OGH 12Os90/20g

OGH12Os90/20g10.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. September 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weinhandl in der Strafsache gegen Justin P***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Justin P***** gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom 9. Juni 2020, GZ 38 Hv 12/20z‑16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00090.20G.0910.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Justin P***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch der Mitangeklagten Michelle T***** enthält, wurde Justin P***** jeweils eines Vergehens des Diebstahls nach §§ 12 zweiter Fall, 127 StGB (II./a./) und der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II./b./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 5. Juni 2019 in K*****

II./a./ Michelle T***** (US 5) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz dazu bestimmt, Miriam K***** eine fremde bewegliche Sache, nämlich deren Mobiltelefon wegzunehmen, indem er T***** nach Bekanntgabe seines Entschlusses erklärte, er als Mann könne diese Wegnahme bei einer Frau nicht vornehmen;

II./b./ nach der zu II./a./ beschriebenen Tat Robert B***** durch die sinngemäße Äußerung, er gehe jetzt nach Hause, hole ein Messer und steche ihn ab, somit durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Herbeiholung der Polizei, zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Justin P*****, der keine Berechtigung zukommt.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

Diesen Anfechtungskriterien wird die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gerecht.

Mit dem Vorbringen zu II./a./, eine Bestimmungstäterschaft des Beschwerdeführers lasse sich „in keinster Weise“ begründen, weil sich die unmittelbare Täterin „aus eigener Überlegung“ zur Wegnahme des Mobiltelefons entschlossen, der Angeklagte sie demnach nicht „angestiftet“, sondern sich nur „passiv“ verhalten habe, werden die Konstatierungen übergangen, wonach der Angeklagte Michelle T***** gegenüber äußerte, dass er als Mann die Wegnahme des Mobiltelefons bei einer Frau nicht vornehmen könne, er mit dieser Erklärung bewirken wollte, dass T***** als Frau die Wegnahme vornimmt und diese aufgrund seiner Äußerung bereit war, den Diebstahl zu begehen (vgl US 5 und 7).

Soweit die Rüge aus einem Aussagedetail der Mitangeklagten T***** („Sie haben mir nicht direkt gesagt, dass ich das Handy nun wegnehmen soll“) das Fehlen einer Bestimmungshandlung des Beschwerdeführers ableitet und Spekulationen zu den Beweggründen der Genannten für die Tat anstellt, bekämpft sie bloß in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Weshalb die Auseinandersetzung mit dem Motiv der Mitangeklagten T***** rechtlich von Bedeutung sein soll, wird nicht dargelegt (vgl RIS‑Justiz RS0088761).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu II./b./ bestreitet mit der Argumentation, das Opfer habe ausgesagt, die Drohung nicht ernst genommen zu haben, die Eignung der Drohung, dem Bedrohten begründete Besorgnis (hier: vor einer Verletzung am Körper) einzuflößen, und behauptet das Vorliegen eines untauglichen Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB), weil es „allgemein betrachtet äußerst unrealistisch bzw geradezu ausgeschlossen“ sei, dass der Angeklagte „tatsächlich ein Messer geholt“ hätte. Damit leitet sie nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (vgl RIS‑Justiz RS0116569), weshalb eine solche Eignung bei gebotener Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabs in Bezug auf die verbale Ankündigung, ein „Messer zu holen“ und des „Abstechens“ (US 6) nicht gegeben sein sollte, und aus welchem Grund es bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage auf die Realisierbarkeit des angedrohten Übels ( Schwaighofer in WK 2 StGB § 105 Rz 61; Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 74 Rz 23; RIS‑Justiz RS0092519) oder darauf ankommen sollte, dass der Bedrohte tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurde (RIS‑Justiz RS0092753).

Mit dem Einwand, bei der inkriminierten Äußerung habe es sich bloß um eine milieubedingte Unmutsäußerung des sich in einem „schwierigen sozialen Umfeld, zB Suchtgiftmilieu oder auch Alkoholmilieu“ bewegenden Angeklagten gehandelt, vernachlässigt die Rüge prozessordnungswidrig (vgl erneut RIS‑Justiz RS0099810) die gegenteiligen Feststellungen zum Bedeutungsinhalt und zur Ernstlichkeit der Äußerung des Beschwerdeführers (US 6).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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