON 119 S 361) und solcherart dort vorgekommen.

Der Verfahrensrüge aus Z 5 zuwider wies das Erstgericht den (wiederholt gestellten) Antrag, „dass der SV Univ.-Prof. Dr. R***** im Verhandlungssaal den Versuch wiederholt" (ON 119 S 357 und 359), zu Recht ab (ON 119 S 357 und 359), weil dieser kein Beweisthema enthielt.

Im Übrigen hätte der Beweisantrag mit Blick auf die Erklärung Dris. R*****, den - unter Einsatz der hochgiftigen Substanz Strychnin angestellten - Versuch nicht im Rahmen einer Hauptverhandlung vornehmen zu können (ON 119 S 359), Darlegungen zur Durchführbarkeit enthalten müssen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 331).

Das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren geltenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.

Die Fragenrüge (Z 6), die Eventualfragen nach den (nicht weiter differenzierten) Tatbeständen der §§ 83, 84, 85 und 87 StGB sowie der Täterschaftsform des § 12 dritter Fall StGB reklamiert, orientiert sich großteils nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes:

Elementare Voraussetzung für die begehrte Fragestellung ist nach dem Gesetz, dass in der Hauptverhandlung entsprechende Tatsachen vorgebracht worden sind (§ 314 Abs 1 StPO). Darunter ist nichts anderes zu verstehen als das Vorkommen einer erheblichen Tatsache in der Hauptverhandlung, einer solchen also, die, wäre sie im schöffengerichtlichen Verfahren vorgekommen, bei sonstiger Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO erörterungsbedürftig gewesen wäre (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 42). Demgemäß bedarf es zur prozessordnungskonformen Darstellung einer Rüge aus Z 6 des konkreten Hinweises auf derartige (in der Verhandlung vorgekommene) Tatsachen. Soweit die Beschwerde Spekulationen darüber anstellt, dass der Verzehr einer vergifteten Praline nicht zwingend zum Tod führen müsse, der Beschwerdeführer Äußerungen über das Tatopfer möglicherweise nicht wörtlich gemeint habe und eine im Zusammenhang mit der Tat sichergestellte DNA-Spur auch von einer anderen Person als vom unmittelbaren Täter stammen könne, wird sie diesem Erfordernis nicht gerecht.

Indem die Rüge einzelne Passagen aus der Verantwortung des Beschwerdeführers, wonach dieser den aufgrund des Giftanschlags schwerst beeinträchtigten Gesundheitszustand des Opfers angeblich bedauere, heraushebt, spricht sie kein die begehrte Fragestellung nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizierendes Verfahrensergebnis an und ist sie solcherart einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23).

Die in der Hauptverhandlung aufgestellte Behauptung eines die Tatbegehung in Abrede stellenden Angeklagten, den Zustand des Tatopfers zu bedauern, sagt nämlich - Tatbegehung als gegeben unterstellt - über seinen Vorsatz im Tatzeitpunkt nach aller Lebenserfahrung gar nichts aus und hat solcherart auch nicht die Eignung, die Geschworenen bei der Beantwortung der Frage nach dem Inhalt des Tatvorsatzes maßgeblich zu beeinflussen, stellt mit anderen Worten keine erhebliche, also erörterungsbedürftige und damit die Fragestellung nach einer in Betreff der Zielrichtung des Tatvorsatzes von der Anklage abweichenden Fallgestaltung indizierende Tatsache dar. Just das aber verlangt § 314 Abs 1 dritter Fall StPO für Eventualfragen nach bloßen Verletzungsdelikten statt des angeklagten Mordversuchs. Der Umstand, dass die Art der Tat nicht zwingend zum Tod eines Menschen führe, lässt zwar eine Schlussfolgerung nach bloßem Verletzungsvorsatz denkbar erscheinen (vgl RIS-Justiz RS0098377), begründet für sich allein aber ebenfalls kein die Fragestellung erforderndes Indiz.

Die Instruktionsrüge (Z 8) lässt Notwendigkeit und Inhalt einer Belehrung über „Adäquanz- und Risikozusammenhang" hinsichtlich der gestellten Schuldfrage nach versuchtem Mord im Dunkeln, sodass sie sich insoweit einer auf Argumente bezogenen Antwort entzieht (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 57).

Die Rechtsbelehrung beschreibt - von der Beschwerde unbestritten - die Vorsatzformen des § 5 StGB zutreffend (ON 119 S 485 bis 489). Der Umstand, dass dabei in einem Fall eine in Lehre und Judikatur nicht gebräuchliche Bezeichnung verwendet wird, vermag die Richtigkeit dieser Ausführungen nicht zu tangieren. Warum das in der Belehrung für Mord verlangte Erfordernis eines „direkten bösen" Vorsatzes den Beschwerdeführer belasten hätte sollen, macht die Rüge im Übrigen nicht klar (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 62).

Das Vorbringen zur Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) geht im Ansatz fehl, weil an die Geschworenen keine Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach diesem Schuldausschließungsgrund gerichtet worden ist, womit die Rechtsbelehrung insoweit nicht angefochten werden kann (RIS-Justiz RS0101091). Dass sich der angebliche Belehrungsfehler auf die Beantwortung der Hauptfrage ausgewirkt habe (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 63), wird nicht behauptet.

Aus welchem Grund über die gesetzliche Definition des untauglichen Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB - ON 119 S 501) hinausgehende Erörterungen zur „Lehre vom begleitenden Beobachter bzw von der ex post-Betrachtung der (Un-)Tauglichkeit beim Objekt" unter dem Aspekt irreführender Unvollständigkeit fehlen sollen, legt die Beschwerde nicht dar (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 65).

Gegenstand der Rüge aus Z 8 ist die Richtigkeit der den Geschworenen erteilten Rechtsbelehrung, nicht jedoch deren äußere Form, womit der Einwand, an der Belehrung seien handschriftliche Korrekturen vorgenommen worden, auf sich beruhen kann.

Soweit die Tatsachenrüge (Z 10a) in Bezug auf die Herkunft der für den Giftanschlag verwendeten Substanz und die Analyse des Mageninhalts des Tatopfers dem Sinn nach Mängel in der Sachverhaltsermittlung einwendet, unterlässt sie die gebotene Darlegung, wodurch der Beschwerdeführer an der Ausübung seines Rechts, diesbezügliche Beweisaufnahmen in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert gewesen sei (RIS-Justiz RS0115823; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Durch die anhand eigener Beweiswerterwägungen entwickelten Spekulationen, dass die Substanz Strychnin aufgrund ihres bitteren Geschmacks vom Tatopfer beim Verzehr einer Praline hätte wahrgenommen werden müssen, dass außer Pralinen noch andere Verzehrprodukte als Trägermedien für die Substanz in Frage kämen und dass DNA-Spuren auf unterschiedliche Weise übertragen werden können, wendet sich die Beschwerde nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung der Geschworenen.

Mit der Kritik am Gutachten des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. R***** (ON 119 S 313 bis 405) verkennt sie erneut die in Bezug auf behauptete Fehler in der Sachverhaltsermittlung bestehende Subsidiarität der Aufklärungsrüge gegenüber der Verfahrensrüge (zuletzt 12 Os 31/07m).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß §§ 344, 288 Abs 1 StPO zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren.

Dabei wertete es die heimtückische Tatbegehung (§ 33 Z 6 StGB) als erschwerend, den bislang ordentlichen Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) sowie den Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB), als mildernd (US 3).

Den Strafausspruch bekämpfen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte mit Berufung, wobei nur der - auf Straferhöhung gerichteten - der Anklagebehörde Berechtigung zukommt.

Ausgehend vom rechtskräftigen Schuldspruch hat der Angeklagte dadurch versucht, Dr. H***** zu töten, dass er eine Praline mit Strychnin präparierte und diese sodann gemeinsam mit einer Grußkarte auf dessen Pkw deponierte (ON 119 S 285 f, 313 bis 405, 417 und 449 iVm ON 2). Diese Vorgehensweise sah das Erstgericht zutreffend als heimtückisch iS des § 33 Z 6 StGB an, weil der Angeklagte durch den Inhalt der Karte, nämlich zwei aufgemalte, mit dem Text „Du bist für mich etwas ganz Besonderes!" versehene Herzen (ON 119 S 449 iVm ON 2 S 91, 93), ein spezielles Naheverhältnis der schenkenden Person zum Opfer vortäuschte, um es zum Verzehr der Praline zu bewegen (vgl RIS-Justiz RS0091882).

Das Alter des Angeklagten (56 Jahre) stellt keinen Milderungsgrund dar.

Schließlich bedeutet der von der Berufung des Angeklagten herangezogene Grundsatz der Waffengleichheit, dass jede Partei Gelegenheit haben muss, ihren Fall einschließlich ihrer Beweise zu präsentieren, und zwar unter Bedingungen, die keinen wesentlichen Nachteil gegenüber dem Gegner darstellen (Grabenwarter, EMRK³ § 24 Rz 61). Allein aus dem - im Übrigen rein spekulativ behaupteten - Umstand der nicht zeitgleich erfolgten Zustellung einer Urteilsausfertigung an die Beteiligten ist demnach eine iS des Art 6 Abs 1 MRK nachteilige Ungleichbehandlung nicht zu erblicken.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft zeigt zutreffend auf, dass der Milderungsumstand des § 34 Abs 1 Z 2 StGB nicht gegeben ist, weil dessen Voraussetzungen, der ordentliche Lebenswandel einerseits und der auffallende Widerspruch der Tat mit dem sonstigen Verhalten des Täters andererseits, nach dem Gesetz kumulativ vorliegen müssen, was hier nicht der Fall ist. Der Angeklagte drängte nach der Tat seinen Sohn dazu, ihm Speichelflüssigkeit zu überlassen (ON 119 S 161 f), die er in der Folge dazu verwendete, die zwecks Aufklärung des Giftanschlags behördlich verlangte DNA-Probe zu verfälschen (ON 119 S 419). Mit diesem rücksichtslosen Verhalten, den eigenen Sohn gezielt der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung wegen des Verbrechens des Mordes auszusetzen, steht aber die abgeurteilte Tat keineswegs in auffallendem Widerspruch.

Auch ist der Staatsanwaltschaft dahin zuzustimmen, dass dem Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB hier nur geringes Gewicht zukommt. Zum einen konnte nämlich der Eintritt des Todes nur durch die - nicht vorhersehbare - rasche Hilfeleistung abgewendet werden (s ON 119 S 55 f, 59, 69 iVm 71 f, 81 sowie insbes 369), zum anderen hatte die Tat nicht mehr rückbildungsfähige, schwerste hirnorganische Gewebsdefekte zur Folge, die eine massive bleibende körperliche und geistige Behinderung (ON 119 S 127, 343 f sowie ON 119 S 313 iVm ON 81 S 37), also irreversible Dauerfolgen erwarten lassen.

Ausgehend davon, dass dem Erschwerungsgrund der heimtückischen Tatbegehung nur ein - wie dargelegt äußerst abgeschwächter - Milderungsumstand gegenübersteht, erweist sich die vom Erstgericht gefundene Sanktion als zu gering.

Der einzige dem Beweisverfahren zu entnehmende Beweggrund, Dr. H***** deswegen zu töten, weil er nach Ansicht des Angeklagten als zuständiger Bürgermeister ein von ihm geplantes Bauprojekt behindere (ON 119 S 113 f, 153 f, 251), spiegelt nämlich eine gegenüber rechtlich geschützten Werten auffallend gleichgültige Einstellung des Täters wider (§ 32 Abs 2 StGB).

Darüber hinaus hat der Angeklagte die Tat reiflichst überlegt, sorgfältig vorbereitet und rücksichtslos ausgeführt (§ 32 Abs 3 StGB). Dies folgt daraus, dass er eine höchst wirkungsvolle, aber schwer zu beschaffende Substanz (Strychnin) einsetzte (ON 119 S 335), beim Präparieren der Praline ein extrem aufwendiges Verfahren anwendete (ON 119 S 335 bis 343) und sich selbst dadurch nicht von seinem Vorhaben abhalten ließ, dass aufgrund seiner Vorgangsweise durchaus die Möglichkeit bestand, dass nicht Dr. H*****, sondern eine andere Person dem Giftanschlag zum Opfer fallen werde.

Demgemäß ist die lebenslange Freiheitsstrafe schuld- und tatangemessen.

Im Adhäsionserkenntnis verpflichtete das Erstgericht den Angeklagten gemäß § 369 Abs 1 StPO zu einer Schmerzengeldzahlung in der Höhe von 30.000 Euro an den Privatbeteiligten Dr. H***** (US 3).

Die dagegen erhobene, auf die Reduzierung des Schadenersatzbetrags auf 10.000 Euro gerichtete Berufung ist im Recht, weil der Privatbeteiligte im Strafverfahren nur diesen Betrag begehrt hat (ON 119 S 5).

Über den Anspruch der H***** GmbH auf 20.000 Euro an Verdienstentgang wurde (von der Privatbeteiligten unbekämpft) nicht erkannt, was aber - als zum Vorteil des Angeklagten gereichend - auf sich zu beruhen hat.

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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