OGH 13Os128/05f

OGH13Os128/05f15.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Februar 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Pierre H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Thomas B***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 25. August 2005, GZ 440 Hv 1/05g-84, nach Anhörung der Generalprokuratur und Äußerung des Verteidigers (§ 35 Abs 2 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Thomas B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche der Angeklagten Pierre H***** und Manuel F***** enthält, wurde der Angeklagte Thomas B***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A.) schuldig erkannt. Danach hat er am 31. Dezember 2004 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Pierre H***** als Mittäter (§ 12 StGB) mit Gewalt gegen die Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) Norbert H***** eine fremde bewegliche Sache, nämlich 160 Euro Bargeld mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Pierre H***** dem Genannten zurief „Gib dein Geld her! Ich mach dich kalt! Ich bringe dich um!" und ihm Faustschläge und Fußtritte versetzte, Thomas B***** von der Seite her auf Norbert H***** eindrang und dieser Pierre H***** nach neuerlicher Geldforderung den angeführten Geldbetrag übergab, wobei Norbert H***** durch die ausgeübte Gewalt, die eine Schädelprellung, eine Rissquetschwunde über dem linken Auge sowie eine Hautabschürfung im Bereich der linken Hüfte zur Folge hatte, „am Körper leicht verletzt" wurde.

Die Geschworenen hatten - unter Ausklammerung einer Mitwirkung des Angeklagten Manuel F***** und einer qualifizierenden schweren Verletzung - die den Angeklagten Thomas B***** betreffende, auf das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter SatzStGB gerichtete Hauptfrage 2 bejaht und demgemäß die dazu in Richtung einer Tatbeteiligung nach § 12 dritter Fall StGB gestellte Eventualfrage 1 unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte Thomas B***** bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 345 Abs 1 Z 4, 6, 8, 9, 10a, 11 lit a und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.

Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert, dass die Zeugin Michaela H***** unvollständig, die Zeugen Sabrina Ö*****, Janine W***** und Robert G***** gar nicht „über ihr Entschlagungsrecht belehrt wurden". Dazu enthält die Beschwerde aber keine deutliche und bestimmte Bezeichnung der für ein Zeugnisbefreiungsrecht erforderlichen Sachverhaltsgrundlage (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO; 13 Os 156/99 ua; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 223).

Dem Zeugen Robert G***** stand übrigens kein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO zu; er hatte bereits früher bei seiner gerichtlichen Vernehmung (nach Belehrung gemäß § 152 Abs 1 Z 1 StPO) die Annahme von Beutegeld zugestanden (ON 36). Mit der bloßen Wiederholung jener Selbstbezichtigung war keine Gefahr einer Selbstbelastung mehr verbunden (13 Os 109/00 ua; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 226 und JBl 2000, 302).

Die Fragenrüge (Z 6) wendet sich gegen das Unterbleiben von Eventualfragen in Richtung der Vergehen der schweren Körperverletzung nach „§§ 83, 84 StGB" und der gefährlichen Drohung nach „§ 107 StGB" sowie des Verbrechens der schweren Nötigung nach „§§ 105, 106 StGB", jeweils auch in der Entwicklungsstufe des Versuches nach § 15 StGB und der Beteiligungsform nach § 13 dritter Fall StGB. Gegenstand von Eventualfragen ist ein von jenem der Hauptfrage abweichendes Tatgeschehen, welches - rechtlich konsequent - die Subsumtion des Prozessgegenstandes unter eine oder mehrere andere als jene strafbaren Handlungen zur Folge hätte, auf die sich die Hauptfrage bezogen. Prozessförmig vorgebrachte Kritik am Unterlassen von Eventualfragen muss sich demnach auf ein solches Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung berufen und jene strafbaren Handlungen nennen, nach denen eventualiter hätte gefragt werden sollen (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 43 f; 15 Os 115/04). Weshalb die jegliche Tatbeteiligung bestreitende Verantwortung des Angeklagten und die Depositionen des Zeugen Norbert H*****, der Angeklagte sei einige Meer von ihm entfernt gestanden und habe nicht auf ihn eingeschlagen, Anlass für die vermissten Eventualfragen gewesen sein sollten, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig wird deutlich, warum sich aus den Angaben der Zeugin Sabrina Ö***** ein von den Sachverhaltsgrundlagen der Hauptfrage abweichendes Tatsachensubstrat ergeben sollte.

Der Einwand mangelnder Konkretisierung der Hauptfrage geht nicht vom gesamten in der Frage angeführten Sachverhalt aus.

Die Instruktionsrüge (Z 8) orientiert sich mit der Behauptung einer irreführend unvollständigen Rechtsbelehrung nicht an deren Inhalt, der sowohl die Unterscheidung von Mittäterschaft und Beitragstäterschaft als auch das Erfordernis einer tatbestandskonformen Ausführungshandlung umfasst (Beilage ./C zu ON 83, S 3 f, 8). Fehler der Fragestellung können aus Z 9 nicht erfolgreich gerügt werden (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 76). Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofes gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen. Der Beschwerdeführer zieht - teils isoliert - Aussagen des Mitangeklagten Pierre H***** und der Zeugen Norbert H*****, Robert G***** und Sabrina Ö***** sowie seine eigene Verantwortung heran und knüpft daran eigene Beweiswerterwägungen, indem er ihm ungünstige Verfahrensergebnisse (vgl S 421/I, 13, 61, 217/II) außer Betracht lässt.

Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) und die auf eine Tatbeurteilung in der Beteiligungsform nach § 12 dritter Fall StGB abzielende Subsumtionsrüge (Z 12) orientieren sich mit der Behauptung fehlender Feststellungen zur Ausführungshandlung nicht an dem auch die Konstatierung eines gemeinschaftlichen Umringens des Tatopfers beinhaltenden Wahrspruch der Geschworenen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung des Verteidigers bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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