OGH 13Os113/14p

OGH13Os113/14p22.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Jänner 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑ Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaltenbrunner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef S***** wegen des Vergehens des Landfriedensbruchs nach § 274 Abs 1 und 2 erster Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Juli 2014, GZ 112 Hv 37/14b‑130, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00113.14P.0122.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef S***** des Vergehens des Landfriedensbruchs nach § 274 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (I), mehrerer Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (II) sowie des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 und 7 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er am 24. Jänner 2014 in Wien

(I) wissentlich an einer Zusammenrottung einer jedenfalls mehr als 100 Personen umfassenden (US 4) Menschenmenge führend teilgenommen, die darauf abzielte, dass unter ihrem Einfluss Körperverletzungen (§§ 83 bis 87 StGB) und eine schwere Sachbeschädigung (§ 126 StGB) begangen werden, indem er andere Teilnehmer dieser Zusammenrottung anwies, Polizeibeamte mit Gegenständen zu bewerfen, und selbst im Rahmen der Zusammenrottung mehrere Gewalttaten (II und III) setzte, wobei zehn Polizeibeamte verletzt und Sachschäden im Gesamtausmaß von rund 500.000 Euro verursacht wurden,

(II) mehrere Polizeibeamte während und wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben oder der Erfüllung ihrer Pflichten vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht (§ 15 StGB), indem er sie mit Gegenständen bewarf, und

(III) im einverständlichen Zusammenwirken mit mehreren Mittätern (§ 12 erster Fall StGB) fremde Sachen, darunter auch solche, die der öffentlichen Sicherheit dienen, zerstört sowie beschädigt und dadurch einen 3.000 Euro übersteigenden Schaden von rund 19.000 Euro herbeigeführt, indem er eine Fensterscheibe, die Glaseinsätze der Eingangstür einer Polizeiinspektion sowie die Windschutzscheibe und die Seitenscheiben eines Polizeifunkwagens einschlug, mit einer Eisenstange gegen dessen Karosserie schlug und eine gezündete Rauchbombe in das Innere des Funkwagens warf.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Bezugspunkt der Mängelrüge ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also ‑ soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden von der Beschwerde nicht angesprochen) ‑ über schuld‑ oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS‑Justiz RS0106268). Hievon ausgehend nennt das Gesetz fünf Kategorien von Begründungsfehlern, die Nichtigkeit aus Z 5 nach sich ziehen:

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn ‑ nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht ‑ nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0117995 [insbesondere T3 und T4]).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS‑Justiz RS0118316).

Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nebeneinander bestehen können (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 438). Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen (15 Os 51/04, SSt 2004/43; RIS‑Justiz RS0119089).

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (14 Os 72/02, SSt 64/39; RIS‑Justiz RS0116732 und RS0118317).

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112; RIS‑Justiz RS0099431).

Wo das Gesetz auf einen Vergleich der angefochtenen Entscheidung mit Verfahrensergebnissen abstellt (Z 5 zweiter Fall und Z 5 fünfter Fall), ist überdies der entsprechende Aktenbezug herzustellen, was bei ‑ wie hier ‑ umfangreichem Aktenmaterial die genaue Angabe der jeweiligen Fundstelle erfordert (RIS‑Justiz RS0124172).

An den dargestellten Kriterien prozessordnungskonformer Ausführung der Mängelrüge orientiert sich die Beschwerde nicht. Soweit das Vorbringen einer der Anfechtungskategorien des § 281 Abs 1 Z 5 StPO zuordenbar ist, sei entgegnet:

Das Erstgericht erörterte die Aussagen der Zeugen Christian F*****, Hartwig C*****, Christoph P*****, Patrick K*****, Isolde B*****, Andreas W*****, Sandra Z*****, Marc F*****, Manuel Fü*****, Martin J*****, Franz Sc*****, Manfred St*****, Gerhard F*****, Peter T*****, Christian M*****, Andreas Pr***** und Herbert Stu***** eingehend (US 9 bis 35).

Eine darüber hinausgehende Auseinandersetzung mit sämtlichen Details dieser Zeugenaussagen ist unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht erforderlich, sie würde vielmehr dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zuwiderlaufen (RIS‑Justiz RS0098377 [insbesondere T1, T7 bis T9, T12, T13, T15, T17, T20, T22 und T24]).

Mit dem Einwand, aus diesen Zeugenaussagen seien auch für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse ableitbar als die von den Tatrichtern gezogenen, wird Nichtigkeit aus Z 5 ebensowenig dargetan (RIS‑Justiz RS0099455) wie durch die Berufung auf den ‑ in § 14 StPO normierten, durch Art 6 Abs 2 MRK verfassungsrechtlich garantierten ‑ Zweifelsgrundsatz (RIS‑Justiz RS0102162).

Die in der Beschwerde wiedergegebenen Aussagen der Zeugen Florian Ra*****, Klaus N*****, Michael A*****, Johann B*****, Freddy L***** sowie Andrea Ste***** lassen keinen Bezug zu schuld‑ oder subsumtionsrelevanten Umständen erkennen und waren deswegen nicht eröterungsbedürftig im Sinn der Z 5 zweiter Fall.

Soweit sich die Beschwerde auf angebliche Aussagen der Zeugen E*****, Pu*****, Zw*****, Ran*****, An*****, Ram*****, B*****, Ag*****, Za*****, Ri*****, Bu*****, K***** und Ö***** stützt, entzieht sie sich mangels Aktenbezugs einer inhaltlichen Erwiderung.

Im Übrigen erschöpft sich die Rüge darin, aus isoliert herausgegriffenen Details der ‑ vom Erstgericht vollständig erörterten (Z 5 zweiter Fall), den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend gewürdigten (Z 5 vierter Fall) ‑ Verfahrensergebnisse in Verbindung mit spekulativen Überlegungen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse abzuleiten und wendet sich damit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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