OGH 12Os87/24x

OGH12Os87/24x22.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Oktober 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Karnaus LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * (auch: *) R* und andere Angeklagte wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * R* und * H* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 6. Mai 2024, GZ 148 Hv 8/23s‑115.5, sowie über die Beschwerde des * R* gegen zugleich ergangene Beschlüsse gemäß §§ 494 Abs 1, 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00087.24X.1022.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Den Angeklagten * R* und * H* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – * R* des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A./) und * H* des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1, Abs 4 StGB (C./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben

A./ * R* in der Nacht vom 26. November 2022 auf den 27. November 2022 mit der am * 2009 geborenen, somit unmündigen * B* den Beischlaf unternommen, indem er den vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog, und

C./ * H* am 7. Dezember 2022 in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei falsch ausgesagt, indem sie vor dem Landeskriminalamt Wien als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache im Ermittlungsverfahren gegen ihren Sohn * R* und einen unbekannten Täter wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB nach ausdrücklicher Belehrung über ihr Recht, gemäß §§ 156 f StPO keine Aussage machen zu müssen, wahrheitswidrig angab, sie kenne den in der Nacht vom 26. November 2022 auf den 27. November 2022 mit ihrem Sohn und * B* in ihrer Wohnung aufhältigen Mann nicht.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen den Schuldspruch A./ richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * R*, gegen den Schuldspruch C./ jene der Angeklagten * H*, die die Genannten jeweils auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO stützen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des * R*:

[4] Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich gegen die Feststellung, wonach es der Beschwerdeführer bei der Tat zumindest ernstlich für möglich hielt und in Kauf nahm, dass das Opfer das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (US 10). Diese Feststellung gründeten die Tatrichter insbesondere auf das Aussehen und den Körperbau des Opfers (US 22), wobei sie – soweit hier von Bedeutung – auch dessen Aussage (US 19 f), die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers (US 20) und Videoaufnahmen des stark geschminkten Opfers (US 20 f) eingehend würdigten.

[5] Indem die Beschwerde (Z 5 vierter Fall) mit dem Hinweis auf Passagen der Aussage des Opfers und seiner Schwester eigene beweiswürdigende Erwägungen anstellt und eine „eingehendere Begründung“ als „nur den Verweis auf das Aussehen und den Körperbau einer Person“ fordert, erschöpft sie sich in einem Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[6] Entgegen der Rüge (Z 5 zweiter Fall) begründet das Unterbleiben einer Auseinandersetzung mit den in der Hauptverhandlung am 2. Februar 2024 zum Akt genommenen Fotos des Opfers (ON 80 S 42 iVm ON 115.4 S 58) keine Nichtigkeit. Denn mit Blick auf den Zeitpunkt des Hochladens dieser Bilder am 28. Dezember 2022 – somit rund einen Monat nach der Tat – und die dem Gericht bereits vorliegenden Videoaufnahmen und Fotos des Opfers stellen sie kein Verfahrensergebnis dar, das geeignet war, die dem Gericht durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse übermittelte Einschätzung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache maßgebend zu beeinflussen (RIS‑Justiz RS0116877 [T1]).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der * H*:

[7] Entgegen der Behauptung der Mängelrüge (Z 5) haben die Tatrichter (sehr wohl) festgestellt, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Vernehmung „sinngemäß zu erkennen“ gegeben habe, sie kenne jenen Mann, der sich in der Nacht vom 26. November 2022 auf den 27. November 2022 mit ihrem Sohn und * B* in der Wohnung aufgehalten habe, nicht (US 11). Das auf der urteilsfremden Prämisse der Feststellung einer expliziten Erklärung der Beschwerdeführerin, diesen Mann nicht zu kennen, aufbauende Rügevorbringen geht folglich schon im Ansatz ins Leere.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen.

[9] Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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