OGH 13Ns6/94

OGH13Ns6/946.7.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Juli 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kriz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr.Gerhard P***** wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 24 Vr 353/93 des Landesgerichtes Linz, über die Ablehnung aller Richter des Oberlandesgerichtes Linz nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Ablehnung der Richter des Oberlandesgerichtes Linz ist gerechtfertigt.

Das Verfahren über die Ablehnung aller Richter des Landesgerichtes Linz wird dem Oberlandesgericht Wien übertragen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Linz vom 4. Februar 1992, GZ 29 E Vr 876/87-111, (415 ff; rechtskräftig mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 8.November 1993, AZ 22 Bs 468/92) wurden Dr.Hermann H***** und Dr.Lorant G***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 88 Abs 1 und 4, zweiter Fall (§ 81 Z 1) StGB schuldig erkannt, weil sie zu bestimmten Zeiten in den Jahren 1983 bis 1986 im Landeskinderkrankenhaus in Linz, und zwar ersterer als behandelnder Arzt und Abteilungsleiter und letzterer als diensthabender und behandelnder Arzt, das 1981 mit einem Hydrocephalus occlusus geborene Kind Gertrude R***** unter wiederholter Vernachlässigung der ärztlichen Sorgfaltspflicht im Zusammenhang mit einem implantierten Shuntsystem zur Ableitung des Liquor aus dem Gehirn in die Bauchhöhle und mehreren ärztliche Eingriffe erfordernden Krampfanfällen falsch behandelt und auf diese Weise fahrlässig eine irreversible Erblindung, schwerste Hirnschäden und völlige Bewegungslosigkeit herbeigeführt hatten.

In der der nunmehr vorliegenden Strafsache (AZ 24 Vr 353/94 des Landesgericht Linz) zugrunde liegenden Anzeige äußerte Dipl.Ing.Raimund R*****, der sich zugleich als Privatbeteiligter anschließende Vater des geschädigten Kindes, den Verdacht, Dr.Gerhard P***** habe als Sachverständiger in jenem Strafverfahren ein falsches Gutachten erstellt und an den verhandelnden Einzelrichter mit Schreiben vom 25.Juli 1991 (5 ff, 567 ff) falsche gutachtliche Mitteilungen gemacht, um die beiden beschuldigten Ärzte zu schützen.

In dieser Anzeige - die die Staatsanwaltschaft Linz zum Antrag auf gerichtliche Vorerhebungen durch verantwortliche Abhörung Dris.P***** veranlaßte - lehnte der Privatbeteiligte sämtliche Richter des Landesgerichtes Linz sowie des Oberlandesgerichtes Linz wegen Befangenheit ab; die letztere Ablehnung ist berechtigt.

Im oben genannten Verfahren gegen Dr.H***** und Dr.G***** erachtete der Oberste Gerichtshof am 16.September 1992 zur GZ 13 Ns 13/92-7 (Vr 353/94 des LG Linz, 993/I) die damalige Ablehnung der Richter des Oberlandesgerichtes Linz im Hinblick darauf für gerechtfertigt, daß Dr.H***** der Schwiegervater eines Richters dieses Gerichtshofes ist, und übertrug das Verfahren über die Rechtsmittel gegen das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Linz vom 4.Februar 1992 dem Oberlandesgericht Wien.

Der Oberste Gerichtshof führte dabei ua aus:

"Befangenheit liegt vor, wenn ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt (11 Ns 14/90, 11 Ns 3/88, 14 Os 141/87, 11 Ns 20/86 ua), somit eine Hemmung zu unparteiischer Entscheidung durch sachfremde psychologische Motive gegeben ist (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 72 E 5; JBl 1990, 122; RZ 1989/110; EvBl 1988/153; EvBl 1988/43 ua).

Den unmittelbaren Zugang zur Erkenntnis eines solchen inneren Zustandes hat naturgemäß der betreffende Richter selbst (11 Ns 14/90, 8 Ob 546/82, 6 Ob 549/78). Es kommt jedoch nicht nur darauf an, ob er sich befangen fühlt oder nicht, es genügt grundsätzlich schon der Anschein einer Befangenheit, wofür freilich zureichende Anhaltspunkte gegeben sein müssen, die geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler die volle Unbefangenheit des Richters in Zweifel zu ziehen (s. erneut EvBl 1988/153; 11 Ns 14/90; vgl auch Pfeiffer im Karlsruher Kommentar zur dStPO2 § 24 RN 3 und Loewe-Rosenberg dStPO24 § 24 RN 5 f) ...."

".... Wohl aber bietet der exzeptionelle Umstand, daß ein Richter dieses Gerichtshofes Angehöriger eines der beiden Beschuldigten ist, einen zureichenden Anhaltspunkt dafür, daß auch bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler der Anschein einer Befangenheit der Richter dieses Gerichtshofes entstehen kann. Dabei ist in Rechnung zu stellen, daß der richterliche Personalstand des Oberlandesgerichtes Linz nicht allzu groß ist und dieser Gerichtshof grundsätzlich in Senaten zu judizieren hat, sodaß notwendigerweise eine Vielzahl beruflicher Kontakte zwischen den Richtern gegeben ist.

Der besondere Umstand des andauernden kollegialen Kontaktes mit einem Richter, der Angehöriger eines der beiden Beschuldigten ist, läßt somit den Anschein zu, es könnten die zur Erledigung der Rechtsmittel zuständigen Richter des Oberlandesgerichtes Linz aus psychologischen Motiven heraus nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit an die Sache herantreten."

Der hier zu beurteilende Ablehnungsantrag ist aus den soeben dargelegten Gründen ebenfalls gerechtfertigt. Der aktuelle Vorwurf gegen einen Sachverständigen wegen falscher Gutachtertätigkeit steht mit dem ursprünglichen Verfahren gegen die Ärzte Dr.H***** und Dr.G*****, auf das sich diese Tätigkeit bezog, in einem derart engen Zusammenhang, daß die für jenes Kernverfahren geltenden Erwägungen des Obersten Gerichtshofes in Ansehung des Angehörigenverhältnisses eines Richters des Oberlandesgerichtes Linz zu einem der in der Zwischenzeit rechtskräftig verurteilten Ärzte auch hier gelten müssen.

Es war daher - ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren vom Privatbeteiligten vorgebrachten Erwägungen bedurfte - die Ablehnung der Richter des Oberlandesgerichtes Linz als gerechtfertigt zu erkennen und gemäß § 74 Abs 3 StPO die anstehende Entscheidung einem anderen Oberlandesgericht, und zwar aus Zweckmäßigkeitsgründen wiederum dem mit dieser Angelegenheit bereits befaßt gewesenen Oberlandesgericht Wien, zu übertragen.

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