OGH 13Os148/99

OGH13Os148/9912.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Jänner 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Handler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gerald P***** wegen des Verbrechenes der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 3, erster Satz, zweiter und dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht St. Pölten vom 24. Juni 1999, GZ 24 Vr 209/99-38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiß, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Altmann zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Gerald P***** wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 3, erster Satz, zweiter und dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen dem 27. und 28. Februar 1999 in Marbach an der Donau dadurch, dass er der an einen Wohnzimmertisch gefesselten Christine R***** wiederholt Schläge gegen den Unterleib versetzte und einen Gummipenis in der Länge von ca 43 cm in die Scheide einführte, mit seinem erigierten Glied wiederholt abwechselnd in Mund und After der Genannten eindrang, sie schließlich losband, auf ein Bett des Schlafzimmers warf, an den Handgelenken festhielt und abermals den Geschlechtsverkehr ausführte, Christine R***** mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen, nämlich Anal- und Oralverkehr, genötigt, wobei Christine R***** ca drei Stunden, sohin längere Zeit hindurch, in einen qualvollen Zustand versetzt und insbesondere durch Einführen (zu ergänzen: des Gliedes) in den Mund unmittelbar nach dem Analverkehr in besonderer Weise erniedrigt wurde.

Die Geschworenen haben die anklagekonforme (auch auf Ausübung der schweren Gewalt zur Erzwingung des Beischlafs durch Fesselung an einen Wohnzimmertisch gerichtete) Hauptfrage 1 (im Stimmenverhältnis 7:1) mit der Beschränkung "mit Ausnahme der Fesselung zu deren Beginn" bejaht. Die (nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage 1 zu beantwortende) Eventualfrage 2 (gerichtet auf das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 3 StGB) blieb folgerichtig unbeantwortet.

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit auf die Z 5, 6, 8, 9 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde; indes zu Unrecht.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrages auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens "über den Geisteszustand und den psychischen Zustand der Zeugin R***** (Punkt 5 in ON 35 und S 465/Band I) Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt (S 467/Band I).

Schon aus der Formulierung dieses Beweisbegehrens ergibt sich bereits eindeutig dessen Charakter als Erkundungsbeweis (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 88 und 90c). Auch das Antragsvorbringen, wonach die Zeugin "seit langer Zeit in nervenärztlicher Behandlung stehe, eine schizophrene Neigung aufweise" (ON 35) und aus zwei Arztbriefen ein bereits in den Jahren 1992 und 1993 bestehendes schweres depressives Zustandsbild hervorgehe (S 465/I), vermag den (durch die unterbliebene Bezeichnung eines Beweiszwecks unterstrichenen) Umstand nicht zu beseitigen, dass die begehrte Beweisführung entweder die Aussageverlässlichkeit im Anlassfall oder die Gewinnung von Hinweisen auf eine allgemeine Wahrnehmungs- oder Wiedergabeunfähigkeit der Zeugin zum Gegenstand haben sollte. Glaubwürdigkeit oder Verlässlichkeit eines Zeugen im gegebenen Anlassfall unterliegen ausschließlich der Beweiswürdigung durch das Gericht und nicht der Erkenntnisgewinnung durch Sachverständigenbeweis. Eine ausnahmsweise mit Zustimmung des Zeugen zulässige Untersuchung seines Geisteszustandes setzt erhebliche Bedenken gegen die (vom Einzelfall ganz unabhängige) Aussageehrlichkeit des Zeugen schlechthin voraus, die vorliegend nicht gegeben waren (vgl Mayerhofer aaO § 150 E 41 ff iVm § 134 Z 2 ff, 13 Os 138/99). Derartige konkrete Bedenken wurden jedoch vom Antragsteller nicht dargelegt.

Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6), die der Angeklagte aus dem Fehlen von Zusatzfragen zur Hauptfrage 1 nach Einwilligung der Zeugin R***** zu seinem gewaltsamen Vorgehen gegen sie, oder nach irrtümlicher Annahme des Vorliegens einer derartigen Einwilligung durch ihn ableitet, liegt nicht vor, weil diese Gegebenheiten hier keinen Rechtfertigungsgrund, Entschuldigungsgrund oder Strafaufhebungsgrund darstellen, sondern inhaltlich schlicht in der Bestreitung der Tat bzw des erforderlichen Vorsatzes gipfeln (vgl Mayerhofer StPO4 § 313 E 32 f).

Das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 (Abs 1 oder Abs 2) StGB setzt auf der objektiven Tatseite voraus, dass der Täter eine Person mit den im Gesetz bezeichneten Mitteln zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung nötigt. Nötigen bedeutet, den anderen zu einer seinem Willen widersprechenden Willensentscheidung oder Willensbetätigung zu bringen, wobei das Nötigungsmittel dafür ursächlich sein muss, dass der andere entgegen seinen wahren Intentionen das von ihm geforderte Verhalten setzt (Leukauf/Steininger Komm3 § 105 RN 13). Dazu korrespondierend muss auf der inneren Tatseite der (zumindest bedingte) Vorsatz des Täters sich auch darauf beziehen, dass ein erwarteter oder begonnener ernstgemeinter Widerstand des Opfers gegen die Vornahme oder Duldung des Beischlafes bzw der gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung überwunden wird (Leukauf/Steininger aaO § 201 RN 23).

Ist daher die (nach dem Anklagevorwurf genötigte) Person tatsächlich mit der Vornahme oder Duldung eines Beischlafes (oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung) einverstanden, mangelt es schon am objektiven Tatbestand der Vergewaltigung. Nimmt der Täter dagegen nur irrtümlich eine derartige Einwilligung an, ist der subjektive Tatbestand nicht erfüllt. Im Geschworenenverfahren wären von den Geschworenen bei derartigen Fallkonstellationen somit schon die Schuldfragen zu verneinen, der Stellung von Zusatzfragen (nach Einwilligung des Opfers bzw nach vom Angeklagten vermuteter Einwilligung) bedarf es daher - der Beschwerde zuwider - nicht.

Der Einwand der Instruktionsrüge (Z 8), die Rechtsbelehrung sei deshalb unrichtig, weil der Vorsitzende sich nicht "schon bei der Belehrung zur Hauptfrage mit der Möglichkeit des Tatbildirrtums (= irrtümliche Annahme der Einwilligung des Tatopfers) auseinandergesetzt hat", übersieht, dass der Ausschluss des Vorsatzes bei Tatbildirrtum bereits aus der in der Rechtsbelehrung ohnehin zitierten (S 475, 477/Band I) Vorsatzdefinition des § 5 Abs 1 StGB hervorgeht (SSt 57/40).

Mit Hinweisen auf Verfahrensergebnisse, die nach Ansicht des Angeklagten Anhaltspunkte für ein tatsächliches oder von ihm vermutetes Einverständnis Christine R*****s in die inkriminierten Handlungen bieten, gelingt es nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen (Z 10a) zu erwecken, wonach Christine R***** nach ihrer Fesselung mit der Vornahme eines Beischlafes sowie von Oral- und Analverkehr nicht mehr einverstanden war und hiezu vom Angeklagten durch Anwendung schwerer Gewalt genötigt wurde. Der Meinung des Beschwerdeführers zuwider lassen sich nämlich weder nach den Denkgesetzen noch nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung gegen diese Feststellungen erhebliche Zweifel daraus ableiten, dass die Zeugin R***** vor der Tat schon zweimal freiwillig mit dem Angeklagten geschlechtlich verkehrte, sich zu ihm sexuell hingezogen fühlte und am Tattag den an der Wohnungstür stehenden Zeugen Sch***** nicht um Hilfe bat und dass nach der Annahme der Geschworenen die Fesselung an den Wohnzimmertisch noch mit Einverständnis der Zeugin erfolgt ist. Mit seinem weiteren Vorbringen, das sich zusammenfassend in Anzweifelung der geistigen Gesundheit der Zeugin R***** und in der Spekulation erschöpft, die vom Opfer geschilderten Tathandlungen hätten schwerwiegendere Folgen als bloß Schwellungen und Blutunterlaufungen nach sich ziehen müssen, bekämpft der Angeklagte nur den Beweiswert der von den Geschworenen in den wesentlichen Punkten als glaubwürdig erachteten Aussage der Zeugin R*****. Insgesamt unternimmt der Angeklagte mit der Tatsachenrüge nur den im Geschworenenverfahren nach wie vor unzulässigen Versuch, die von den Geschworenen vorgenommene Beweiswürdigung letztlich in das Gegenteil zu verkehren.

Mit dem Vorbringen, die eingeschränkte Bejahung der Hauptfrage 1 lasse auch eine Deutung des im Wahrspruch festgestellten Sachverhaltes dahingehend zu, "dass der zunächst einvernehmlich begonnene Geschlechtsverkehr gewaltsam fortgesetzt wurde bzw dass R***** schließlich mit der Form der geschlechtlichen Handlungen nicht mehr einverstanden war", in welchem Fall der Sachverhalt dem § 202 StGB unterstellt werden müsste, geht der Beschwerdeführer, wie dies aus seinen weiteren Rechtsmittelausführungen erhellt, nicht vom geltenden (Leukauf/Steininger Komm3 § 202 RN 13) sondern vom, vor der Strafgesetznovelle 1989, BGBl 1989/242, gegebenen Recht aus (vgl Pallin im WK1 § 201 RN 16, 20), das hier nicht anzuwenden und das daher auch nicht als Grundlage einer diesbezüglichen Fragestellung heranzuziehen ist.

Mangels einer derartig gebotenen Eventualfrage war - der Instruktionsrüge (Z 8) zuwider - in die Rechtsbelehrung auch nicht eine Erläuterung der in § 202 StGB aufscheinenden Rechtsbegriffe und ihres Verhältnisses zu den Deliktsmerkmalen des § 201 StGB aufzunehmen (vgl Mayerhofer aaO § 345 Abs 1 Z 8 E 20 und 22).

Das Vorbringen unter Z 9 orientiert sich nicht am Wahrspruch der Geschworenen in seiner Gesamtheit, wonach - abgesehen von der Fesselung an den Wohnzimmertisch - schwere Gewalt (auch durch Versetzen von Schlägen) gegen das Opfer angewendet wurde und erweist sich somit nicht als dem Gesetz gemäß dargelegt (Mayerhofer aaO § 345 Z 9 E 5a und 6).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 201 Abs 3 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren und sprach gemäß § 21 Abs 2 StGB die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher aus.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die Vorstrafen wegen Gewaltdelikten (darunter eine aus dem Jahr 1987, wobei der Angeklagte damals seine ehemalige Lebensgefährtin geknebelt und gedrosselt, ihr Schläge versetzt und ein 32 cm langes Elfenbeinhorn in ihre Scheide gesteckt sowie gegen ihren Willen einen Anal- und Mundverkehr durchgeführt hat), die Verletzungen bei Christine R***** und die zweifache Qualifikation nach § 201 (in den Urteilsgründen irrig: § 203) Abs 3 StGB; als mildernd keinen Umstand.

Dagegen richten sich die Berufungen sowohl des Angeklagten als auch der Staatsanwaltschaft, wonach der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe begehrt, die Staatsanwaltschaft deren Erhöhung.

Beide Berufungen sind nicht im Recht.

Das Geschworenengericht hat die Strafzumessungstatsachen im wesentlichen vollständig und richtig erfasst und zutreffend gewichtet. Der Angeklagte vermag keine weiteren Umstände mildernder Natur darzulegen. Mit dem Vorbringen, das Opfer sei zumindest mit einem Teil der Tathandlungen einverstanden gewesen bzw der Angeklagte habe sich in einem Irrtum über dessen Einwilligung befunden, geht er nicht vom Schuldspruch aus.

Damit erübrigt sich aber auch ein Eingehen auf die Behauptung, der Angeklagte habe, da nicht jede sexuelle Handlung von ihm als erzwungen angesehen worden sei, "im Eifer des Gefechts" nicht immer einen klaren Kopf (s § 21 Abs 2 StGB) bewahrt.

Der von der Staatsanwaltschaft in der Verbindung der Vielzahl schwerwiegender Tathandlungen mit dem Charaktermangel des Angeklagten erblickte zusätzliche Erschwerungsgrund wurde vom Geschworenengericht ohnedies berücksichtigt. Der Brutalität der Tathandlungen und dem durch einschlägige Vorstrafen und Aggravierung der Deliktsschwere gezeichneten Persönlichkeitsbild des Angeklagten wurde in der vom Geschworenengericht verhängten Freiheitsstrafe in Verbindung mit der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher entsprechend Rechnung getragen, sodass zur Anhebung der Freiheitsstrafe kein Grund besteht.

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