OGH 13Os136/00

OGH13Os136/0016.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schwahofer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz H***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 16 Vr 1073/99 des Landesgerichtes Leoben, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Alexander G***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 28. September 2000, AZ 11 Bs 380/00 (= ON 185), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Alexander G***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Im oben bezeichneten Strafverfahren wird (unter anderem) gegen Alexander G*****, der sich vom 2. Februar 2000 bis 31. März 2000 in Untersuchungshaft befand, welche (nach einer erfolgreichen Beschwerde der Staatsanwaltschaft) seit 11. Mai 2000 wieder fortgesetzt wurde, die Voruntersuchung wegen des Verdachtes der Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB (offensichtlich in eventu der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 StGB) sowie des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a und b FinStrG geführt.

Nach der Haftverhandlung vom 7. September 2000 (ON 168) ordnete die Untersuchungsrichterin die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO an (ON 170). Der dagegen gerichteten Beschwerde des Beschuldigten (ON 173) gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 28. September 2000 nicht Folge (ON 185).

Rechtliche Beurteilung

Die daraufhin erhobene Grundrechtsbeschwerde ist nicht im Recht. Den dringenden Tatverdacht erachtete das Beschwerdegericht (zumindest) darin gelegen, dass der Beschuldigte in Dornbirn und anderen Orten von Jänner bis September 1999 ca 18,758.000 S aus dem Vermögen der Firma A***** GmbH rechtswidrig entzogen habe, was in Richtung der Verbrechen nach § 153 Abs 1 und Abs 2 StGB oder nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB zu qualifizieren sei. Darüber hinaus sei er des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a FinStrG dringend verdächtig.

Diese qualifizierte Verdachtslage wird nunmehr in der Grundrechtsbeschwerde nicht mehr bekämpft, wohl aber die Annahme der Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO. Entgegen der Beschwerdekritik hat der Gerichtshof zweiter Instanz nicht nur das Vorliegen dieses Haftgrundes, sondern auch dessen Gewicht begründet, indem er auf die zutreffenden Darlegungen im angefochtenen Beschluss der Untersuchungsrichterin und in seiner eigenen vorangegangenen Beschwerdeentscheidung (ON 122) hinwies sowie darauf aufbauend Gründe für die Ablehnung der Anwendung gelinderer Mittel anführte (BS 7 = S 157/VI). Weitere erörterungsbedürftige Umstände werden in den Beschwerdeausführungen nicht aufgezeigt. Die behauptete "drastische Veränderung" der Verhältnisse ist in relevantem Umfang nicht eingetreten, weil im vorliegenden Fall weder die Krankheit des Beschwerdeführers noch dessen Versprechen, sich in Zukunft um eine unselbständige Tätigkeit umzusehen, die Gefahr, dass er auf freiem Fuß strafbare Handlungen iS des § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO begehen werde, mindert (s § 180 Abs 3 letzter Satz StPO); dass die aufrechte Haft diese Gefahr mindert, ist unbeachtlich. Denn es ist auf die Verhältnisse (und deren etwaige Änderung), unter denen die dem Beschuldigten angelastete Tat begangen worden ist, abzustellen. Demnach ist der Umstand, dass der Beschwerdeführer "überhaupt nichts mehr mit Personalleasingfirmen bzw Leasinggeschäften zu tun habe", eine Folge der derzeitigen Haftsituation und kann nicht zur Begründung für geänderte Tatbegehungsprämissen herangezogen werden. Die Gefahr weiterer (qualifizierter) Folgedelinquenz hat somit das Oberlandesgericht zutreffend beurteilt, wobei nicht nur Straftaten im Rahmen der Firma I***** GmbH in Frage kommen; hat doch der Beschwerdeführer schon früher bewiesen, rasch verschiedene Firmen für seine Geschäfte zu nutzen (vgl ua S 389/III). Ebensowenig vermag die Enthaftung anderer Mitangeklagter wegen unterschiedlicher Haftvoraussetzungen irgendeine Auswirkung auf die Beurteilungsgrundlagen für die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft beim Beschwerdeführer zu entfalten. Der Grundrechtsbeschwerde zuwider liegt der Entscheidung des Oberlandesgerichtes keine rechtsirrige Auslegung der Bestimmung des § 194 Abs 3 StPO zugrunde; vielmehr stellt die Kritik an der fallbezogen zulässig erachteten Überschreitung der sechsmonatigen Frist nur die diesbezüglich unsubstantiierte These gegenüber, es sei hier weder eine besondere Schwierigkeit noch ein besonderer Umfang der Untersuchung gegeben, ohne sich mit den Argumenten des Beschwerdegerichtes auseinanderzusetzen.

Auf die (derzeit noch aktuelle) Intensität des Haftgrundes und dessen Bewertung durch das Oberlandesgericht wurde bereits eingegangen, sodass in der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Bindung an die zeitliche Schranke des § 194 Abs 3 StPO sowie die Substituierbarkeit der Haft durch Anwendung gelinderer Mittel verneint wurde. Die Einwände, wonach die Untersuchungshaft zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis stehe und die Dauer unverhältnismäßig sei, wurden zwar einleitend vorgebracht, aber nicht näher begründet, weshalb sie einer sachlichen Erörterung entzogen sind.

Da somit Alexander G***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde, war die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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