Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 21. September 1966 geborene HTL-Schüler Bernhard S*** wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. (1) und des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und 2 Z. 1 StGB. (2) schuldig erkannt. Darnach hat er am 3. September 1985 in Schwechat/Rannersdorf Hubert W*** durch 31 Stiche mit einem Fixiermesser in die linke Brustkorbseite, die linke obere Rückengegend und Nackenseite sowie durch mindestens drei Hammerschläge gegen den Kopf vorsätzlich getötet (1) und in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Jugendlichen Andreas H*** als Diebsgenosse dem Hubert W*** zwei Decken im Wert von ca. 100 S gestohlen (2).
Die Geschwornen hatten die beiden Hauptfragen nach Mord und Diebstahl jeweils stimmeneinhellig bejaht. Demgemäß sind die Eventualfragen (2 bis 5) wegen Totschlags, absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge, Körperverletzung mit tödlichem Ausgang und räuberischen Diebstahls mit Todesfolge unbeantwortet geblieben.
Rechtliche Beurteilung
Der Schuldspruch wegen Mordes (1) wird vom Angeklagten mit einer auf § 345 Abs 1 Z. 6, 8 und 12 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.
Als nach § 345 Abs 1 Z. 6 StPO., sachlich primär nach der Z. 8 nichtig rügt der Beschwerdeführer, daß die Geschwornen infolge unrichtiger bzw. unvollständiger Rechtsbelehrung nicht auf sein Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung eingegangen seien, wonach er zunächst bloß mit Mißhandlungs- (oder Verletzungs-)Vorsatz mit einem Nudelwalker und einem Hammer auf W*** eingeschlagen habe, um ihn zu betäuben, und erst, nachdem der letzte Hammerschlag bereits zu dessen Tod geführt hätte, auf diesen mit Tötungsvorsatz eingestochen habe.
Inwieweit einer solchen Fallgestaltung durch eine zusätzliche Fragestellung hätte Rechnung getragen werden sollen, wird in der Beschwerde nicht dargetan. Welche der mehreren Angriffsakte der Nichtigkeitswerber mit Tötungsvorsatz unternommen hat und welche für den Tod des W*** ursächlich gewesen sind, konnte von den Geschwornen nicht auf Grund von Eventual- und Zusatzfragen (§§ 313, 314 Abs 1, 316 StPO.), sondern nur in Beantwortung der Hauptfrage 1, allenfalls unter Heranziehung der eine bloß teilweise Bejahung von Fragen ermöglichenden Bestimmung des § 330 Abs 2 StPO., entschieden werden.
Auch ein Fehler der schriftlichen Rechtsbelehrung (§ 321 Abs 2 StPO.) ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich. Ist doch darin den Geschwornen ausdrücklich dargelegt worden, daß der für die Deliktsverwirklichung erforderliche Vorsatz - also bei Mord oder Totschlag der Tötungsvorsatz - beim Täter im Augenblick der Tathandlung vorhanden und diese (im Sinn der Äquivalenztheorie) für den Tod ursächlich sein muß (Beilage C Band II ON. 37 S. 1, 3 und 4). In der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte zwar dahin verantwortet, dem W*** zunächst ohne Tötungsvorsatz Schläge auf den Hinterkopf und - der Darstellung des Andreas H*** zuwider - erst dann 31 Messerstiche versetzt zu haben. Es sind jedoch keine Tatsachen vorgebracht worden, nach denen W*** zur Zeit der Messerstiche schon tot gewesen wäre. Laut in der Hauptverhandlung ergänztem Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen hat W***, wenngleich vom medizinischen Standpunkt aus der genaue Eintritt des Todes und die zeitliche Reihenfolge der Angriffshandlungen nicht mit Sicherheit bestimmt werden können, sowohl während der Messerstiche als auch während der Hammerschläge noch gelebt (Band II S. 145 f.). Dem Angeklagten wäre folglich Mord auch dann zuzurechnen, wenn sein Vorsatz erst in der letzten Phase des Geschehens - seiner Version nach beim Zustechen mit dem Fixiermesser - auf eine Tötung des Opfers gerichtet gewesen sein sollte.
Daran ändert nichts, daß laut gerichtsmedizinischem Gutachten der letzte Hammerschlag - ebenso wie auch die Herzstichverletzungen - schon für sich allein mit Sicherheit zum Tod des Verletzten führen mußte. Der Tod ist also durch das infolge der Gewalteinwirkung mit einem Hammer eingetretene Schädel-Hirn-Trauma und durch die Messerstichverletzungen des Herzens bewirkt worden (Band I S. 383, 415 f., Band II S. 146). Bei der Beurteilung der Kausalität kommt es auf den Erfolg in seiner konkreten Gestalt an. Der Ursächlichkeitszusammenhang ist deshalb auch dann zu bejahen, wenn der Erfolg von zwei oder mehreren gleichzeitig und unabhängig voneinander wirksamen Bedingungen herbeigeführt wurde, von denen jede denselben Erfolg auch für sich allein nach sich gezogen hätte ("kumulative Kausalität": Nowakowski im WK, Rz. 25 der Vorbemerkungen zu § 2 StGB.; Leukauf-Steininger 2 , RN. 24 der Vorbem. zu § 1 StGB.). Für die strafrechtliche Zurechnung der Tat des Angeklagten ist demnach nicht von entscheidender Bedeutung, ob der Tod des W*** schon durch ein dem mit Tötungsvorsatz gesetzten Deliktsakt unmittelbar vorangegangenes (wenigstens als Mißhandlung im Sinn des § 83 Abs 2 StGB. zu qualifizierendes) Verhalten des Angeklagten gleichfalls herbeigeführt worden wäre, sofern nur zwischen dem auf Tötung gerichteten Tun und diesem Erfolg eine naturgesetzmäßige Beziehung bestanden hat. Aus all dem folgt, daß es zur Vermeidung von Mißverständnissen der Geschwornen keiner auf das Vorbringen des Angeklagten in der Hauptverhandlung abstellenden weiteren Ausführungen zur Kausalitätsfrage in der schriftlichen Rechtsbelehrung bedurfte.
Unzutreffend ist auch der auf § 345 Abs 1 Z. 8 StPO. gestützte Einwand, die Rechtsbelehrung zur Eventualfrage 2 wegen Totschlags hätte zufolge ihrer Unvollständigkeit einen Irrtum der Geschwornen herbeiführen können. Dem Beschwerdevorbringen zuwider ist in der Rechtsbelehrung ohnedies bei der Hauptfrage 1 auf die Möglichkeit der Privilegierung einer im Affekt begangenen vorsätzlichen Tötung gemäß § 76 StGB. hingewiesen und darauf von den Geschwornen laut Niederschrift auch Bedacht genommen worden (S. 3 der Rechtsbelehrung und Beilage D Band II ON. 37). Die für Totschlag (§ 76 StGB.) wesentlichen Tatbestandsmerkmale wurden richtigerweise bei der Eventualfrage 2 erläutert.
Unter § 345 Abs 1 Z. 12 StPO. macht der Beschwerdeführer geltend, die dem Schuldspruch wegen Mordes (1) unterzogene Tat sei unrichtig subsumiert, weil im Wahrspruch Feststellungen fehlen, wonach er schon bei seinem tätlichen Angriff mit dem Nudelwalker und mit dem Hammer mit Tötungsvorsatz gehandelt habe und dieses sein Handeln für den Tod des W*** ursächlich gewesen sei. Aus dem Wortlaut des Verdikts in Verbindung mit der (zur Interpretation seines tatsächlichen Gehalts herangezogenen) Niederschrift gemäß § 331 Abs 3 StPO. ergibt sich indes, daß die Geschwornen als erwiesen angenommen haben, daß der Angeklagte sowohl die Hammerschläge gegen den Kopf als auch die 31 Stiche mit dem Fixiermesser gegen den Oberkörper mit dem beide Arten der Deliktsangriffe überspannenden generellen (SSt. 44/19) Vorsatz geführt hat, W*** zu töten (vgl. den Begriff des dolus generalis in der Bedeutung Hippels, Rittlers und Webers). Die Subsumtion unter § 75 StGB. entspricht sohin den im Wahrspruch getroffenen Konstatierungen.
Soweit der Beschwerdeführer schließlich davon ausgeht, der Tod des W*** sei bloß einem Mißhandlungsvorsatz entsprungen (§§ 83 Abs 2, 86 StGB.), weicht er vom tatsächlichen Substrat des Wahrspruchs ab und führt damit seine Rechtsrüge nicht prozeßordnungsgemäß aus.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28, 36 und 75 StGB. eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Jahren. Dabei waren erschwerend das Zusammentreffen von zwei Delikten und die Brutalität bei der Begehung des Mordes, mildernd hingegen der bis dahin ordentliche Lebenswandel des Angeklagten, sein Alter unter 21 Jahren, sein Geständnis vor der Polizei und vor dem Untersuchungsrichter und die Herabsetzung seiner Hemmungen durch Alkohol.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Minderung des Strafmaßes unter Anwendung des § 41 StGB. an. Auch dies zu Unrecht. Selbst wenn die Diebsbeute nur geringwertig war, trifft Mord mit Diebstahl zusammen. Die Brutalität der Bluttat steht bei Hammerschlägen gegen den Kopf des Opfers und der Vielzahl von Messerstichen gegen dessen Brust, Rücken und Nacken außer Frage. Zu Recht wird dazu im Ersturteil die aussagekräftige Passage aus dem psychologischen Gutachten zitiert (Band II S. 29, 147; 167), die den Angeklagten als neurotischen, leicht reizbaren Menschen, der eine massive Konfliktbereitschaft zeigt und zu Aggressionen neigt, schildert. Mit dem Begriff Gefühlsarmut hat das Gericht sichtlich einen Täter charakterisiert, den eine seltene Gefühlsroheit kennzeichnet.
Der hohe Grad des Verschuldens, der im Mord manifest geworden ist, bestimmt primär das Maß der Unrechtsfolge (§§ 4, 32 Abs 1 StGB.). Gemäß § 32 Abs 3 StGB. ist die Strafe umso strenger zu schöpfen, je rücksichtsloser der Täter seine Tat ausgeführt hat. Wenn nun das Geschwornengericht in einem Fall, in dem, wie hier, das arglose Opfer in seiner eigenen Wohnung von dem um seine Entlarvung als Dieb besorgten Mörder erschlagen und erstochen wurde, die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung ablehnte und die Strafe im Mittelbereich des verfügbaren Strafrahmens schöpfte, dann findet das - im Blick auf die zuvor angeführten, prinzipiellen Aussagen des Gesetzes - die Billigung des Obersten Gerichthofs.
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