OGH 13Os135/18d

OGH13Os135/18d13.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der AAss Schaffhauser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Orgest S***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Orgest S***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 20. August 2018, GZ 13 Hv 157/17t‑295, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00135.18D.0213.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (2), demgemäß auch im Ausspruch über die Strafe (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.

Mit dem gegen den Sanktionsausspruch gerichteten Teil der Beschwerde wird der Angeklagte Orgest S***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte Orgest S***** und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Dem genannten Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Orgest S***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 erster Fall StGB (1) und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er am 25. Jänner 2017 in W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei abgesondert verfolgten Mittätern (§ 12 erster Fall StGB) Margit R*****

1) mit Gewalt gegen ihre Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung von Waffen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und Schmuck im Gesamtwert von 795.150 Euro sowie einen PKW Toyota Landcruiser, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und abgenötigt, indem sie die Genannte auf eine Couch stießen, sie über mehrere Stunden mit Kabelbindern an Händen und Beinen fesselten, ihr wiederholt zwei spitz zugeschliffene, schraubenzieherartige Gegenstände vor- und an Brust, Hals und Augenbereich anhielten, teils Schneidebewegungen machten und äußerten, sie solle das Geld herausgeben und sagen, wo sich dieses befinde, ansonsten werde sie getötet oder ihr das Augenlicht genommen, wobei Margit R***** durch die ausgeübte Gewalt eine an sich schwere und länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung (US 5), und zwar eine posttraumatische Belastungsstörung verbunden mit Schlafstörungen, Verstimmungszuständen, nächtlichem Erwachen und regelmäßigem qualvollen Erinnern, erlitt, somit schwer verletzt (§ 84 Abs 1 StGB) wurde, und

2) widerrechtlich gefangen gehalten, indem sie die Genannte „im Zuge des [oben] angeführten schweren Raubes über mehrere Stunden“ fesselten, sie vor Verlassen des Tatorts unter zusätzlicher Verwendung eines Leintuchs „stärker“ fesselten (US 4 f) und ihr einen Couchtisch auf den Körper legten (US 2) oder über sie stellten (US 5), wodurch sie die Freiheitsentziehung auf solche Weise begingen, dass sie der Festgehaltenen besondere Qualen bereiteten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die vom Angeklagten Orgest S***** aus § 281 Abs 1 Z 5a, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruch 2 macht im Ergebnis zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellungen geltend. Denn beim Verbrechen nach § 142 Abs 1 StGB sind alle (wenn auch in verschiedenen Phasen der Raubtat gesetzten, in einem unmittelbaren und sachlichen Zusammenhang stehenden) Handlungen des Täters vom Beginn der Ausführung des räuberischen Vorsatzes bis zur materiellen Vollendung der Tat grundsätzlich als einer gesonderten strafrechtlichen Zuordnung nicht zugängliche Einheit anzusehen (RIS-Justiz RS0093085, zuletzt 12 Os 33/18x [mwN], Eder-Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 69). Eine gegen die Person des Raubopfers gerichtete Freiheitsentziehung geht daher dann im Tatbestand des Raubes auf, wenn diese Bewegungseinschränkung bereits im Zuge der Ausführung der Raubtat an sich als Mittel zur Durchsetzung des deliktischen Vorhabens erfolgt ist oder unmittelbar nach Wegnahme oder Abnötigen des Raubgutes der Sicherung der Beute oder der Einleitung der Flucht dient (RIS-Justiz RS0093085, RS0093111).

Nach den Urteilsfeststellungen war die zum Verlust der Bewegungsfreiheit führende Fesselung der Margit R***** an Händen und Beinen bereits (eines der) Tatmittel des Raubes (US 4 f iVm US 2 f). Echte Konkurrenz zwischen den Tatbeständen des Raubes und der Freiheitsentziehung kommt hier daher nur dann in Betracht, wenn die Freiheitsentziehung nicht unwesentlich über das notwendige Maß hinausging, das zur Verfolgung des räuberischen Zwecks notwendig war, wie etwa bei längerer Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung nach Beendigung des Raubes, oder aber bei Vorliegen der (vom Erstgericht – auf der rechtlichen Ebene – bejahten) Qualifikation des § 99 Abs 2 zweiter Fall StGB (vgl Hintersteininger SbgK § 142 Rz 74; Schmoller SbgK § 99 Rz 74; Kienapfel BT I4 § 99 RN 37; Kienapfel/Schroll StudB BT I4 § 99 Rz 37; 11 Os 51/12b).

Feststellungen (also auf der Tatsachenebene angesiedelte Urteilsausführungen), wonach der Beschwerdeführer die Freiheitsentziehung auf eine solche Weise beging, dass sie der Festgehaltenen besondere Qualen (vgl dazu RIS-Justiz RS0092914) bereitet hätten, sind der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht zu entnehmen. Der substanzlose Gebrauch der verba legalia des § 99 Abs 2 zweiter Fall StGB (vgl US 2 f, US 6) vermag nämlich den unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion unerlässlichen Sachverhaltsbezug nicht herzustellen (RIS-Justiz RS0119090).

Ebenso wenig finden sich in den Entscheidungsgründen Konstatierungen dazu, dass die Freiheitsentziehung nach der Beendigung der Raubtat noch längere Zeit aufrechterhalten worden wäre oder sonst das mit ihrem Einsatz als Tatmittel des Raubes verbundene Maß erheblich überschritten hätte.

Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 10) erfordert – wie auch die Generalprokuratur darlegt – die Aufhebung des Schuldspruchs wegen des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (2), demzufolge auch die Aufhebung des Strafausspruchs.

Somit kann das Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11) auf sich beruhen.

Im Übrigen geht die Nichtigkeitsbeschwerde fehl:

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit den Hinweisen auf das Fehlen von DNA-Spuren (dazu US 18) und die den Beschwerdeführer entlastenden Angaben des Angeklagten Stefan C***** (US 6 und 8 ff) in Verbindung mit der Kritik an einzelnen der beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter (US 8, 10 f) keine nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierenden Bedenken (RIS-Justiz RS0119583) an der Richtigkeit der bekämpften Urteilskonstatierungen zu wecken.

Mit der Forderung nach für den Beschwerdeführer günstigeren Schlussfolgerungen aus den vom Schöffengericht erörterten Beweisen bekämpft die Tatsachenrüge bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Mit dem Einwand, es liege kein einziges Beweisergebnis vor, welches seine Anwesenheit am Tatort während der Tatzeit belege, verkennt der Beschwerdeführer, dass erhebliche Bedenken im Sinn der Z 5a – soweit hier von Bedeutung (Fehler in der Sachverhaltsaufklärung werden nicht behauptet) – nur aus in der Hauptverhandlung vorgekommenen (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnissen, nicht aber aus dem (angeblichen) Fehlen von Beweisen abgeleitet werden können (RIS-Justiz RS0128874).

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – erneut in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit ihren Berufungen waren der Beschwerdeführer und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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