OGH 13Os142/85

OGH13Os142/8517.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Oktober 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider (Berichterstatter), Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Dallinger als Schriftführers in der Strafsache gegen Walter A wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB. und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengerichts vom 1. März 1985, GZ. 15 Vr 1.109/83-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Rzeszut, des Angeklagten Walter A und des Verteidigers Dr. Jokesch zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 11.Juli 1947 geborene Bekleidungstechniker Walter A wurde des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB. und des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last,

I. in Mattighofen, Thalgau, Salzburg und an anderen Orten in Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland als Schuldner mehrerer Gläubiger

1. vom 19.April 1971 bis Juli 1980 fahrlässig seine Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeigeführt zu haben, daß er unverhältnismäßig Kredit benutzte;

2. ab Juli 1980 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung seiner Gläubiger dadurch vereitelt oder geschmälert zu haben, daß er neue Schulden einging, Schulden zahlte und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht rechtzeitig beantragte;

II. in Mattighofen, Thalgau und Mondsee seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber seiner am 13.April 1972 geborenen Tochter Esther Tilly B gröblich verletzt und dadurch bewirkt zu haben, daß deren Unterhalt ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre, indem er vom April 1979 bis Juni 1980, vom Jänner 1981 bis Mai 1981, vom November 1981 bis September 1982, vom August 1983 bis September 1983 und vom 1.Jänner 1984 bis Juni 1984 Unterhaltsleistungen für das Kind unterließ. Walter A bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a und lit. b StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

In der Mängelrüge macht der Angeklagte in bezug auf § 159 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB. unvollständige bzw. fehlende Begründung einzelner Tatsachengrundlagen der ihm angelasteten Fahrlässigkeit geltend, ist damit aber nicht im Recht.

Dies gilt zunächst für den Einwand, das Schöffengericht habe bei dem Vorwurf der unverhältnismäßigen Kreditbenützung mit Stillschweigen übergangen, daß der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit einem im Jahr 1979 erlittenen Verkehrsunfall (auf Grund rechtsfreundlicher Beratung) Schadenersatzleistungen von 80.000 S erwartet hätte. Abgesehen davon, daß die bezügliche Verantwortung (S. 184) ersichtlich ohnedies in die Urteilserwägungen einbezogen ist (S. 283), wurden die für die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit bis Juli 1980 maßgebenden Kredite zum weitaus überwiegenden Teil (Jahre) vor dem Unfallereignis aufgenommen (vgl. die Kreditfälle C D E F S. 273;

G H I J S. 275; K L

S. 279; Fa. M S. 279; Anton N S. 281).

Auch dem weiteren Einwand, die Urteilsbegründung gehe nicht darauf ein, daß Katharina A, die Ehegattin des Angeklagten, nach den Verfahrensergebnissen mit Einkünften aus Arbeitslosen- und Karenzgeld zum Familieneinkommen und zur Kredittilgung beigetragen habe und Kreditraten zum Teil zusätzlich durch verwandtschaftliche Unterstützungen finanziert worden seien, ermangelt die Relevanz. In Anbetracht der - vom Beschwerdeführer unbestrittenen - Tatsache, daß die von ihm begründeten Zahlungsverpflichtungen nach wie vor zu einem erheblichen Teil unberichtigt aushaften und auf diese Weise ihr Mißverhältnis zu seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geradezu augenfällig machen, konnte es auf sich beruhen, inwieweit die solcherart erwiesene Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten bei Wegfall der finanziellen Unterstützung aus dem Familienkreis eine graduelle Verschärfung erfahren hätte.

Nicht im Recht ist der Nichtigkeitswerber auch mit dem der Sache nach einen Feststellungsmangel (Z. 9 lit. a) relevierenden Einwand, das angefochtene Urteil vernachlässige in bezug auf die Unterlassung eines Insolvenzantrags den Umstand, daß es an einem zur Deckung der Verfahrenskosten hinreichenden Vermögen gefehlt hätte. Die Verpflichtung zur rechtzeitigen Konkursanmeldung bleibt nämlich von der Verfügbarkeit eines voraussichtlich kostendeckenden Vermögens unberührt, weil das Gesetz auch an die Nichteröffnung des Konkurses mangels hinreichenden Vermögens im Interesse der Gläubiger bestimmte Konsequenzen knüpft (vgl. § 73 Abs. 3 KO.).

Im Zusammenhang mit dem Schuldspruch wegen Unterhaltspflichtverletzung gibt das Urteil ohnehin Aufschluß darüber, daß die vom Angeklagten bevorzugte Liebhaberei des (Sport-)Schießens 'kostspielig' war. Abgesehen davon, daß der mit der Ausübung des Schießsports (wie auch mit dem Sammeln von Waffen) verbundene Kostenaufwand als notorisch keiner weiteren Begründung bedarf, hat der Gerichtshof seine Annahmen auf den Inhalt der Akten 9 Vr 1293/82 des Kreisgerichts Wels gestützt (S. 307). Darnach hat der Angeklagte zugegebenermaßen ungeachtet offener Unterhalts- und anderer Zahlungsverpflichtungen erhebliche Geldmittel für die Anschaffung von Waffen ausgelegt (S. 67 der Bezugsakten). Die zunächst auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gestützte Rechtsrüge wendet sich gegen die Einstufung der Kreditaufnahme als unverhältnismäßig (§ 159 Abs. 1 Z. 1 StGB.) sowie gegen die Bejahung einer Gläubigerschädigung infolge der Begründung neuer Schulden (Z. 2 leg. cit.). Betreffend die neuerliche Relevierung von Umständen (wie die Erwartung von Schadenersatzleistungen aus dem Verkehrsunfall und Unterstützungen aus dem Familienkreis), deren Bedeutungslosigkeit für den Verfahrensausgang bereits dargelegt wurde, genügt der Hinweis auf die obigen Ausführungen. Dem Beschwerdeeinwand, Unverhältnismäßigkeit der Kreditaufnahmen scheide aus, weil die Fremdmittel lediglich dem Lebensunterhalt der Familie des Angeklagten bzw. der Anschaffung von zur Berufsausübung erforderlichen Fahrzeugen gedient hätten, ist ergänzend zu erwidern, daß dem Verwendungszweck der Kreditvaluta nur bei der Beurteilung eines (dem Angeklagten nicht angelasteten) übermäßigen Aufwands, nicht aber in bezug auf die Verhältnismäßigkeit der in Anspruch genommenen Kreditsummen Erheblichkeit zukommt (vgl. EvBl. 1969/334). Unter § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. wird mit dem Hinweis auf Dienstgeberkonkurse und auf Perioden der Arbeitslosigkeit erstreckte Unterhaltsbedürfnisse der Familienangehörigen entschuldigender Notstand (§ 10 StGB.) reklamiert. Damit verkennt der Beschwerdeführer vorerst, daß sich die Anwendbarkeit des § 10 StGB. auf Vorsatztaten beschränkt ('begeht, um ... abzuwenden'). Im Fahrlässigkeitsbereich (§ 159 StGB.) ist die analoge Problematik im Rahmen der Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens zu beurteilen (Leukauf-Steininger 2 RN. 28 zu § 10 StGB.). Demnach ist ein sorgfaltswidriges Verhalten dann nicht vorzuwerfen, wenn auch von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen in der Lage des Täters realistischerweise nicht erwartet werden kann, sich objektiv sorgfaltsgemäß zu verhalten (EvBl. 1982 Nr. 64). Auf den gegenständlichen Fall übertragen bedeutet dies, daß der Angeklagte durch die Knappheit wirtschaftlicher Mittel von dem Urteilsvorwurf gemäß § 159 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB. nicht exkulpiert wird. Ist doch laut Urteilssachverhalt davon auszugehen, daß der Rechtsmittelwerber gerade in Phasen ausreichend honorierter Berufsausübung seinen Schuldenstand gravierend erhöhte (s.S. 283), ungeachtet längst fälliger Verbindlichkeiten erhebliche Geldmittel für (den Unterhaltsbedürfnissen seiner Familie abträgliche) persönliche Neigungen erübrigte (S. 307), trotz seiner erkennbaren Zahlungsunfähigkeit allein für Möbelanschaffungen neue Verbindlichkeiten in der Höhe von mehr als 150.000 S (S. 285 bis 287) einging und darüber hinaus den Aufwand zu Gunsten seiner Waffenleidenschaft fortsetzte (S. 289).

Aus dem soeben Gesagten ergibt sich aber auch die Unhaltbarkeit der Rechtsrüge, Unterhaltsleistungen für seine uneheliche Tochter wären dem Beschwerdeführer nicht zumutbar gewesen, weil deren Erbringung seinen eigenen notwendigen Unterhalt bzw. den notdürftigen Unterhalt der mit ihm im Familienverband lebenden Unterhaltsberechtigten verkürzt hätte.

Mithin war die Nichtigkeitsbeschwerde insgesamt zu verwerfen. Das Landesgericht verhängte über den Angeklagten nach § 159 Abs. 1 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. eine gemäß § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung die auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen und das Zusammentreffen von zwei Delikten als erschwerend, hingegen als mildernd die zumindest teilweise gezeigte Schuldeinsicht und die teilweise objektive Schadensgutmachung.

Mit ihren Berufungen streben der öffentliche Ankläger die Erhöhung der Freiheitsstrafe und die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht, der Angeklagte hingegen die Herabsetzung der Freiheitsstrafe, in eventu die Verhängung einer - bedingt nachgesehenen - Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe an. Beiden Berufungen ist ein Erfolg nicht beschieden.

Aus der vom Angeklagten ins Treffen geführten Arbeitslosigkeit (zu dieser s.S. 33 bis 35) vermag ein zusätzlicher Milderungsumstand in keiner Richtung hin abgeleitet werden, denn der Angeklagte betrieb - wie schon bei Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde dargelegt - ungeachtet seiner Arbeitslosigkeit den relativ kostspieligen Schießsport. Von einem längeren Zurückliegen der bzw. aller vom Schuldspruch erfaßten Taten und einem zwischenzeitigen Wohlverhalten kann mit Rücksicht auf den bei der Unterhaltsverletzung bis Juni 1984 reichenden Tatzeitraum nicht gesprochen werden. Im gegebenen Zusammenhang ist auch auf die im Jahr 1982 erlittene Verurteilung zu U 189/82 des Bezirksgerichts Mondsee wegen einer in den Jahren 1981 und 1982 begangenen Tat (Verstrickungsbruch) zu verweisen.

Der Staatsanwaltschaft ist zu erwidern, daß nach dem Inhalt der Verantwortung des Angeklagten eine teilweise Schuldeinsicht als Milderungsgrund durchaus gegeben ist. Auch bei Würdigung der zweifachen Qualifikation des § 159 StGB. und des Zeitraums der Unterhaltsverletzung erweist sich aber - insbesondere unter Berücksichtigung der Höhe des kridamäßigen Schadens und der mit zwei Jahren bestimmten Obergrenze des hier zur Strafbemessung heranzuziehenden § 159 Abs. 1 StGB. - die Strafhöhe als angemessen. Diese ist in keiner Richtung hin veränderungsbedürftig. Die Gewährung der bedingten Strafnachsicht ist mit Rücksicht auf das längere Zurückliegen der strafbestimmenden Kridatat und die teilweise Schadensgutmachung vertretbar. Die vom Schöffengericht ausgemessene (bedingt nachgesehene) Freiheitsstrafe entspricht insbesondere auch den Erfordernissen der Spezial- und Generalprävention.

Der Anwendung des § 37 StGB. stehen - schon mit Rücksicht auf die auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden

Vorstrafen - spezialpräventive Bedenken entgegen. Mit der Verhängung einer - vom Angeklagten ausdrücklich angestrebten - bedingt nachgesehenen Geldstrafe wäre aber unter Berücksichtigung des Vorlebens des Berufungswerbers und der von ihm zu verantwortenden Delikte nicht die erforderliche Effizienz gegeben. Eine solche Strafe würde auch den vom Gesetz geforderten generalpräventiven Erfordernissen nicht entsprechen.

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