OGH 13Os14/04

OGH13Os14/047.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dariusz C***** und einen anderen Angeklagten wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Dariusz C***** sowie die Berufung des Angeklagten Andrzej D***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 26. November 2003, GZ 8 Hv 78/03i-62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, Dariusz C***** habe die Taten in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangen, in der rechtlichen Unterstellung der Taten dieses Angeklagten unter § 28 Abs 3 erster und zweiter Fall SMG und demzufolge in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Soweit sie nicht durch die kassatorische Entscheidung erledigt ist, wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Dariusz C***** auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten Dariusz C***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Andrzej D***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Dariusz C***** und Andrzej D***** "des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster und zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG", teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB, gemeint (vgl Foregger/Litzka/Matzka SMG § 27 Erl VI.2.) der Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG, hinsichtlich des Inverkehrsetzens (§ 28 Abs 2 vierter Fall) in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB, schuldig erkannt.

Danach haben sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 30. Jänner 2003 "in Graz und anderen Orten des Bundesgebietes den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge (§ 28 Abs 6 SMG iVm § 28 Abs 4 Z 3 SMG)" in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung eingeführt und in Verkehr zu setzen versucht, indem sie von Deutschland kommend mit fünf Kilogramm Amphetamin (2.350 Gramm Reinsubstanz), die im Reservereifen ihres PKW versteckt waren, in das Bundesgebiet einreisten und in Graz versuchten, die genannte Menge verdeckten Ermittlern des Bundesministeriums für Inneres zu einem Kaufpreis von insgesamt 95.000 Euro zu verkaufen, wobei die Vollendung "der Inverkehrsetzung" lediglich durch den Zugriff der österreichischen Sicherheitsbehörden unterblieb.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dariusz C***** ist nur teilweise im Recht.

Unter dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund wird mit dem Vorbringen, nach den Entscheidungsgründen habe der Angeklagte das ihm angelastete Verbrechen als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im Sinn des § 278 Abs 2 StGB begangen, "sodass der Urteilssatz mit den Urteilsgründen im Widerspruch steht", auf einen (vermeintlichen) Unterschied der laut Erkenntnis (§§ 270 Abs 2 Z 4, 260 Abs 1 Z 2 StPO, vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 266) einerseits und rechtlicher Beurteilung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) andererseits verwirklichten strafbaren Handlungen abgestellt. Ein Widerspruch zwischen Urteilstenor (-spruch, -satz) und Entscheidungsgründen kann aber nur dann einen formellen Nichtigkeitsgrund - nämlich § 281 Abs 1 Z 3 oder Z 5 dritter Fall StPO - bedeuten, wenn er Tatsachen betrifft, also auf der Sachverhaltsebene liegt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 265 ff). Ein Widerspruch zwischen den im Tenor und den in den Gründen genannten entscheidenden Tatsachen bewirkt Nichtigkeit nach Z 5 dritter Fall, ein solcher Gegensatz in Ansehung sonstiger Individualisierungsmerkmale Nichtigkeit nach Z 3 des § 281 Abs 1 StPO (13 Os 23/03).

Weist ein Urteil in Hinsicht auf die durch das Verhalten des Angeklagten begründete strafbare Handlung einen Widerspruch zwischen Tenor und Gründen auf, weil das Erkenntnis über die Schuldfrage (§§ 270 Abs 2 Z 4, 260 Abs 1 Z 2 StPO) eine andere strafbare Handlung bezeichnet als jene, die der rechtlichen Beurteilung in den Gründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zufolge verwirklicht wurde, kommt der materielle Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO in Betracht. Dessen Bezugspunkte sind der Ausspruch darüber, welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen begründet wird (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), und die Feststellungen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) des Urteils (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 269).

Mit dem erwähnten Vorbringen wird jedoch kein Widerspruch aufgezeigt. Die Qualifikation nach § 28 Abs 3 zweiter Fall SMG ist nach dem Gesetzeswortlaut nur bei Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gegeben, was Gegenstand der erwähnten Urteilspassage war (US 10 f).

Im Rahmen des Schlussvortrages, also in der Hauptverhandlung (§ 238 Abs 1 StPO) und daher rechtzeitig beantragt wurde die Einvernahme "der im gegenständlichen Verfahren involvierten verdeckten Ermittler, deren Name und Anschrift über das BMI dem erkennenden Gericht bekannt gegeben werde, allenfalls unter Durchführung der Bestimmung des § 166a StPO zum Beweis dafür, dass Dariusz C***** entgegen den Ausführungen in diesem Bericht sowie dem ergänzenden Bericht keinesfalls mittels eines Messers versucht hat, aus dem Reifen des Autos, welcher sich im Auto befunden hat, insbesondere beim Ausbau des Suchtgiftes zu helfen, da er sich zu diesem Zeitpunkt nicht beim Auto befunden hat, sondern er in den H*****-Markt gegangen ist" (S 422 f).

Der Antrag wurde entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) zu Recht abgewiesen. Angesichts des mit Zustimmung beider Parteien (S 419) verlesenen Berichtes ON 18 und der Zeugenaussage des Verfassers ChefInsp Franz B***** in der Hauptverhandlung (S 419 ff) hätte es bei der Antragstellung der Angabe von Gründen bedurft, aus denen die Erreichung des genannten Beweisziels und die Fundierung des weiteren Beweisthemas, dass C***** "keinesfalls das Mitglied einer kriminellen Vereinigung ist", zu erwarten war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327 ff [330 f] mwN).

Im Bericht heißt es, dass dieser von einem Referatsleiter des Bundeskriminalamtes "stellvertretend für den/die verdeckt ermittelnden Beamten" gelegt wurde und auf den "Arbeitsunterlagen, ständiger Berichterstattung der eingesetzten Beamten und einer neuerlichen, unmittelbar vor der Berichtlegung durchgeführten Befragung des/der mit der Führung der verdeckten Ermittlungen betrauten Beamten" beruht (S 183).

Inhaltlich wird nach der Schilderung früherer Begebenheiten ausgeführt: "Die VE lotsten die Täter daher mit ihrem Fahrzeug auf den H*****-Parkplatz nach S*****. Die Täter öffneten den Kofferraum des Opel und benötigten zum Ausbau der Ware ein Messer, welches von VE-Seite beigestellt wurde. Mit diesem Messer gelang es aber nicht, den Reifen so weit aufzustechen, dass die gesamte Ware entnommen werden konnte." Es sei bloß möglich gewesen, eine Probe zu entnehmen. Ein Test auf Amphetamin verlief positiv. Während C***** und D***** die Bezahlung der Ware erwarteten, wurden sie verhaftet (S 189). Nach der erwähnten Zeugenaussage basiert der einvernehmlich in der Hauptverhandlung verlesene Bericht auf den Informationen der verdeckten Ermittler. Zusätzlich verwies der Zeuge auf den Observationsbericht, "aus dem hervorgeht, dass beide Täter den Kofferraumdeckel geöffnet haben und dabei waren, wie die Probe gezogen wurde" (S 419; S 59, 409). Auch der Observationsbericht wurde in der Hauptverhandlung verlesen (S 422).

Der nicht begründete Antrag zielte demnach auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f). Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) greift bei der Behauptung unzureichender Begründung der Feststellungen über die Mittäterschaft des Angeklagten nur einen Teil der Erwägungen unter Vernachlässigung des Zusammenhangs mit den übrigen heraus (US 7 ff) und zeigt solcherart den angeführten Mangel nicht auf. Indem die im Urteil erörterten Beweisergebnisse in der Beschwerde übergangen werden, vermisst der Angeklagte auch zu Unrecht jene Gründe, aus denen seiner leugnenden Verantwortung und den Teilen der Aussage des Andrzej D*****, die ihn entlasten, nicht gefolgt wurde.

Zutreffend macht der Angeklagte aber geltend, dass das Urteil

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