OGH 13Os148/08a

OGH13Os148/08a5.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. November 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gebert als Schriftführerin im Verfahren wegen Unterbringung des Albert K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 20. August 2008, GZ 18 Hv 95/08s-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Albert K***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er am 28. Jänner 2008 in Klagenfurt unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer wahnhaften Störung mit akustischen Halluzinationen, beruht, Reinhold J***** durch die mittels Vorhalts eines Küchenmessers bekräftigte Äußerung, „komm her, ich stech dich ab", gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, und dadurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB begangen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen geht fehl.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) die Begründung der Urteilsannahme mangelnder Dispositions- und Diskretionsfähigkeit releviert, fehlt es ihr an der Beschwer. Bei - wie hier - ursprünglicher Einweisung gemäß § 21 Abs 1 StGB führt nämlich der Wegfall der Zurechnungsunfähigkeit zu einer Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB, was zur Folge hat, dass die Einweisungsdauer nach oben hin gleichbleibt, nach unten hin aber durch die Strafzeit begrenzt ist, es also zu einer Verschlechterung für den Eingewiesenen kommt (Ratz, Zur Wiederaufnahme in den Fällen der §§ 21 bis 23 StGB, ÖJZ 1990, 689 [693 f]; vgl auch ders in WK² Vorbem zu §§ 21-25 Rz 15).

Die tatrichterlichen Überlegungen zur Krankheit des Betroffenen interessieren daher aktuell nur hinsichtlich des auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustands und dessen Einflusses auf die Anlasstat (Z 11 erster Fall iVm Z 5; Ratz in WK², Vorbem zu §§ 21-25 Rz 9). Unter diesem Aspekt sind die Urteilsfeststellungen, wonach der Betroffene zum einen an einer wahnhaften Störung, einer Hirnleistungsstörung und zusätzlich einer Hirnstörung, die den Schweregrad eines mäßiggradigen Psychosyndroms erreicht, leidet und er zum anderen im Tatzeitpunkt eine akute psychoorganisch bedingte Geisteskrankheit aufwies, die auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhte, und die es ihm unmöglich machte, das Unrecht seiner Tat einzusehen „bzw" einer solchen Einsicht gemäß zu handeln (US 6), keineswegs widersprüchlich (Z 5 dritter Fall). Die Beschwerde stützt sich in diesem Zusammenhang ersichtlich auf die Begriffe des „mäßiggradigen" Psychosyndroms einerseits und der Abartigkeit „höheren Grades" andererseits, übergeht dabei aber die Gesamtheit der diesbezüglichen Urteilskonstatierungen, wonach das festgestellte Psychosyndrom nur einen Teilbereich des Krankheitsbildes des Betroffenen darstellt (US 6). Darüber hinaus übersieht die Rüge, dass schon allein dieses Syndrom nach dem (in der Hauptverhandlung vorgekommenen) Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen - auf das sich die angefochtene Entscheidung insoweit stützt (US 9 f) - einen Zustand beschreibt, der aus medizinischer Sicht ein selbständiges und unbetreutes Leben nicht zulässt (ON 35 S 17 iVm ON 16 S 37).

Der Einwand, die angefochtene Entscheidung setze sich hinsichtlich der Absicht des Betroffenen, Reinhold J***** in Furcht und Unruhe zu versetzen, nicht mit dem hiezu keine Aussage treffenden psychiatrischen Sachverständigengutachten auseinander (der Sache nach Z 5 zweiter Fall), ist unverständlich, weil er ausdrücklich davon ausgeht, dass erörterungsbedürftige Verfahrensergebnisse insoweit nicht vorliegen.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Feststellungen zu den entscheidenden (hier: subjektiven) Tatsachen vom erkennenden Gericht - nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung - zu treffen sind (§ 258 Abs 2 StPO), die psychiatrische Expertise also zum angesprochenen Tatbestandsmerkmal mit Recht keine Festlegungen enthält.

Die Erklärung der Tatsachenrüge, das Vorbringen der Mängelrüge auch auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO zu stützen, lässt nicht erkennen, aus welchen in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweismitteln aufgrund welcher Erwägungen sich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen ergeben sollen.

Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11, nominell verfehlt auch Z 5) hat eine Nichtigkeitsbeschwerde stets an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394; zuletzt 13 Os 116/08w). Hievon ausgehend determinieren aber die Urteilsannahmen, wonach zu befürchten ist, dass der Betroffene unter dem Einfluss seiner geistigen und seelischen Abartigkeit folgenschwere Straftaten, nämlich Aggressionsdelikte gegen Leib und Leben unter Verwendung eines Messers, begehen werde (US 7, 10, 11), die Prognosetat hinreichend.

Der Beschwerde zuwider ist unter dem Begriff „Befürchten" iS des § 21 Abs 1 StGB die Bejahung hoher Wahrscheinlichkeit zu verstehen (Ratz in WK² Vorbem zu § 21 bis 25 Rz 4), was durch die diesbezüglichen Urteilskonstatierungen ebenfalls hinreichend zum Ausdruck kommt (US 7, 10, 11).

Die Ausführungen zur Frage, ob die Anlasstat als eine mit schweren Folgen zu qualifizieren ist, können auf sich beruhen, weil dies keine Voraussetzung für die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

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