Spruch:
Ismet A***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Das Landesgericht für Strafsachen Wien verhängte mit Beschluss vom 8. Juli 2011 (ON 71) über Ismet A***** die Untersuchungshaft aus den Gründen der Flucht-,der Verdunkelungs- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit b StPO und setzte diese am 22. Juli 2011 (ON 76) aus denselben Haftgründen, am 19. August 2011 (ON 84) sowie am 27. September 2011 (ON 96) aus dem Grund der Tatbegehungsgefahr (§ 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO) fort.
Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Beschuldigten (ON 104) gegen den letztgenannten Beschluss nicht Folge und ordnete erneut die Haftfortsetzung aus dem Grund des § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO an.
Dabei erachtete das Beschwerdegericht Ismet A***** dringend verdächtig, in Wien mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz im einverständlichen Zusammenwirken mit weiteren Mittätern
(I) andere durch Täuschung über Tatsachen zu vermögensschädigenden Handlungen verleitet zu haben, nämlich
1) vom 11. Jänner 2010 bis zum 20. Dezember 2010 Verfügungsberechtigte von Onlineshops unter der Vorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Vertragspartner zu sein, sowie unter Verwendung von verschiedenen (Alias-)Namen und E-Mail-Adressen zu Warenlieferungen im Gesamtwert von rund 15.000 Euro, wobei es teilweise beim Versuch geblieben sei,
2) vom 9. April 2010 bis zum 19. Jänner 2011 Verfügungsberechtigte mehrerer Telekommunikations- unternehmen unter der Vorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Vertragspartner zu sein, sowie unter Vorlage gefälschter Arbeits-, Lohn- und EU-Freizügigkeitsbestätigungen zur Übergabe von Mobiltelefonen und Laptops sowie zur Erbringung von Telefondienstleistungen im Gesamtwert von etwa 18.000 Euro und zu weiteren Leistungen, hinsichtlich derer es beim Versuch geblieben sei, und
3) vom Juli 2010 bis zum November 2010 Verfügungsberechtigte mehrerer Geldinstitute durch die Vorspiegelung, über bei diesen eingerichtete Konten verfügen zu dürfen, mittels gefälschter Überweisungsscheine zur Überweisung von ca 8.000 Euro, wobei es teilweise beim Versuch geblieben sei, sowie
(II) am 29. Juli 2010 die Ö***** oder die Ö***** GmbH dadurch am Vermögen geschädigt zu haben, dass er das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung durch Eingabe unrichtiger Personalien und Kontonummern beeinflusst habe.
In rechtlicher Hinsicht bejahte das Oberlandesgericht dringenden Verdacht des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 zweiter Fall und 15 StGB (I) sowie des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1 StGB (II).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Ismet A***** geht fehl.
Die Beschwerde hält zutreffend fest, dass die Sachverhaltsannahmen zu einem Haftgrund zufolge § 173 Abs 2 StPO auf „bestimmte Tatsachen“ gegründet sein müssen. Das bedeutet, dass ein Beschluss auf Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft insoweit nicht bloß auf allgemeine Erfahrungssätze gegründet werden darf, sondern auf solche Tatsachen Bezug nehmen muss, die sich aus dem konkreten Einzelfall ergeben (Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 173 Rz 28). Diesem Erfordernis wird die angefochtene Entscheidung aber sehr wohl gerecht, indem sie die Gefahr der Begehung weiterer gleichartiger strafbarer Handlungen (§ 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO) aus den Umständen ableitet, dass der Beschwerdeführer am 7. Juli 2011 (rechtskräftig) wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB sowie der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB und des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1 StGB verurteilt worden und nunmehr (darüber hinausgehend) dringend verdächtig ist, über einen Zeitraum von rund einem Jahr andere - in professioneller Art und Weise - betrügerisch massiv am Vermögen geschädigt zu haben, und er sich überdies in einer prekären finanziellen Situation befindet (BS 11).
Allein der Umstand, dass der Beschuldigte zwischenzeitig das Haftübel verspürt hat, vermag hieran - wie das Oberlandesgericht zutreffend ausführt (BS 11 f) - nichts zu ändern.
Keineswegs hat demnach das Oberlandesgericht den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr (allein) damit begründet, „dass die Möglichkeit eines Rückfalls nicht ausgeschlossen ist“.
Nach der Aktenlage wurde der Beschuldigte am 7. Juli 2011 vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 113 Hv 53/11h wegen der angeführten strafbaren Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, von der das Gericht einen achtzehnmonatigen Strafteil bedingt nachsah, wobei es die in der Zeit vom 31. Dezember 2010 bis zum 7. Juli 2011 erlittene Vorhaft auf die verhängte Sanktion anrechnete. Das Urteil ist bereits vor der mit Grundrechtsbeschwerde bekämpften Haftfortsetzung in Rechtskraft erwachsen. Infolge Anrechnung auf die damit verhängte Strafe hatte die Zeit vom 31. Dezember 2010 bis zum 7. Juli 2011 bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung außer Anschlag zu bleiben, sodass dem Beschwerdegericht auch insoweit kein Rechtsfehler unterlaufen ist.
Richtig ist zwar, dass beim Sanktionsausspruch eines Strafurteils über die der Haftfortsetzung zu Grunde gelegten Taten (§ 173 Abs 1 erster Satz StPO) auf die Verurteilung vom 7. Juli 2011 Bedacht zu nehmen wäre (§ 31 Abs 1 erster Satz StGB), sodass die Strafrahmenbegrenzung des § 31 Abs 1 dritter Satz StGB zugunsten des Beschwerdeführers schlagend würde, die Summe der Strafen die Strafe demnach nicht übersteigen dürfte, die nach den Regeln über die Strafbemessung beim Zusammentreffen strafbarer Handlungen (§ 28 StGB) und über die Zusammenrechnung der Werte und Schadensbeträge (§ 29 StGB) zulässig wäre, sich der für die der Haftfortsetzung zu Grunde gelegten Taten zur Verfügung stehende Strafrahmen von (bis zu) zehn Jahren auf (bis zu) acht Jahre reduziert.
Warum allein deshalb die fortgesetzte Untersuchungshaft von etwas mehr als dreieinhalb Monaten außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache oder der zu erwartenden Strafe (§ 40 StGB) stehen sollte, teilt der Beschwerdeführer jedoch nicht mit, sodass die Grundrechtsbeschwerde erfolglos bleibt.
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