OGH 13Os13/21t

OGH13Os13/21t16.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. März 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Pateisky in der Strafsache gegen Muhammet D* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 61 Hv 70/20m des Landesgerichts Feldkirch, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 29. September 2020 (ON 204) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Mag. Ramusch LL.M. LL.M. (WU), zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131185

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In der Strafsache AZ 61 Hv 70/20m des Landesgerichts Feldkirch verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 29. September 2020 (ON 204) § 17 Abs 1 StPO.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im den Angeklagten David T* betreffenden Strafausspruch ebenso aufgehoben wie die hinsichtlich David T* gemäß § 494a StPO gefassten Beschlüsse und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

 

Gründe:

[1] Soweit hier von Bedeutung legte die Staatsanwaltschaft Feldkirch David T* mit Anklageschrift vom 28. Oktober 2019 ein als Verbrechen des Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1 StGB beurteiltes Verhalten zur Last (ON 46 S 4 und 6 f).

[2] Mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 9. Jänner 2020 wurde die Anklage – von der Staatsanwaltschaft unangefochten – insoweit nicht durch Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) erledigt (ON 155 S 6), obwohl entsprechende Feststellungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) getroffen und in Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) – zu 2 – referiert wurden (ON 155 S 3, 12 und 13).

[3] Aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes hob der Oberste Gerichtshof das Urteil im Schuldspruch 14 wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG, demgemäß auch im David T* betreffenden Strafausspruch ebenso auf wie die hinsichtlich des Genannten gemäß § 494a StPO gefassten Beschlüsse und verwies die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch (ON 194).

[4] Im zweiten Rechtsgang verhängte das Landesgericht Feldkirch mit Urteil vom 29. September 2020 „für die [...] in Rechtskraft erwachsenen Teile des Schuldspruchs des Urteils des Landesgerichts Feldkirch vom 09. 1. 2020“, unter anderem „zu 2)“ für „das Verbrechen des Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1 StGB“, über David T* (unter Bedachtnahme auf ein in Rechtskraft erwachsenes Vorurteil) eine Zusatzfreiheitsstrafe (ON 204 US 2 und 3).

[5] Zugleich ergingen Beschlüsse nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO und nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO iVm § 494a Abs 6 StPO.

[6] Dagegen meldete David T* Beschwerde an, das Urteil erwuchs unangefochten in Rechtskraft (ON 203 S 10).

Rechtliche Beurteilung

[7] Dieses Urteil steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt – im Strafausspruch, soweit er den Angeklagten David T* betrifft, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[8] Schuldig gesprochen wird der Angeklagte stets nur, diejenigen strafbaren Handlungen (rechtlichen Kategorien) begründet zu haben, die das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) nennt (RIS‑Justiz RS0116266 [T1]). Das von der Staatsanwaltschaft ungerügt gebliebene Unterlassen einer urteilsmäßigen Erledigung des im Sinn der §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1 StGB erhobenen Anklagevorwurfs durch das Landesgericht Feldkirch im ersten Rechtsgang kommt im Ergebnis einem Freispruch gleich (RIS‑Justiz RS0099646 [T1 und T8]; Lendl, WK‑StPO § 259 Rz 14). Eine neuerliche Strafverfolgung kommt insoweit nicht mehr in Betracht (RIS‑Justiz RS0099646 [T5]).

[9] Indem das Landesgericht Feldkirch im zweiten Rechtsgang dem Strafausspruch einen – gerade nicht erfolgten – Schuldspruch des David T* wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1 StGB zugrundelegte, ihn also (auch) wegen eines vom (rechtskräftigen) Freispruch umfassten Sachverhalts zu einer Strafe verurteilte, verstieß es somit gegen den in § 17 Abs 1 StPO normierten Grundsatz des Verbots wiederholter Strafverfolgung (RIS‑Justiz RS0124619, vgl auch Art 4 des 7. ZPMRK).

[10] Da diese Gesetzesverletzung zum Nachteil des AngeklagtenDavid T* wirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

[11] Die Aufhebung der gemäß § 494a StPO gefassten Beschlüsse war Folge der Beseitigung des diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruchs (RIS‑Justiz RS0100194).

[12] Die gegen diese Beschlüsse gerichtete Beschwerde, über die vom Oberlandesgericht noch nicht entschieden wurde, ist somit gegenstandslos.

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