OGH 13Os110/95

OGH13Os110/9520.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.September 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Tschugguel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karim S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Brandstiftung als Beteiligter nach §§ 12, 169 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 11 b E Vr 804/94 des Landesgerichtes Wr.Neustadt, über den Antrag des Kasim S***** auf Feststellung der im § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Für die durch die strafgerichtliche Anhaltung des Kasim S***** in der Zeit vom 24.Oktober 1994, 15.05 Uhr, bis 16.Jänner 1995, 16.50 Uhr, im Verfahren AZ 11 b Vr 804/94 des Landesgerichtes Wr.Neustadt entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile liegen die im § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen nicht vor.

Zur Entscheidung über die Beschwerde des Kasim S***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wr.Neustadt vom 3.Mai 1995, GZ 11 b E Vr 804/94-87, werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien (AZ 21 Bs 169/95) zugeleitet.

Text

Gründe:

Über den türkischen Staatsangehörigen Kasim S*****, der am 24.Oktober 1994 um 15.05 Uhr festgenommen worden war, wurde in der Folge aus den Haftgründen der Flucht- und Verdunkelungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 2 StPO die Untersuchungshaft verhängt. Er wurde dringend verdächtigt, die Verbrechen der Brandstiftung als Beteiligter seines Bruders Haydar S***** und des versuchten schweren Betruges nach §§ 12, 169 Abs 1; 15, 146, 147 Abs 3 StGB begangen zu haben. Der dringende Tatverdacht wurde mit dem Inhalt der Stellungsanzeige, die Fluchtgefahr mit der mutmaßlich bevorstehenden Strafe und den Auslandsbeziehungen des über erhebliche Vermögenswerte im Ausland verfügenden Beschuldigten begründet, die Verdunkelungsgefahr damit, daß Zeugen weder gerichtlich noch sicherheitsbehördlich vernommen waren, sodaß eine Beeinflussung derselben durch den leugnenden Beschuldigten anzunehmen wäre.

Nach Durchführung einer Haftverhandlung am 4.November 1994 wurde mit im wesentlichen gleicher Begründung die Fortsetzung der Untersuchungshaft angeordnet und die Wirksamkeit dieses Beschlusses bis längstens 4.Dezember 1994 ausgesprochen (ON 27).

Mit Beschluß vom 21.November 1994, AZ 22 Bs 514-517/94 (ON 49 des Vr-Aktes) gab das Oberlandesgericht Wien (ua) den Beschwerden gegen die vorgenannten Entscheidungen des Untersuchungsrichters nicht Folge, sprach aus, daß die Verhängung der Untersuchungshaft gesetzgemäß sei und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Verdunkelungsgefahr unter Benennung des Haftfristendes 23.Jänner 1995 an. Dabei bejahte es den dringenden Tatverdacht hinsichtlich der Brandstiftung unter Hinweis auf eine Mehrzahl dargelegter und zusammenhängender Indizien, verneinte aber den dringenden Tatverdacht in Richtung des versuchten schweren Betruges.

Ergänzend zu den angefochtenen Entscheidungen führte das Oberlandesgericht zu den Haftgründen aus, daß die Aufgabe des bisherigen Inlandsaufenthaltes durch den Beschwerdeführer, um der weiteren Strafverfolgung zu entgehen, aus (näher ausgeführten) Gründen in konkret vorstellbare Nähe gerückt sei und der mitbeschuldigte Bruder Haydar S***** sich von dem ungarischen Mädchen, welches er in der Tatnacht in seine Wohnung mitgenommen hatte, eine (falsche) Bestätigung seiner dauernden Anwesenheit erwartet hätte, sodaß in der Folge auch zugunsten des Kasim S***** eine Einwirkung auf Zeugen anzunehmen wäre.

Nach der am 16.Jänner 1995 durchgeführten Hauptverhandlung (ON 72) wurden Kasim und Haydar S***** von der Anklage des Verbrechens der Brandstiftung und des Vergehens des Versicherungsmißbrauches nach §§ 169 Abs 2, 151 Abs 1 Z 1 StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Die hierauf um 16.26 Uhr angeordnete Enthaftung wurde um 16.50 Uhr durchgeführt.

Der Freispruch erwuchs in Rechtskraft.

Rechtliche Beurteilung

Mit Beschluß vom 3.Mai 1995 (ON 87) lehnte das Landesgericht Wr.Neustadt einen Anspruch des Kasim S***** gemäß § 2 Abs 1 lit b StEG auf Entschädigung für die gesamte strafgerichtliche Anhaltung ab. Gegen diese Entscheidung erhob Kasim S***** Beschwerde an das Oberlandesgericht (ON 88) - über die noch nicht entschieden wurde - in der er im wesentlichen vorbringt, für die ersten vierzehn Tage seiner Anhaltung keine Entschädigung zu begehren, daß jedoch darüber hinaus die weitere Untersuchungshaft nach der Beweislage nicht gerechtfertigt gewesen sei, und führte in einem ergänzenden Schriftsatz unter Bezugnahme auf § 2 Abs 1 lit a StEG sinngemäß aus, daß der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 21.November 1994 (ON 49) über die Ablehnung der Haftbeschwerden des Beschuldigten Kasim S***** verfehlt war.

Eine gesetzwidrige Anordnung oder Verlängerung der Untersuchungshaft des Kasim S***** war indes nicht gegeben.

Denn der gegen Kasim S***** bestehende Tatverdacht war mit der oben erwähnten Einschränkung (hinsichtlich Betruges) bis zur Enthaftung, im Anschluß an den Freispruch, als dringend einzustufen, auch lag der durch gelindere Mittel nicht abwendbare Haftgrund der Fluchtgefahr vor. Dies hat das Oberlandesgericht Wien in seiner Beschwerdeentscheidung entsprechend dem seinerzeitigen Erhebungsstand (auf den abzustellen ist) auch detailliert und - entgegen den Behauptungen des Antragstellers - zutreffend dargelegt.

Daß dem Antragsteller selbst die aktenkonformen Indizien und Tatsachen, welche vom Oberlandesgericht denkrichtig verwertet wurden, nicht ausreichend erscheinen, um daraus einen dringenden Tatverdacht und eine nicht substituierbare Fluchtgefahr abzuleiten, vermag (objektiv) eine Gesetzwidrigkeit der Anhaltung in Untersuchungshaft ebensowenig zu begründen, wie sein Vorbringen, daß "danach (= nach der Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes) keinerlei Zeugen ausgeforscht bzw vernommen werden" konnten, sohin die Verdunkelungsgefahr sich (später) nicht bestätigt habe. Ist doch, wie schon ausgeführt, auf den Erhebungsstand im Zeitpunkt der als gesetzwidrig erachteten Entscheidung abzustellen.

Dem Antrag des Kasim S***** war sohin, soweit der Oberste Gerichtshof darüber zu befinden hatte (Mayerhofer/Rieder, Nebenstrafrecht3, ENr 2 a f zu § 6 StEG), ein Erfolg zu versagen. Über die noch unerledigte Beschwerde wird das bereits angerufene Oberlandesgericht Wien (AZ 21 Bs 169/95) zu befinden haben.

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