OGH 13Os128/23g

OGH13Os128/23g24.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Flickinger in der Verbandsverantwortlichkeitssache der V* GmbHwegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des belangten Verbandes gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 14. September 2023, GZ 35 Hv 5/23g‑31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00128.23G.0424.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Finanzstrafsachen

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem belangten Verband fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die V* GmbH gemäß § 3 Abs 1 Z 1 und 2 und Abs 2 VbVG iVm § 28a Abs 1 FinStrG für mehrere Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG verantwortlich erkannt, die ein Entscheidungsträger dieser Gesellschaft, nämlich deren Geschäftsführer Mag. * S*, als solcher rechtswidrig und schuldhaft zu ihren Gunsten begangen und dadurch die Gesellschaft treffende Pflichten verletzt hat.

[2] Danach hat dieser im Zuständigkeitsbereich des (damaligen) Finanzamts Salzburg Land als Geschäftsführer des belangten Verbandes vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer für jeden einzelnen der Kalendermonate September 2016 bis Dezember 2016, April 2017 bis Juni 2018 sowie Jänner 2019 bis Oktober 2019 um (im Ersturteil nach Entrichtungszeiträumen aufgegliedert) insgesamt 285.814,24 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbandes.

[4] Die Feststellungswirkung des Schuldspruchs (vgl § 398 StPO [hier iVm § 195 Abs 1 FinStrG]; dazu Lässig, WK-StPO § 398 Rz 3) einer natürlichen Person erstreckt sich dann auf einen Verband, wenn

- der Verband im Verfahren gegen die natürliche Person Parteistellung gemäß § 15 Abs 1 zweiter Satz VbVG, somit die Möglichkeit hatte, zu den Vorwürfen, für die er verantwortlich erklärt werden könnte, Stellung zu nehmen und das Urteil über seinen Entscheidungsträger (oder Mitarbeiter) – im Umfang des betreffenden Schuldspruchs – auf gleiche Weise wie dieser zu bekämpfen (RIS‑Justiz RS0112232 [T5]), und

- der Schuldspruch sowohl gegenüber dem Verband als auch gegenüber allen weiteren Anfechtungsberechtigten in Rechtskraft erwachsen ist (RIS‑Justiz RS0133674 und RS0131120; dazu Oberressl in Birklbauer/Oberressl/Wiesinger, VbVG § 15 Rz 52 f).

[5] Vorliegend war der Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße gemäß § 21 Abs 2 VbVG mit der Anklage des Mag. S* wegen jener Straftaten verbunden, für die der Verband – als dessen Entscheidungsträger (§ 2 Abs 1 VbVG) der Genannte gehandelt habe – verantwortlich (§ 3 VbVG) sein soll (ON 6). Daher kamen dem belangten Verband (§ 13 Abs 1 zweiter Satz VbVG) gemäß § 15 Abs 1 zweiter Satz VbVG auch im betreffenden Verfahren gegen diese natürliche Person die Rechte des Beschuldigten zu (RIS‑Justiz RS0133395).

[6] In der gesamten (hier gemäß § 22 Abs 1 VbVG gemeinsam mit jener gegen den Verband geführten) Hauptverhandlung im Verfahren gegen die natürliche Person war der belangte Verband im Sinn des § 23 VbVG vertreten (ON 23 und 29; zur Relevanz dieses Umstands für die Wirksamkeit [auch] des Urteils nach § 22 Abs 1 VbVG gegenüber dem belangten Verband siehe Oberressl, Besonderheiten des Haupt- und des Rechtsmittelverfahrens nach dem VbVG, ÖJZ 2020, 815 (821 f) und in Birklbauer/Oberressl/Wiesinger, VbVG § 23 Rz 1, 22 und 29 f). Nur der Angeklagte bekämpfte das über ihn ergangene Urteil mit – jeweils fristgerecht (§ 284 Abs 1 StPO, § 294 Abs 1 StPO) angemeldeter – Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung. Der belangte Verband (und die Staatsanwaltschaft) hingegen ließen den Schuldspruch der natürlichen Person unbekämpft.

[7] Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 24. April 2024, AZ 13 Os 127/23k, wurde die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. S* zurückgewiesen. Dieser (in nichtöffentlicher Sitzung gefasste) Beschluss ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits – durch Übergabe der schriftlichen Fassung an die Geschäftsstelle zur Ausfertigung (RIS‑Justiz RS0096901 und RS0091907) – erlassen worden (vgl dazu Lewisch, WK‑StPO Vor §§ 352–363 Rz 33 f und [im gegebenen Zusammenhang] Oberressl, ÖJZ 2020, 815 [827 bei FN 110 bis 112 je mwN).

[8] Auf der Basis des zuvor Gesagten ist damit der Schuldspruch des Genannten auch gegenüber dem (weiterhin) belangten Verband – wie auch gegenüber allen übrigen Anfechtungsberechtigten – in Rechtskraft erwachsen. Die Begehung der (konkreten) strafbaren Handlungen durch den Verurteilten ist dadurch auch für den Verband absolut, somit gegenüber jedermann (also auch dem Strafgericht), bindend konstatiert. Er kann sich aus diesem Grund – vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens (§§ 353 ff StPO; vgl dazu im gegebenen Zusammenhang Oberressl in Birklbauer/Oberressl/Wiesinger, VbVG § 15 Rz 62 ff) – gegenüber niemandem (mehr) darauf berufen, dass der Verurteilte sie tatsächlich nicht begangen hätte (13 Os 64/17m, vgl RIS‑Justiz RS0112232).

[9] Bei – hier gegebener – Kompatibilität des (angefochtenen) Verbandsurteils mit dem (inzwischen rechtskräftig gewordenen) Schuldspruch der natürlichen Person bedeutet diese Bindung im Rechtsmittelverfahren eine Einschränkung der Anfechtungslegitimation (und der amtswegigen Überprüfbarkeit) in Bezug auf das Verbandsurteil: Die Begehung der (konkreten) mit Strafe bedrohten Handlung(en) durch die natürliche Person ist nicht mehr zulässiger Gegenstand der Anfechtung (und der amtswegigen Prüfung) des Ausspruchs über die Verbandsverantwortlichkeit (RIS‑Justiz RS0133675, vgl auch RS0131120 [insbesondere T1]).

[10] Ihrem Inhalt nach bekämpft die Nichtigkeitsbeschwerde das Verbandsurteil nur insoweit, als es die Verantwortlichkeitsvoraussetzung (§ 3 Abs 2 VbVG) der – wie dargelegt bereits durch den rechtskräftigen Schuldspruch des Mag. S* bindend konstatierten – tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Begehung der betreffenden (Anknüpfungs‑)Taten bejaht.

[11] Sie war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[12] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[13] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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