OGH 13Os14/11z

OGH13Os14/11z7.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Cezayir B***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 und 2 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Irfan A***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Dezember 2010, GZ 163 Hv 131/10w-233, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Irfan A***** (VI) sowie demzufolge auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner Berufung wird Irfan A***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Irfan A***** des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im November 2009 in Wien den Sadik Ar***** zur Übergabe der Schlüssel zu einem Lokal zu nötigen versucht, indem er ihm über einen Mittelsmann ankündigte, dass er ihn widrigenfalls „umbringt“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, (richtig:) 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Irfan A***** ist im Recht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt im Ergebnis zutreffend auf, dass die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Drohung den Schuldspruch nicht tragen.

Bei der diesbezüglichen - auf den Tatsachenbereich bezogen - Beurteilung ist nicht der Wortlaut einer Äußerung maßgebend, sondern die ihr in der konkreten Situation zukommende Bedeutung, wobei Sprachgebrauch, Gewohnheiten und Bildungsgrad der Beteiligten ebenso zu beachten sind wie Gemütsverfassung, Milieu, Alkoholbeeinträchtigung oder andere Begleitumstände (Jerabek in WK² § 74 Rz 34). Das Erstgericht stellte den Wortlaut der Drohung mit „in Fleisch zerreißen“ fest und übersetzte diesen - ebenfalls auf der reinen Sprachebene - mit dem Begriff „umbringen“ (US 20), also töten (ohne jedoch rechtlich von einer im Sinn des § 106 Abs 1 Z 1 StGB qualifizierten Drohung auszugehen - US 7).

Zum Bedeutungsinhalt trifft das Erstgericht nur die Konstatierung, der Beschwerdeführer habe beabsichtigt, Sadik Ar***** durch die beschriebene Äußerung „gefährlich zu bedrohen“ (US 20). Damit beschränkt es sich auf die Wiedergabe eines Gesetzesbegriffs, ohne diesen durch konkrete Sachverhaltsfeststellungen derart aufzulösen, dass dem Rechtsmittelgericht die Überprüfung der vorgenommenen Subsumtion ermöglicht wird.

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben (§ 285e StPO) und der den Beschwerdeführer betreffende Schuldspruch (VI) - ohne Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen - aufzuheben.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die daraus resultierende Kassation des Strafausspruchs zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass eine gefährliche Drohung nach § 74 Abs 1 Z 5 StGB nur eine solche mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen ist. In Bezug auf die hier mit Blick auf den Wortlaut der inkriminierten Äußerung in Rede stehende Drohung mit einem Angriff auf die körperliche Integrität ist festzuhalten, dass Drohungen mit bloßer Misshandlung nach Judikatur und herrschender Lehre grundsätzlich nicht als solche mit einer Verletzung am Körper zu beurteilen sind (eingehend mwN Jerabek in WK² § 74 Rz 29), sodass entsprechende Feststellungen zu treffen sein werden, welche die insoweit entscheidende Abgrenzung zulassen.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass das Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zum Schuldspruch III der ihm zukommenden Funktion, das Ergebnis der in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommenden Entscheidungsfindung formell und resümierend hervorzuheben und solcherart deklarativ klarzustellen, welcher Taten der Angeklagte schuldig befunden worden ist (Lendl, WK-StPO § 260 Rz 7), nicht gerecht wird. Da aber die - unter dem Aspekt materieller Nichtigkeit entscheidenden -Urteilsfeststellungen den bezeichneten Schuldspruch tragen (US 17, 18), bestand kein Anlass für ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO.

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