OGH 13Os115/92

OGH13Os115/9214.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Juli 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Schindler, Mag.Strieder und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hatvagner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas H***** und weitere Angeklagte wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1, zweiter Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Andreas H***** und Herbert G***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 30.Juli 1992, GZ 6 Vr 169/92-26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, des Angeklagten Andreas H***** und der Verteidiger Dr.Sauer-Nordendorf und Dr.Carli, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Herbert G*****, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Andreas H***** wird dahin Folge gegeben, daß bei diesem Angeklagten, gemäß dem § 295 Abs. 1 StPO aber auch bei den Angeklagten Christian G***** und Herbert G*****, die die Berufung überhaupt nicht bzw. nicht in dieser Richtung ergriffen haben, gemäß dem § 43 a Abs. 1 StGB ein Teil der verhängten Geldstrafen, nämlich jeweils 90 (neunzig) Tagessätze, unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen wird.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten Andreas H***** und Herbert G***** auch die Kosten des Verfahrens über ihre Rechtsmittel zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 27.Jänner 1972 geborene Maschinenschlosser Andreas H*****, der am 25.Mai 1972 geborene (damalige) Präsenzdiener Christian G***** und der am 3.August 1971 geborene Maschinist Herbert G*****, die des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach dem § 202 Abs. 1 StGB angeklagt waren, des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie am 16.November 1991 in Kaindorf im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken als unmittelbare Täter der Margit G***** die persönliche Freiheit dadurch entzogen, daß sie diese in eine Toilette (Klo-Kabine) einsperrten, am Körper festhielten und sie durch Verstellen des Ausgangs am Verlassen der Kabine hinderten.

Nach den hiezu getroffenen wesentlichen Urteilsfeststellungen hielten sich die - nach dem Genuß von Bockbier nicht unerheblich alkoholisierten - drei Angeklagten am 16.November 1991 gegen 21.30 Uhr ebenso wie Margit G*****, die das Lokal gemeinsam mit ihrem Freund besucht hatte, in einer Diskothek in Kaindorf auf. Als Margit G***** die Damentoilette aufsuchen wollte, stänkerten sie die drei Angeklagten beim Vorbeigehen an, folgten ihr sodann auf die Toilette und drängten sie anschließend in eine WC-Kabine, die von einem der drei Angeklagten, der der Person nach nicht festgestellt werden konnte, von innen versperrt wurde. Der Angeklagte H***** drückte das Mädchen (ihr damaliges Alter von 16 Jahren wird im Urteil nicht festgestellt) auf den WC-Deckel und machte sodann die Äußerung: "Die packen wir heute" und - als sich die beiden anderen Angeklagten über diesen Ausspruch lustig machten - weiters noch: "Jetzt stecken wir ihn Dir rein".

Margit G***** verwahrte sich energisch gegen das Vorgehen der drei Angeklagten und ersuchte, in Ruhe gelassen zu werden, doch konnte sie sowohl wegen der Verriegelung als auch infolge des Umstandes, daß alle drei Angeklagten vor ihr standen, nicht flüchten. Als sie darauf dem Angeklagten Herbert G***** gegen den Geschlechtsteil trat, ergriff sie dieser mit einer Hand an den Lenden, steckte den anderen Arm durch die Beine des Mädchens und hob es hoch, wobei sich seine Faust oder Hand aber nicht im Bereich des Geschlechtsteiles des Mädchens befunden hat. Während Herbert G***** und Christian G***** sodann von weiteren Tätlichkeiten Abstand nahmen, öffnete und schloß der Angeklagte H***** kurzfristig seinen Hosenschlitz, ohne aber seinen Geschlechtsteil herauszunehmen oder zu zeigen. Schließlich gelang es dem Mädchen, Herbert G***** zur Seite zu stoßen und die WC-Tür aufzusperren. Die Dauer der Belästigung betrug etwa zwischen drei und fünf Minuten (US 5 f), wobei der Betroffenen die Behinderung der Bewegungsfreiheit zum Bewußtsein kam und als Freiheitsentziehung empfunden wurde (US 9 f).

Rechtliche Beurteilung

Während der Angeklagte Christian G***** den Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ließ, wird er von den Angeklagten Andreas H***** und Herbert G***** mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden bekämpft, die beide Angeklagten auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. a StPO, der Angeklagte H***** auch noch auf jenen der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO stützen.

Den Mängelrügen (Z 5) kommt keine Berechtigung zu.

Die Angeklagten haben im gemeinsamen Zusammenwirken der Zeugin Margit G***** die persönliche Freiheit dadurch entzogen, daß sie die Genannte in eine Toilette (Klo-Kabine) einsperrten, am Körper festhielten und sie durch Verstellen des Ausganges am Verlassen der Kabine hinderten (Urteilsspruch, US 6 und 9).

Damit ist die von den Beschwerdeführern bekämpfte Konstatierung, daß die Angeklagten die Zeugin in die WC-Kabine drängten (vgl. US 5), nicht entscheidungswesentlich, weil sie die den Gegenstand des Schuldspruches bildende Tathandlung nicht berührt.

Dem Vorbringen in den Beschwerden zuwider findet die Urteilsfeststellung, daß von einem der Angeklagten die WC-Türe von innen verriegelt wurde (US 6), in der Aussage der Zeugin Margit G***** ihre durchaus zureichende Begründung (vgl. S 7, 32 und 147). Abgesehen davon trifft auch dieser Ausspruch des Gerichts keine entscheidende Tatsache, weil dieses Verriegeln der Türe, zusätzlich zum Verstellen des Ausganges durch die Angeklagten, zur Erfüllung des Tatbestandes nicht erforderlich ist.

Mit dem Vorbringen in den Mängelrügen, daß dieses Verhalten der Angeklagten nur ein übler Scherz gewesen sei und sie eine Anzeige nur auf Andringen dritter Personen gemacht habe, hat sich das Gericht auseinandergesetzt (vgl. US 8), sodaß die behauptete Unvollständigkeit nicht vorliegt. Schließlich ist auch die Behauptung in der Mängelrüge des Angeklagten Herbert G*****, die im Urteil als erwiesen angenommene Äußerung des Angeklagten Andreas H*****: "Die packen wir heute" (US 5), finde im Beweisverfahren keine Deckung, im Hinblick auf die Aussage des Angeklagten H***** (vgl. S 11, 34 und 98) unbegründet.

Mit seiner Tatsachenrüge (Z 5 a) wendet sich der Angeklagte Andreas H***** lediglich gegen die Glaubwürdigkeit der Aussage der Zeugin Margit G*****. Aktenkundige Umstände, die gegen die Richtigkeit der Angaben der genannten Zeugin sprächen, werden nicht aufgezeigt und liegen auch nicht vor. Damit unternimmt der Beschwerdeführer der Sache nach nur den im schöffengerichtlichen Verfahren (nach wie vor) unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen.

In ihren Rechtsrügen (Z 9 lit. a) vertreten die beiden Beschwerdeführer die Ansicht, daß der festgestellte Sachverhalt schon die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem zweiten Fall des § 99 Abs. 1 StGB im Hinblick auf die relativ kurze Zeit der Behinderung der Bewegungsfreiheit der Margit G***** nicht erfülle.

Die Rügen versagen.

Weder das Gefangenhalten noch die sonstige Freiheitsentziehung setzen nämlich eine bestimmte Mindestdauer voraus. Allerdings muß die Behinderung der Bewegungsfreiheit, damit von einem Gefangenhalten oder einer diesem (quantitativ und qualitativ) annähernd gleichwertigen sonstigen Freiheitsentziehung gesprochen werden kann, immerhin von gewisser Dauer sein, wobei deren Ausmaß von den Umständen des Einzelfalles abhängt. Wohl ist nach der Rechtsprechung dem Erfordernis einer gewissen Dauer bei einer Freiheitsentziehung zumeist erst ab mehreren Minuten entsprochen, doch kommt der Dauer der Freiheitsentziehung im Einzelfall umsoweniger entscheidende Bedeutung zu, je gravierender die Umstände der Tat nach deren Art und Gewichtigkeit sind, sodaß unter Umständen auch eine kurzfristige Beschränkung der Bewegungsfreiheit genügen kann (JBl. 1982, 269). Insbesondere kann bei einer mit sexueller Belästigung verbundenen Beschränkung der Bewegungsfreiheit bereis eine Dauer von 2 bis 3 Minuten als genügend angesehen werden (vgl. Leukauf-Steininger3, RN 8 und 8 a; Kienapfel, BT I3, RN 15; Mayerhofer-Rieder3, E 3 je zu § 99 StGB).

Damit erfüllt das Festhalten Margit G***** in einer beengten und unwirtlichen Räumlichkeit (WC-Kabine) durch Aufstellen der drei Angeklagten vor Margit G***** zur Verhinderung eines Zugangs zur WC-Tür in Verbindung mit sexueller Belästigung durch den Angeklagten H***** (obszöne Bemerkungen, Öffnen des Hosenschlitzes) und auch einem tätlichen Angriff durch den Angeklagten Herbert G***** trotz des festgestellten relativ kurzen Zeitraumes von drei bis fünf Minuten, in dem diese Tathandlungen verübt wurden, den objektiven Tatbestand des zweiten Deliktsfalles des § 99 StGB, zumal die Freiheitsentziehung dem Opfer auch bewußt wurde (US 9, vgl. Leukauf-Steininger3, aaO, RN 9). Soweit die Angeklagten H***** und Herbert G***** unter Berufung auf die gegenüber ihren früheren Angaben abgeschwächte Aussage der Zeugin G***** in der Hauptverhandlung, wonach sie nunmehr den Vorgang als "blöden Bubenscherz" auffasse, bereits das Vorliegen der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen mangels Bewußtwerdens der Freiheitsentziehung für die Betroffene bestreiten, sind die Rechtsrügen mangels Festhaltens an den Urteilsfeststellungen nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Unbegründet ist schließlich auch der Vorwurf, daß Feststellungen zur subjektiven Tatseite fehlten. Denn das Erstgericht konstatierte in diesem Zusammenhang, daß nach dem Ruf des Erstangeklagten H*****, Margit G***** nun zu "packen", alle drei Angeklagten das Einvernehmen herstellten und alle drei gemeinsam das Mädchen in die WC-Zelle drängten und sie dort in weiterer Folge bedrängten (US 9). Damit wird aber eine auf einen gemeinsamen Willensentschluß zurückgehende vorsätzliche Aktion konstatiert; ein solches vorsätzliches Handeln ergibt sich auch aus dem festgestellten Vorgehen der Angeklagten (vgl. US 5). Da dieses Delikt mit jedem Vorsatz verübt werden kann, liegen somit auch ausreichende Konstatierungen zum subjektiven Tatbestand vor.

Das Erstgericht verhängte über die Angeklagten Andreas H*****, Herbert G***** und Christian G***** nach dem § 99 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 37 StGB eine Geldstrafe von je 180 Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Die Höhe des Tagessatzes wurde beim Angeklagten Andreas H***** mit 250 S, beim Angeklagten Herbert G***** mit 200 S und beim Angeklagten Christian G***** mit 60 S bestimmt. Bei der Strafbemessung war erschwerend kein Umstand, mildernd hingegen ihr Alter unter 21 Jahren, ihre bisherige Unbescholtenheit und eine gewisse Enthemmung durch Alkohol.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten Andreas H***** und Herbert G***** jeweils eine Herabsetzung der Zahl der Tagessätze, H*****örtner überdies eine Reduzierung der Höhe des einzelnen Tagessatzes und die bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht an.

Die Berufung des Angeklagten H***** ist teilweise berechtigt.

Zwar kann die Anzahl der vom Erstgericht über die Angeklagten H***** und Herbert G***** verhängten Tagessätze bei sorgfältiger Würdigung der von den Tatrichtern im wesentlichen richtig und vollständig festgestellten Strafzumessungsgründen unter Bedacht auf den Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat nicht als überhöht bezeichnet werden. Auch kann dem Berufungswerber H***** im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse und Leistungsfähigkeit nach dem sog. Einbuße-Prinzip (vgl. Leukauf-Steininger, Komm.3, § 19 RN 10) der vom Erstgericht bestimmte Tagessatz durchaus zugemutet werden. Gegen eine bedingte Nachsicht der gesamten Geldstrafe spricht die spezial- und generalpräventiv erforderliche Effektivität der Strafe.

In diesem Umfange war den Berufungen daher ein Erfolg zu versagen.

Soweit der Angeklagte H***** jedoch eine teilbedingte Nachsicht der Geldstrafe anstrebt, kommt der Berufung Berechtigung zu. Bei Bedachtnahme darauf, daß eine einmalige Verfehlung des bisher unbescholtenen und sozial voll integrierten Angeklagten vorliegt, somit eine günstige Verhaltensprognose besteht und im Hinblick auf die Aussage der Zeugin Margit G***** auch anzunehmen ist, daß der soziale Störwert der Tat nicht allzusehr ins Gewicht fällt, war der aus dem Spruch ersichtliche Teil der Geldstrafe nach dem § 43 a Abs. 1 StGB bedingt nachzusehen. Gemäß dem § 295 Abs. 1 StPO war auch bei den Angeklagten Christian G***** und Herbert G*****, die Berufung überhaupt nicht bzw. nicht in dieser Richtung ergriffen haben, denen jedoch alle diese oben angeführten Gründe auch zustatten kommen, in diesem Sinne zu entscheiden.

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