OGH 13Os101/10t

OGH13Os101/10t30.9.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. September 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Saadati als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann W***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann W***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. Mai 2010, GZ 024 Hv 12/10y-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Johann W***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann W***** der Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (A) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (C) sowie der - jeweils unter Ausnützung einer Amtsstellung (§ 313 StGB) begangenen - Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB (B/I) und der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB (B/II) schuldig erkannt.

Danach hat er

(A) nach dem 1. November 2005 in S***** als Kommandant der dortigen Polizeiinspektion mit dem Vorsatz, dadurch den Staat und Verfahrensbeteiligte an den Rechten auf ein objektives Ermittlungsverfahren durch unbefangene Organe sowie auf Aufnahme unverfälschter, verlässlicher Beweise unter Einhaltung des Gesetzes zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er im Zusammenhang mit einem gegen seinen Sohn Matthias W***** geführten Strafverfahren unter bewusster Verletzung der Bestimmungen des § 47 BDG und des § 7 AVG dem für die Ermittlungen zuständigen Beamten Franz G***** die Weisung erteilte, Vernehmungen nur in seiner (Johann W*****s) Anwesenheit durchzuführen, und - nachdem Franz G***** dies abgelehnt hatte - selbst eine Niederschrift über die Vernehmung seines Sohnes anfertigte, sie von diesem unterschreiben ließ und sodann dem Polizeibeamten Franz E***** zur Unterschrift als „vernehmender Beamter“ vorlegte,

(B) im Februar 2009 in S***** als Kommandant der dortigen Polizeiinspektion, sohin als Beamter, unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit,

I) in zehn Angriffen von im Urteilstenor namentlich genannten Beamten unterfertigte Dienstvorschreibungen und Dienstberichte mit dem Vorsatz verfälscht, dass sie in einem gegen den Beamten Christian P***** geführten Straf- oder Disziplinarverfahren zum Beweis der Erteilung von Dienstaufträgen gebraucht werden, und

II) mit derselben Intention in zwei Angriffen durch nachträgliche Änderung von ihm selbst unterfertigter Dienstvorschreibungen und Dienstberichte falsche Beweismittel hergestellt sowie

(C) am 6. Oktober 2009 in Wien die Beamten Robert K***** und Robert A***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt (§ 302 Abs 1 StGB) wissentlich falsch verdächtigte, indem er in einem vom Büro für interne Angelegenheiten geführten Ermittlungsverfahren über seinen Verteidiger einen Aktenvermerk vorlegte, in welchem er die genannten Beamten wahrheitswidrig der Manipulation einer vom Polizeibeamten Leopold S***** erstatteten Anzeige bezichtigte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Die Rüge fasst die Beschwerdepunkte nach Urteilsfakten getrennt zusammen. Aus Gründen der Übersicht folgt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs dieser Systematik.

Zum Schuldspruch A:

Die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt eine Verurteilung wegen des Vergehens der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach §§ 12 zweiter Fall, 311 StGB an und wendet dazu ein, dass die inkriminierte Aufforderung an Franz G***** keine Weisung, sondern nur der Wunsch des Beschwerdeführers gewesen sei, als Erziehungsberechtigter zur Vernehmung seines Sohnes beigezogen zu werden, und dass die Unterschrift Franz E*****s lediglich den Charakter der Beurkundung eines eingebrachten Schriftsatzes trage. Damit entfernt sie sich von den Urteilsannahmen und solcherart vom gesetzlichen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit: Nach den Feststellungen des Erstgerichts erteilte nämlich der Beschwerdeführer Franz G***** ausdrücklich eine von ihm als rechtswidrig erkannte Weisung (US 16 f) und war die angesprochene Urkunde in der Form eines Vernehmungsprotokolls verfasst, auf dem Franz E***** als vernehmender Beamter aufschien (US 18).

Zum Schuldspruch B:

Im Rahmen einleitender Bemerkungen strebt die Beschwerde die Unterstellung sämtlicher Tathandlungen unter den Tatbestand des § 223 Abs 1 StGB an (der Sache nach Z 10). Indem sie dies aus der Behauptung folgert, vom Aussteller einer Urkunde nachträglich vorgenommene Verfälschungen des Urkundeninhalts seien dem genannten Tatbestand zu subsumieren, ohne diese Rechtsansicht aus dem Gesetz abzuleiten, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung des mit diesem Vorbringen angesprochenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Die Mängelrüge (Z 5) gibt die Feststellungen des Erstgerichts sinnentstellend rudimentär wieder. Die Tatrichter hielten nämlich fest, dass der Beschwerdeführer den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 11. Februar 2009 betreffende Dienstvorschreibungen wahrheitswidrig veränderte (US 24) und dabei Aktenzeichen von Erhebungen eintrug, die Christian P***** bereits zu einem vor diesem Zeitraum gelegenen Zeitpunkt abgeschlossen hatte (US 25), was keineswegs in sich widersprüchlich (der Sache nach Z 5 dritter Fall) ist.

Die vermisste Begründung zu diesen Konstatierungen (Z 5 vierter Fall) findet sich in den US 39 bis 43.

Der Ansatz der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die festgestellte nachträgliche Aufnahme von Erhebungen, die im relevanten Zeitraum gar nicht vorgenommen worden sind, in die diesbezüglichen Dienstvorschreibungen (US 24, 25) stelle kein Verfälschen des Inhalts der Dienstvorschreibungen dar, ist ebenso unverständlich wie die unsubstantiierte Behauptung, das inkriminierte Verhalten sei straflos, weil den Dienstvorschreibungen keine „innerbehördliche Rechtsqualität“ zugekommen sei.

Zum Schuldspruch C:

Indem die Mängelrüge (Z 5) hypothetische Überlegungen dazu anstellt, aufgrund welcher Erwägungen der Beschwerdeführer von der Annahme, Beamte des Büros für innere Angelegenheiten hätten Leopold S***** im Zuge einer Vernehmung beeinflusst, ausgegangen sein könnte, entfernt sie sich vom Urteilssachverhalt, wonach der Beschwerdeführer in einem Aktenvermerk den Inhalt eines Gesprächs zwischen ihm und Leopold S***** bewusst wahrheitswidrig dargestellt hat (US 28). Die Ableitung dieser Feststellung und die auf deren Basis getroffene Schlussfolgerung auf wissentliche Falschbezichtigung aus der als glaubwürdig erachteten Aussage des Leopold S*****, er habe gegenüber dem Beschwerdeführer dem Aktenvermerk Entsprechendes nicht geäußert (US 45, 46 iVm US 43), ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht aus dem Gesetz ab, warum der Vorwurf, ein Beamter habe den Inhalt einer Vernehmung manipuliert, nicht als Unterstellung amtsmissbräuchlichen Verhaltens zu werten sei, und entzieht sich solcherart einer meritorischen Erwiderung.

Zum Strafausspruch:

Der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider wertete das Erstgericht die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers nicht erschwerend (US 56). Der im Zuge der allgemeinen Überlegungen zur Strafzumessung vorgenommene Hinweis auf die „uneinsichtige[n] Verantwortung“ hinwieder dient ersichtlich der Beleuchtung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers dahin, dass dessen Gesamtverhalten eine Neigung indiziere, Verfahrensvorschriften zu missachten (US 58), und stellt solcherart keineswegs einen unvertretbaren Verstoß gegen die Bestimmungen über die Strafbemessung (Z 11 dritter Fall) dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO - ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Schuldberufung - schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen wegen des Strafausspruchs kommt sohin dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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