OGH 13Os114/96

OGH13Os114/9618.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.September 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Klotzberg als Schriftführerin, im Verfahren zur Unterbringung des Hartwig E***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11.April 1996, GZ 20 c Vr 9.692/95-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Schroll und des Verteidigers Dr.Kollaritsch jedoch in Abwesenheit des Betroffenen zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Hartwig E***** über Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Darnach liegt ihm zur Last, am 30.August 1995 unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistig seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustandes

1) in Wien durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) und unter Verwendung einer Waffe dem Taxilenker Anton S*****, indem er ihm einen geladenen Gasrevolver anhielt und wiederholt laut schrie: "raus, raus, raus!", diesem das von ihm gelenkte Taxi mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz abgenötigt, und

2) in Traiskirchen die Sicherheitswachebeamten der Bundespolizeidirektion Wien RI A***** und RI R***** als Besatzung eines Streifenwagens mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Anhaltung des zu Punkt 1) beschriebenen Fahrzeuges und seiner Festnahme dadurch zu hindern versucht zu haben, daß er mehrmals auf den eindeutig als Einsatzfahrzeug zu erkennenden Streifenwagen losfuhr, sodaß der Lenker desselben lediglich durch heftiges Verreißen und Auslenken einen Zusammenstoß verhindern konnte,

somit Taten begangen zu haben, die ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen des Raubes nach §§ 142 Abs 1 und 143 zweiter Fall StGB sowie als Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB, die jeweils mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedroht sind, zuzurechnen wären.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 345 Abs 1 Z 6, 8 und 11 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen dieses Urteil erweist sich als nicht berechtigt.

Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z 6) behauptet der Beschwerdeführer in Ansehung der Hauptfrage 2 eine Verletzung der Bestimmung des § 312 Abs 2 StPO, weil die Problemstellung, ob er die Anhaltung des Kraftfahrzeuges durch die Polizeibeamten oder seine Festnahme zu verhindern suchte, zu Unrecht in einer einzigen Frage zusammengezogen worden seien.

Die Fragestellung ist jedoch ohne Mangel.

Die auf das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt gerichtete Hauptfrage 2 entspricht der Fassung der Anklage, an die der Schwurgerichtshof bei der Gestaltung des Fragenschemas grundsätzlich gebunden ist (Mayerhofer/Rieder, StPO3 § 312 E 3). Nur dann wäre er nicht zur Stellung von Hauptfragen iSd Anklage verhalten, wenn die Anklage rechtlich verfehlt wäre, wobei insbesondere die Fragestellung nach einer konsumierten Straftat zu unterbleiben hätte. Dieser Sonderfall liegt aber hier nicht vor; denn ob die Amtshandlung, gegen die sich der Widerstand richtete, die Anhaltung des Betroffenen oder auch dessen Festnahme bezweckte, ist für die Frage der Widerstandsleistung ohne Belang.

Der Instruktionsrüge (Z 8), mit der der Beschwerdeführer die den Geschworenen zur Hauptfrage 1) nach dem Verbrechen des Raubes erteilte Rechtsbelehrung über das Tatbestandsmerkmal der Zueignung als unvollständig reklamiert, ist entgegenzuhalten, daß von einer Unrichtigkeit der Belehrung nur dann gesprochen werden kann, wenn sie eine erhebliche sachliche Unrichtigkeit enthält oder so undeutlich und widerspruchsvoll ist, daß die Geschworenen bei der Beurteilung wesentlicher Rechtsbegriffe irregeleitet werden konnten (vgl uva Mayerhofer-Rieder StPO3 § 345 Z 8 E 9 a). Davon kann vorliegendenfalls keine Rede sein. Die vom Beschwerdeführer vermißte Abgrenzung zum vorübergehenden (gemeint ersichtlich: unbefugten) Gebrauch (von Fahrzeugen iSd § 136 StGB) bzw zur dauernden Sachentziehung (nach § 135 StGB) war angesichts der rechtsrichtigen Umschreibung des Begriffes "Zueignung" als Entziehung einer Sache aus Gewinnsucht (= Bereicherungsvorsatz), um über sie für immer oder jedenfalls für längere Zeit unter Ausschluß des Berechtigten im wirtschaftlichen Sinn zu verfügen, nicht erforderlich. Daß aber der Vorsatz auf Bereicherung durch Sachzueignung im Augenblick des Gewahrsamsbruches gegeben sein muß, ist der Rechtsbelehrung insgesamt mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.

Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) zum Faktum des Widerstandes gegen die Staatsgewalt hinwiederum verfehlt ihre prozeßordnungsgemäße Darstellung schon deshalb, weil nach dem Wahrspruch der Geschworenen die Amtshandlung der Sicherheitswachebeamten nicht allein in der nach Auffassung des Beschwerdeführers als solche nicht zu wertenden Anhaltung des Fahrzeuges, sondern auch in der beabsichtigten Festnahme gelegen ist.

Soweit im Rahmen der Berufungsausführungen die Beantwortung der Frage vermißt wird, "was konkret nach Ansicht des Gerichtes eine strafbedrohte Tat mit schweren Folgen ist", wird der Sache nach der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 13 StPO releviert (Leukauf/Steininger Komm3 § 21 RN 17). Indes zu Unrecht, wird dabei doch übersehen, daß das Geschworenengericht durch den Hinweis auf die massive Vorstrafenbelastung des Betroffenen wegen Aggressions- und Eigentumsdelikten und auf die (mit Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn bzw bis zu drei Jahren bedrohten) Anlaßtaten (des Verbrechens des schweren Raubes und des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt), hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, von welchen zu befürchtenden Straftaten es bei der Prognosebeurteilung ausgegangen ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit teils als unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt zu verwerfen.

Aber auch die auf die Aufhebung der Einweisungsentscheidung gerichtete Berufung ist unbegründet.

Der Einwand, die Gefährlichkeitsprognose sei nicht in der vom Gesetz gebotenen Weise erbracht worden, läßt nicht erkennen, worin eine solche Gesetzesverletzung gelegen sein soll. Nach Prüfung der Akten an Hand des Berufungsvorbringens erweist sich vielmehr die vom Geschworenengericht prognostizierte Gefährlichkeit als formell mängelfrei und sachlich zutreffend begründet. Da auch die übrigen für eine Einweisung nach § 21 Abs 1 StGB erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, war der Berufung ein Erfolg zu versagen.

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