OGH 13Os133/14d

OGH13Os133/14d15.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen DI DDr. Wassil N***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und anderer strafbarer Handlungen, AZ 333 HR 171/14p des Landesgerichts für Strafsachen Wien (AZ 606 St 2/13k der Staatsanwaltschaft Wien), über den Antrag des Beschuldigten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00133.14D.0415.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Wien führt zum AZ 606 St 2/13k ein Ermittlungsverfahren gegen DI DDr. Wassil N***** wegen des Verdachts, er habe in Wien

(A) in den Jahren 2002 bis 2011 vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten Verkürzungen an Einkommensteuer und Umsatzsteuer bewirkt,

(B) vom November 2003 bis zum Jänner 2009 und vom November 2011 bis zum September 2012 vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung an Lohnsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten sowie

(C) am 6. Juli 2009 als Schuldner einen Bestandteil seines Vermögens beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung eines Gläubigers durch Zwangsvollstreckung zumindest geschmälert, indem er Anteile an einer Eigentumswohnung unentgeltlich seinem Sohn überließ.

Mit Beschluss vom 25. Juli 2014 (ON 86) wies das Landesgericht für Strafsachen Wien den Antrag des Beschuldigten, das Ermittlungsverfahren einzustellen (ON 81), ab.

Der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten (ON 88) gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 25. November 2014, AZ 19 Bs 251/14x (ON 93 der HR‑Akten), nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Der mit Bezug auf diese beiden Beschlüsse gestellte Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a Abs 1 StPO) des Beschuldigten ist teils unzulässig, teils offenbar unbegründet:

Bei einem ‑ wie hier ‑ nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 sowie 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß auch für derartige Anträge (11 Os 132/06f, SSt 2007/79; RIS‑Justiz RS0122737; Reindl‑Krauskopf, WK‑StPO § 363a Rz 31).

Soweit sich der Antrag gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. Juli 2014 (ON 86) wendet, ist er daher infolge fehlender Erschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs unzulässig (Art 35 Abs 1 MRK).

Eine Verletzung des Rechts auf eine wirksame Beschwerde (Art 13 MRK) kann nur in Verbindung mit einer materiellen Garantie der MRK oder eines Zusatzprotokolls gerügt werden (Grabenwarter/Pabel EMRK5 § 24 Rz 167). Fehlende Möglichkeit, eine der materiellen Garantien der MRK oder eines Zusatzprotokolls mit der Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. Juli 2014 (ON 86) wirksam geltend zu machen, wird im Erneuerungsantrag nicht behauptet, womit er sich in Bezug auf Art 13 MRK als offenbar unbegründet erweist.

Hinsichtlich des Rechts, zu schweigen und sich nicht selbst zu beschuldigen (nemo tenetur‑Grundsatz [Art 6 MRK]), enthält die Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. Juli 2014 folgende Passage (ON 88 S 3 f): „Als einzige noch ausständigen Ermittlungsmaßnahmen sind im Beschluss a) 'die angekündigte Stellungnahme des Beschuldigten, zu deren Erstattung eine Frist bis zum 15. 08. 2014 eingeräumt wurde' und b) 'die von der Staatsanwaltschaft in Aussicht genommene Betriebsprüfung' angeführt. Dies sind aber keine ausständigen Ermittlungsmaßnahmen, denn ob der Beschuldigte eine separate Stellungnahme erstattet oder nicht, obliegt allein ihm ‑ verpflichten kann man ihn nicht dazu und Fristen kann man ihm auch nicht dafür setzen. Er kann sich immer äußern, solange das Verfahren läuft, er muss sich aber in keiner Phase des Verfahrens äußern. Seine Einvernahme hat ja ohnedies bereits stattgefunden. Art. 90 B‑VG und Art. 6 MRK berechtigten ihn, seine Verantwortung auf seine Aussage zu beschränken oder auch zu schweigen, wenn er dies wünscht. Somit ist die Ermittlungsmaßnahme a) keine zu setzende Ermittlungsmaßnahme, sondern lediglich die Beschreibung eines Rechts des Beschuldigten, von dem er Gebrauch machen kann, aber nicht muss.“

Eine Verletzung des nemo tenetur‑Grundsatzes durch den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. Juli 2014 wird damit nicht behauptet, aus welchem Grund das aus der gegenteiligen Prämisse entwickelte Antragsvorbringen auf sich zu beruhen hat.

Der Erneuerungsantrag war somit in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 363b Abs 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

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