OGH 13Os148/17i

OGH13Os148/17i14.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günther K***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 30. Oktober 2017, GZ 29 Hv 98/17p‑56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00148.17I.0314.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Konfiskation aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günther K***** jeweils eines Verbrechens der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1, Abs 4 StGB (1) und des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er am 12. Mai 2017

(1) in K***** den Matthias G*****, nachdem er dessen Einwilligung durch gefährliche Drohung, nämlich durch das Vorhalten einer (einer Maschinenpistole täuschend ähnlich sehenden) „Softgun“, erlangt hatte, entführt, indem er ihn eine „Sprengstoffweste“ (die eine Attrappe war) anlegen ließ, mit ihm nach E***** fuhr und sich dort in seiner Begleitung in die Filiale eines Bankinstituts begab, um dessen Gewahrsamsträger zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe von Bargeld, und die sodann eintreffenden Polizeikräfte zur Bereitstellung eines Fluchtfahrzeugs zu nötigen, wobei er Matthias G***** freiwillig unter Verzicht auf die begehrte Leistung ohne ernstlichen Schaden in seinen Lebenskreis zurückgelangen ließ;

(2) in E***** der Bankangestellten Christine M***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld im Betrag von 91.685 Euro, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Genannte unter Vorhalten der „Softgun“ aufforderte, die Schlüssel zur Eingangstür des Bankengebäudes herauszugeben und dieses zu verlassen, somit die Sachgewalt über das dort befindliche Geld aufzugeben.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

 

Die Mängelrüge bekämpft (nominell aus Z 5 zweiter Fall) die den Schuldspruch 2 tragenden Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz des Angeklagten und zu seiner Intention, der Bankangestellten Bargeld abzunötigen (US 8).

Das Schöffengericht erschloss diese Konstatierungen vor allem aus den äußeren Tatumständen sowie aus dem Geständnis des Angeklagten, „das Ganze aus Geldsorgen gemacht“ zu haben (US 12).

Indem die Rüge – ohne an der Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe Maß zu nehmen (siehe aber RIS-Justiz RS0119370) – bloß einzelne Details der Verantwortung des Angeklagten sowie der Zeugenaussage M***** isoliert hervorkehrt, daran eigenständige Beweiswerterwägungen knüpft und auf deren Grundlage ihrem Standpunkt günstigere Schlussfolgerungen einfordert, erschöpft sie sich in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer (im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Erhebliche Bedenken im Sinn der Z 5a können – soweit hier von Bedeutung (Fehler in der Sachverhaltsaufklärung werden nicht behauptet) – nur aus in der Hauptverhandlung vorgekommenen (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnissen, nicht aus dem (angeblichen) Fehlen von Beweisen abgeleitet werden. Das (nur) Letzteres behauptende Vorbringen zur – die Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz (Schuldspruch 2) bezweifelnden – Tatsachenrüge geht schon deshalb ins Leere (RIS‑Justiz RS0128874).

Die Sanktionsrüge entwickelt ihren Einwand rechtsirriger Annahme von Vollendung statt Versuch (Z 11 zweiter Fall) – ohne insoweit einen Feststellungsmangel geltend zu machen (vgl RIS‑Justiz RS0099869 [insbesondere T17, T26]) – aus der urteilsfremden Prämisse, die Raubbeute habe den „generell beherrschten Raum der Bank, nämlich der konkreten Filiale“, nicht verlassen. Damit verfehlt sie von vornherein den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Im Übrigen ging das Schöffengericht zu Recht davon aus, dass das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (Schuldspruch 2) nicht nur versucht (§ 15 StGB), sondern vollendet wurde.

Nach den Urteilsfeststellungen zwang der Angeklagte – mit der Intention, ihr in der Bankfiliale vorhandenes Bargeld abzunötigen, sowie mit entsprechendem Bereicherungswillen (US 8) – die Bankangestellte im Schalterraum durch Vorhalten der (einer Maschinenpistole täuschend ähnlich sehenden) „Softgun“ – erfolgreich – zur Übergabe der Schlüssel zur Eingangstür sowie zum Verlassen des Gebäudes. Sodann entnahm er das Bargeld aus dem Tresor und der Kassenlade und steckte es in eine mitgebrachte Tasche (US 6 f).

Der Vollendungszeitpunkt beim Raub richtet sich – im Unterschied zum Diebstahl – in erster Linie an der Abwehr- und Verteidigungssituation des Opfers, nicht am räumlichen Gewahrsamsbereich aus. Das Verbrechen des Raubes ist demnach vollendet, wenn das Tatobjekt dem unmittelbaren Zugriff des Opfers entzogen ist (RIS-Justiz RS0094231; Eder-Rieder in WK 2 StGB § 142 Rz 7). Unter den konkreten Fallgegebenheiten war dies bereits der Fall, als die (einzige anwesende) Bankangestellte aufgrund der Drohung des Angeklagten das Gebäude verließ. Dass der Beschwerdeführer später – nachdem inzwischen Sicherheitskräfte verständigt worden waren, er von diesen zunächst die Bereitstellung eines Fluchtfahrzeugs gefordert, dann jedoch seine Geisel (G*****) entlassen und (aufgrund eines daraufhin geführten Gesprächs mit dem „Verhandlungsführer der Polizei“ bereits „zur Aufgabe“ entschlossen) seinerseits das Bankgebäude verlassen hatte – festgenommen wurde (US 8), ändert daran nichts.

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

 

Hinzugefügt sei, dass das Schöffengericht im Schuldspruch 1 die Privilegierung nach § 102 Abs 4 StGB (schon) deshalb zu Unrecht annahm, weil der Angeklagte (nach dem Urteilssachverhalt – US 8) nicht gleichzeitig mit der Entlassung der Geisel, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt auf die begehrten Leistungen verzichtet hat (arg „unter Verzicht“; vgl Schmoller SbgK § 102 Rz 86). Der darin gelegene Subsumtionsfehler (Z 10) gereicht dem Angeklagten jedoch zum Vorteil und hat daher auf sich zu beruhen.

Allerdings überzeugte sich der Oberste Gerichtshof aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem Urteil im Ausspruch über die Konfiskation nicht geltend gemachte Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster und dritter Fall StPO anhaftet, die zum Nachteil des Angeklagten wirkt:

Die vom Konfiskationsausspruch erfassten Messer (US 3 f) hat der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen (US 15) – entgegen der Formulierung im Erkenntnis (US 3) – gerade nicht „zur Begehung gegenständlicher Straftat verwendet“. Dass sie von ihm dazu bestimmt worden wären, dabei verwendet zu werden, wurde nicht festgestellt. Insoweit überschreitet der Ausspruch – mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 19a Abs 1 StGB – (schon) die Sanktionsbefugnisgrenze (Z 11 erster Fall).

Den gesamten Ausspruch belastet zudem Nichtigkeit aus Z 11 dritter Fall, weil das Erstgericht die in § 19a Abs 2 StGB zwingend vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung gänzlich unterließ (RIS‑Justiz RS0088035 [insbesondere T7], jüngst 13 Os 130/17t).

Da sich die Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch der verhängten Freiheitsstrafe, nicht aber gegen den Konfiskationsausspruch richtet, war dieser bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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