OGH 12Os89/05p

OGH12Os89/05p8.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. September 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer, in der Strafsache gegen Stefan S***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB, AZ 291 Ur 151/05z des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 1. Juli 2005, AZ 21 Bs 203/05i (= ON 52 der Ur-Akten), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Stefan S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss des Beschwerdegerichtes wurde die über Stefan S***** am 1. Mai 2005 verhängte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund des § 180 Abs 2 Z 3 lit a, lit b StPO iVm § 35 Abs 1 zweiter Satz JGG fortgesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde ist nicht berechtigt. Inhaltlich der Entscheidung des Oberlandesgerichtes ist Stefan S***** dringend verdächtig, seine am 30. Jänner 2005 geborene Tochter Iris seit deren Geburt wiederholt misshandelt zu haben, weshalb sie letztlich am 25. April 2005 auf die Kinderintensivstation des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien verbracht werden musste, wo sowohl alte als auch frische Verletzungen, unter anderem Serienrippenbrüche, Hämatome, Augenhintergrundblutungen und Hirnblutungen festgestellt wurden. Bei einem der mehreren Angriffe habe er - aus Zorn - das Kleinkind durch festes Zusammendrücken des Oberkörpers zu töten versucht.

Das Beschwerdevorbringen gegen die Dringlichkeit des Tatverdachtes besteht in einer wörtlichen Wiederholung der Ausführungen der Haftbeschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz (vgl S 315/II mit S 84/II). Der Beschuldigte unterlässt damit die gebotene Auseinandersetzung mit den (von Amts wegen nicht zu beanstandenden) Erwägungen des Beschwerdegerichtes dazu (BS 3,4) und verfehlt in diesem Umfang den vom Gesetz genannten Bezugspunkt (§§ 1 Abs 1, 3 Abs 1 GRBG; 12 Os 66/03, 13 Os 120, 121/03, 15 Os 142/04, 12 Os 147/04, 11 Os 9/05s uam).

Welche „unrichtige Schlussfolgerung seitens des OLG Wien bei der Beurteilung der Dringlichkeit des Tatverdachtes gezogen wurde", bleibt die Grundrechtsbeschwerde substantiiert darzulegen schuldig. Ebensowenig gelingt es ihr, eine rechtsfehlerhafte Beurteilung der Tatbegehungsgefahr durch das Rechtsmittelgericht aufzuzeigen. Der nunmehrige Aufenthalt des Kindes in einem Krankenhaus in Deutschland, sohin weit außerhalb des Einflussbereiches des damit § 180 Abs 3 letzter Satz StPO ansprechenden Beschuldigten, wirkt sich nicht zu dessen Vorteil aus, war Ziel seiner wiederholten Gewalttaten doch auch seine Lebensgefährtin. Gerade aus dem Zusammenleben mit dieser resultierte (unter anderem) die von ihm ins Treffen geführte „Überforderungssituation" (BS 3, 5; S 67/I), deren völliges Fehlen daher bei seiner bereits manifesten Neigung zu erheblicher Aggressivität (BS 5; S 219/I) zu Unrecht eingewendet wird.

§ 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO stellt auf die Begehung einer gegen dasselbe Rechtsgut gerichteten strafbaren Handlung mit nicht bloß leichten Folgen und nicht - wie der Beschwerdeführer vermeint - auf die Vorhersage konkreter Taten ab (15 Os 156/03; 11 Os 119/03 ua); das Oberlandesgericht nahm diesen Haftgrund daher zutreffend an. Eine Prüfung (überdies) in Richtung der lit a des § 180 Abs 2 Z 3 StPO erübrigt sich damit (14 Os 62/03 uva).

Der Ermessensentscheidung der Beschwerderichter, dass aus den mutmaßlichen Tathandlungen und der daraus ableitbaren Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers eine Intensität des Haftgrundes ableitbar ist, der durch eine psychotherapeutische Behandlung in Freiheit (allein) nicht effektiv entgegen gewirkt werden kann (BS 6), ist beizutreten.

Stefan S***** wurde somit in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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