OGH 12Os91/84

OGH12Os91/8413.9.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.September 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof.

Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Richard A und andere wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Gerhard B, die Berufung des Angeklagten Ewald C und die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht (in Jugendstrafsachen) vom 7.März 1984, GZ. 8 Vr 872/83-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart, der Angeklagten Richard A, Ewald C, Kurt Reinhard D und Erich E sowie der Verteidiger Dr. Withoff, Dr. Mühl und Dr. Pflaum jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Gerhard B zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im Punkt B des Schuldspruchs hinsichtlich der Angeklagten Richard A, Ewald C, Kurt D und Erich E sowie im freisprechenden Teil unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt A sowie im den Angeklagten Gerhard B betreffenden Schuldspruch Punkt B, ferner im sämtliche Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Adhäsionserkenntnisses) aufgehoben und 1. hinsichtlich B gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

'Gerhard B wird von der Anklage, er habe am 27.August 1983 in Schrems im bewußten Zusammenwirken als Mittäter mit Richard A, Ewald C, Kurt D und Erich E vorsätzlich Herbert F durch gefährliche Drohung mit weiteren Mißhandlungen zu einer Handlung, nämlich dazu genötigt, sie mit seinem Auto zu verschiedenen Lokalen zu führen und habe hiedurch das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen'; sowie 2. hinsichtlich A, C, D und E die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten C und B auf die obige Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der 20-jährige Richard A, der 27-jährige Ewald C, der 19-jährige Kurt D und der nunmehr 17-jährige Erich E - abweichend von der auf das Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB lautenden Anklage - des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 1 StGB (Punkt A des Urteilssatzes), und außerdem wie auch der nunmehr 18-jährige Gerhard B (insoweit anklagekonform) des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Punkt B) schuldig erkannt. Hingegen wurde Gerhard B von der (auch) wider ihn erhobenen Anklage wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen. Während der Schuldspruch der Angeklagten A, C, D und E wegen Nötigung laut Punkt B des Urteilssatzes sowie der (Teil-)Freispruch des Angeklagten Gerhard B unbekämpft geblieben sind, ergriffen die Staatsanwaltschaft gegen Punkt A des Schuldspruchs zum Nachteil aller vier davon betroffenen Angeklagten und zugunsten des Angeklagten Gerhard B ebenso wie dieser selbst gegen dessen Schuldspruch zu Punkt B des Urteilssatzes die Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rechtsmittel sind begründet.

Des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 1 StGB wurden die Angeklagten A, C, D und E vom Erstgericht schuldig befunden, weil sie am 27.August 1983 in Schrems an einer Schlägerei - richtig:

an einem Angriff mehrerer (vgl. SSt. 47/25) - gegen Herbert F durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten, Aufheben vom Boden und Fallenlassen tätlich teilnahmen, wodurch eine schwere Körperverletzung des Genannten (Schädelbruch, Monokelhämatom des rechten Auges, Hautabschürfungen, den Entscheidungsgründen zufolge auch ein Bruch der 11. Rippe rechts) verursacht wurde.

Zutreffend wendet sich die Staatsanwaltschaft aus dem

Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO gegen die dem Urteil

zugrundeliegende Rechtsansicht, diesen Angeklagten könne nicht das

Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83, 84 Abs. 1 StGB

(als Mittätern), sondern nur der Auffangtatbestand des § 91 Abs. 1

StGB angelastet werden, weil keine (ausdrückliche oder auch nur

schlüssige) Verabredung zur gemeinsamen Mißhandlung des Herbert F

vorlag, vielmehr erst nach einer Auseinandersetzung zwischen dem

Angeklagten A und Herbert F die 'Schlägerei ... successive

entstanden' sei (S. 166). Eine vor dem Beginn der Tatausführung

gelegene (allenfalls aber auch nur sukzessive entstandene)

Verabredung (mindestens dreier Personen) verlangt das Gesetz nämlich

nur für den Qualifikationsgrund nach § 84 Abs. 2 Z. 2 StGB ('... in

verabredeter Verbindung').

Eine Tatbeurteilung (im Sinne des subsidiären Auffangtatbestandes) nach § 91 Abs. 1 StGB ist jedoch schon bei einem - wenn auch allenfalls erst bei der Tat spontan zustandegekommenen - gemeinsamen Verletzungs- oder Mißhandlungsvorsatz (§ 83 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB) mehrerer Täter ausgeschlossen (SSt. 46/30; SSt. 48/48; JBl. 1979, 440; Leukauf/Steininger Kommentar 2 § 91 RN. 17 und 18). In einem solchen Fall verantworten alle in der Ausführungsphase mit einem gemeinsamen Verletzungs- oder Mißhandlungsvorsatz Zusammenwirkenden in solidarischer Haftung für den von ihnen (wenigstens fahrlässig: § 7 Abs. 2 StGB) herbeigeführten schweren Verletzungserfolg das Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83

(Abs. 1 oder Abs. 2), 84 Abs. 1 StGB als Mittäter (vgl. abermals SSt. 48/48;

JBl. 1979, 440), wobei auch sogenannte 'sukzessive Mittäterschaft' in der Form denkbar ist, daß ein Täter die Tatausführung beginnt, die übrigen sodann hinzutreten und alle gemeinsam die Tat weiter bis zur Vollendung ausführen (Leukauf/Steininger a.a.O. § 12 RN. 12). Infolge des aufgezeigten Rechtsirrtums hat das Erstgericht nicht dazu Stellung genommen, ob die Angeklagten A, C, D und E - wie allenfalls aus ihrem in objektiver Beziehung konstatierten Vorgehen bei der Verfolgung und Mißhandlung des Herbert F erschlossen werden könnte - mit gemeinsamem Verletzungs- oder Mißhandlungsvorsatz gehandelt haben. Dieser dem angefochtenen Urteil anhaftende und von der Staatsanwaltschaft zutreffend gerügte Feststellungsmangel (Z. 10) läßt eine abschließende Beurteilung des Sachverhalts nicht zu, weshalb nach Aufhebung des Urteils im Punkt A des Schuldspruchs insoweit eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich ist.

Zum Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung (Punkt B) stellte das Erstgericht fest, daß die Angeklagten A, C, D und E den (von ihnen zuvor zusammengeschlagenen) Herbert F durch die Androhung weiterer Schläge für den Weigerungsfall dazu nötigten, sie (und ihren Begleiter B) mit seinem PKW. nach Vitis und Kirchberg am Walde zu befördern; bezüglich des Angeklagten B nahm das Gericht - wiewohl es an anderer Stelle (mißverständlich) feststellte, F sei von 'allen' Anwesenden 'genötigt' worden, worin (isoliert betrachtet) auch bezüglich BS die Annahme eigener Ausführungshandlungen und damit unmittelbarer (Mit-)Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) gelegen wäre (S. 164 f.), letzten Endes doch nur - an, er habe durch seine Anwesenheit und das Zusteigen in den PKW. zu der erzwungenen Fahrt sowie dadurch, daß er die anderen nicht von ihrem Vorgehen abhielt, zu der von ihnen begangenen Nötigung im Sinne des § 12 dritter Fall StGB beigetragen, indem er seine Begleiter in ihrem verpönten Verhalten bestärkte (S. 163, 165).

Den übereinstimmenden Rechtsrügen (Z. 9 lit. a) der Staatsanwaltschaft (zugunsten des Angeklagten B) und des Angeklagten B selbst ist zunächst darin beizupflichten, daß für die Förderung der Tat durch ein Unterlassen nach § 12 dritter Fall StGB nur haftet, wer im besonderen zur Abwendung des deliktischen Erfolgs verpflichtet ist (§ 2 StGB; s. hiezu ÖJZ-LSK. 1983/138; Leukauf/Steininger a.a.O. § 12 RN. 38). Eine derartige Garantenstellung kam dem Angeklagten B hinsichtlich des im vorliegenden Fall durch die Nötigung beeinträchtigten Rechtsgutes nicht zu. Nach § 286 StGB hinwieder wäre nur die vorsätzliche Unterlassung der Verhinderung einer mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohten Handlung strafbar; unter diesem Gesichtspunkt scheidet aber die hier verübte (einfache) Nötigung schon wegen der bloß bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe reichenden Strafdrohung (§ 105 Abs. 1 StGB) aus.

Die bloße Anwesenheit eines schweigenden Begleiters bei der Tat kann allerdings unter Umständen auch als sonstige Beteiligung eines Komplizen zur Nötigung in Betracht kommen, und zwar dann, wenn dadurch dem vom primär ausführenden Täter gebrauchten Nötigungsmittel vorsätzlich erhöhter Nachdruck verliehen wird (vgl. SSt. 33/61). Nach den Urteilsfeststellungen kann jedoch ungeachtet der vorerwähnten mißverständlichen Urteilspassage nicht gesagt werden, daß die Wirksamkeit der von den vier Mitangeklagten geäußerten Drohung durch die bloße Anwesenheit des Angeklagten Gerhard B und dessen Mitfahren während der solcherart erzwungenen Autofahrt noch zusätzlich gesteigert worden oder daß ein derartiger Effekt immerhin von seinem Vorsatz umfaßt (§ 5 StGB) gewesen wäre; dafür bieten auch die Verfahrensergebnisse keinen Anhaltspunkt. Desgleichen ist für ein als psychische Unterstützung der Mitangeklagten bei der Nötigung zu wertendes vorsätzliches Bestärken derselben im Tatentschluß durch die Anwesenheit und das Zusteigen des B weder dem Urteil noch den Verfahrensergebnissen ein ausreichendes Substrat zu entnehmen.

Wegen der vorliegenden Nichtigkeit (Z. 9 lit. a) war daher Gerhard B in Stattgebung der von der Staatsanwaltschaft insoweit zu seinen Gunsten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde wie auch seiner eigenen Nichtigkeitsbeschwerde von der wider ihn wegen des Vergehens der Nötigung erhobenen Anklage sogleich freizusprechen.

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