OGH 12Os94/16i

OGH12Os94/16i18.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. August 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin in der Auslieferungssache des Haki G***** und eines weiteren Betroffenen, AZ 32 HR 143/16b des Landesgerichts Wiener Neustadt über die Grundrechtsbeschwerde des Florim G***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 1. Juli 2016, AZ 22 Bs 168/16s, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00094.16I.0818.000

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 2. Juni 2016 (ON 29) wurde über Florim G***** aufgrund des Ersuchens um internationale Ausschreibung zur Fahndung des Basisgerichts Ferizaj/Kosovo vom 7. Dezember 2015 (Zahl UGJK Nr 155/15), welchem ein Haftbefehl des Gerichts Peje/Kosovo vom 10. Februar 2015 (Zahl 383/13) zugrunde liegt, gemäß § 173 Abs 6 iVm Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a StPO iVm § 29 ARHG die Auslieferungshaft verhängt, weil das Erstgericht die Haftgründe der Flucht‑ und der Tatbegehungsgefahr nicht ausschließen konnte.

Mit Beschluss vom 16. Juni 2016 setzte das Landesgericht Wiener Neustadt die über Florim G***** verhängte Auslieferungshaft wie bisher fort (ON 55).

Der gegen den letztgenannten Beschluss erhobenen Haftbeschwerde des Betroffenen gab das Oberlandesgericht Wien mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 1. Juli 2016 nicht Folge und setzte die Auslieferungshaft fort (22 Bs 168/16s).

Das Beschwerdegericht sah in dem Fahndungsersuchen zur Festnahme zwecks Auslieferung ein Ersuchen um Verhängung der vorläufigen Auslieferungshaft für den Fall der Betretung der gesuchten Person im Inland (vgl Göth‑Flemmich in WK 2 ARHG § 27 Rz 2; Art 24 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der sozialistischen föderativen Republik Jugoslawien über die Auslieferung, BGBl 1983/546, BGBl III 2010/147).

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts ergeben sich aus dem Fahndungsersuchen hinreichende Gründe für die Annahme, die betroffene Person habe eine der Auslieferung unterliegende strafbare Handlung begangen, und zwar des versuchten schweren Mordes nach Art 146 iVm Art 20 und Art 23 des kosovarischen Strafgesetzbuchs, weil er am 30. Juli 2010 in P***** wissentlich und im Zusammenwirken mit Fahri D***** Naim V***** zu töten versuchte, indem die Genannten mit einem Holzstück auf dessen Kopf und andere Körperteile einschlugen, wobei der Sachverhalt nach österreichischem Recht als Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB zu qualifizieren wäre (BS 1 f, 5 f).

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts erhobene Grundrechtsbeschwerde des Florim G***** verfehlt den gesetzlichen Bezugspunkt (vgl § 1 Abs 1 GRBG). Gegenstand des Erkenntnisses über eine Grundrechtsbeschwerde ist – anders als bei einer Haftbeschwerde an das Oberlandesgericht – nicht die Haft, sondern die Entscheidung über diese (RIS‑Justiz RS0061004 [T5], RS0112012 [T5]).

Soweit die Grundrechtsbeschwerde das in der Beschwerde an das Oberlandesgericht erstattete Vorbringen wortident wiederholt, ohne auf die nunmehr bekämpfte Beschwerdeentscheidung einzugehen, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0106464, RS0110146 [T22]).

Indem ausgeführt wird, es lägen keine hinreichenden Gründe für die Annahme vor, der Betroffene habe eine der Auslieferung unterliegende strafbare Handlung begangen, bleibt sie ebenso die erforderliche Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichts schuldig. Die Grundrechtsbeschwerde unterlässt es, auf die Erwägungen des Beschwerdegerichts einzugehen, welches mit Blick auf das im Auslieferungsverfahren geltende formelle Prüfungsprinzip (RIS‑Justiz RS0117806 [T24], RS0125233) von der Sachverhaltsdarstellung des Fahndungsersuchens ausgehend zum Ergebnis gelangte, dass dieses hinreichende Gründe für die Annahme von der Auslieferung unterliegenden strafbaren Handlungen enthält (BS 3 f).

Soweit die Beschwerde auf eine wegen des gegenständlichen Vorwurfs angeblich bereits ergangene gerichtliche Entscheidung verweist, lässt sie neuerlich die erforderliche Bezugnahme auf die Begründung der Beschwerdeentscheidung vermissen, wonach das angesprochene Urteil aufgehoben wurde (BS 4).

Auch das Vorbringen der Grundrechtsbeschwerde zu den nach Ansicht des Oberlandesgerichts nicht auszuschließenden Haftgründen der Fluchtgefahr und der Tatbegehungsgefahr (§ 173 Abs 6 StPO) entzieht sich einer meritorischen Erwiderung, weil nicht auf die Begründung der Beschwerdeentscheidung (BS 5 f) abgestellt wird.

Der Einwand der Substituierbarkeit der Auslieferungshaft durch gelindere Mittel (§ 173 Abs 5 StPO) orientiert sich nicht an den Anfechtungskriterien des GRBG, weil die Beschwerde nicht erkennen lässt, worin dem Oberlandesgericht Wien insoweit ein Beurteilungsfehler unterlaufen sein soll (RIS‑Justiz RS0116422).

Das gilt auch für das substratlose Vorbringen, „die Beschlüsse auf Verhängung der Auslieferungshaft“ enthielten betreffend die Verhältnismäßigkeit nur unzureichende Gründe.

Die Beschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

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