OGH 12Os89/19h

OGH12Os89/19h12.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. August 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Strafsache gegen Momcilo R***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 19. März 2019, GZ 22 Hv 7/18x‑35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00089.19H.0812.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Momcilo R***** der Vergehen der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs 1a StGB (I./) und des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in L***** Alina D*****

I./ im Zeitraum Februar 2017 bis Mai 2017 in zumindest vier Angriffen durch intensive Berührungen von der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstellen in ihrer Würde verletzt, indem er mit seiner Hand ihr Gesäß und ihre Brüste betastete;

II./ am 17. Mai 2017 mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Vornahme und Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er ihr in ein Zimmer folgte, die Zimmertüre versperrte und den Schlüssel einsteckte, sie an den Armen packte und zu einem Bett zerrte, sie aufforderte, sich auf das Bett zu legen, weil er sie „lecken“ wollte, versuchte, sie gewaltsam auf das Bett zu drücken, wobei sich Alina D***** zunächst losreißen konnte, mehrmals versuchte, gewaltsam ihre Hose und Unterhose hinunterzuziehen, ihr den Mund zuhielt und ihr befahl, leise zu sein, die Türe zudrückte und neuerlich versperrte, nachdem es ihr gelungen war, ihm den Schlüssel wegzunehmen und zur Türe zu flüchten, sie zurück in das Zimmer drängte, sich schließlich selbst die Hose und die Unterhose hinunterzog und sie aufforderte, an ihm einen Oralverkehr durchzuführen, wobei es beim Versuch blieb, weil Alina D***** die Flucht aus dem Zimmer gelang.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitbeschwerde des Angeklagten versagt.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf „Durchführung eines Lokalaugenscheins zum Beweis dafür, dass man Hilfeschreie und Hilferufe sowohl im Nachbarzimmer als auch am Gang deutlich hören kann und ebenso derartige vom Umgebungslärm unterscheiden und sohin allfällige Hilferufe der Frau D***** wahrgenommen hätten werden müssen, wenn sie denn tatsächlich stattgefunden“ hätten (ON 18 S 34), Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt. Denn der Antrag ließ nicht erkennen, auf welchen schulderheblichen Umstand er sich bezog und gab zudem nicht bekannt, weshalb die Durchführung der begehrten Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse.

Soweit sich der Beschwerdeführer durch die Ablehnung schriftlicher Beweisanträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Lärm- und Messtechnik und auf ergänzende Vernehmung der Zeugin Anna T***** (vgl ON 20) beschwert erachtet, fehlt es ihm in dem Umfang, in welchem er in der Hauptverhandlung lediglich auf seinen entsprechenden Schriftsatz verwiesen hatte, an der erforderlichen Rechtsmittellegitimation (vgl RIS-Justiz RS0099511 [T5, T7]; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.95). Als maßgeblich kann nämlich nur das in der Hauptverhandlung Vorgebrachte angesehen werden.

In dieser gab der Antragsteller hinsichtlich der begehrten neuerlichen Vernehmung der Anna T***** aber nur an, dass „etliche Fragen noch unaufgeklärt geblieben“ seien (ON 21a S 9), womit der Antrag auf unzulässige Erkundung abzielte (vgl RIS-Justiz RS0118123).

Was das Begehren auf Beiziehung des Sachverständigen, das sich im Wesentlichen nur darauf richtete, dass „man“ allfällige Hilfeschreie des Opfers „hören hätte müssen“ (ON 21a S 9), betrifft, so fehlt es erneut an der Bekanntgabe, welcher entscheidungserhebliche Umstand damit erwiesen hätte werden sollen. Im Übrigen stellte sich auch dieser Antrag als unzulässiger Erkundungsbeweis dar. Denn der Antragsteller ließ mangels Mitteilung von Verfahrensergebnissen zur Dauer, Lautstärke und Intensität des Schreiens und zur Höhe des sonstigen Geräuschpegels (vgl die zutreffenden Erwägungen des Erstgerichts ON 18 S 35) nicht erkennen, aus welchem Grund die Durchführung des begehrten Beweises das behauptete Ergebnis erwarten lasse (vgl RIS-Justiz RS0118444).

Das im Rechtsmittel nachgetragene Vorbringen unterliegt dem dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO inhärenten Neuerungsverbot, weshalb auf diese Argumentation nicht einzugehen ist (RIS-Justiz RS0099618).

Die Richtigkeit der Begründung der abweislichen Beschlüsse des Schöffensenats steht entgegen der Beschwerdeauffassung nicht unter Nichtigkeitssanktion (RIS‑Justiz RS0121628; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.98).

Der Mängelrüge (Z 5) ist vorweg zu erwidern, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588). Zudem ist das Schöffengericht nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO von vornherein nur zu einer gedrängten Darstellung der Urteilsgründe, jedoch nicht dazu verhalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Zeugenaussagen und sonstiger Beweise zu erörtern (RIS-Justiz RS0106642).

Diesen Anfechtungsvoraussetzungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Denn sie vermisst bloß die Erörterung von – eigenständig zu Gunsten der leugnenden Verantwortung des Angeklagten interpretierter – Details der (ohnedies berücksichtigten) Angaben der Zeugen H***** und C***** und kritisiert im Übrigen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung, dass die Tatrichter die Aussagen der Zeugen T***** und J***** (zur Frage der Hörbarkeit allfälliger Hilferufe) und R***** (zur Frage, ob der Angeklagte einen Zimmerschlüssel hatte), als nicht entlastende Beweisergebnisse bewerteten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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