OGH 12Os85/88

OGH12Os85/8830.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Juni 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Forsthuber als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günter L*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben vom 6. Februar 1987, GZ 18 Vr 268/84-55, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Günter L*** wegen §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1; 297 Abs 1; 125 StGB, AZ 18 Vr 268/84 des Kreisgerichtes Leoben, wurde das Gesetz verletzt 1./ durch den Beschluß vom 6.Februar 1987, ON 55, soweit damit die im Urteil vom 18.Dezember 1984, ON 41, mit drei Jahren bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, in der Bestimmung des § 53 Abs 2 StGB, sowie

2./ dadurch, daß vor der Fassung dieses Beschlusses weder der Verurteilte noch dessen Bewährungshelfer gehört wurden, in der Bestimmung des § 495 Abs 3 StPO.

Der zu Punkt 1./ bezeichnete Beschluß wird, soweit damit die Probezeit verlängert wurde, aufgehoben, und dem Kreisgericht Leoben aufgetragen, über den Antrag der Staatsanwaltschaft Leoben vom 3. Februar 1987, soweit er die Verlängerung der Probezeit betrifft, gesetzmäßig neuerlich zu entscheiden.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 18.Dezember 1984, GZ 18 Vr 268/84-41, wurde der am 5.April 1966 geborene beschäftigungslose Günter L*** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB, des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 129 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB und § 11 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten verurteilt, deren Vollzug gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Gemäß § 17 JGG wurde Günter L*** für die Dauer der Probezeit ein Bewährungshelfer bestellt. Nachdem Günter L*** mit Urteil des Tribunals Venedig vom 26.September 1985, Zahl 1241/84, (rechtskräftig seit 27.Oktober 1985) wegen Beleidigung eines öffentlichen Beamten zu sechs Monaten Haft unter "Aussetzung der Strafe" (ohne urteilsmäßige Bestimmung einer Probezeit, wobei kraft gesetzlicher Regelung des Art. 163 des italienischen Strafgesetzbuches in solchen Fällen die Probezeit 2 Jahre - nur bei Verbrechen 5 Jahre - beträgt) verurteilt worden war (vgl. ON 54, 63), verfügte das Kreisgericht Leoben über Antrag der Staatsanwaltschaft Leoben vom 3.Februar 1987 (S 212) mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß vom 6.Februar 1987, GZ 18 Vr 268/84-55, daß die bedingte Nachsicht in bezug auf die eingangs zitierte Verurteilung nicht widerrufen, die Probezeit aber auf fünf Jahre verlängert wird. Aus der Begründung dieser Entscheidung ergibt sich, daß davon ausgegangen wurde, der Verurteilte habe die vom Tribunal Venedig abgeurteilte Straftat innerhalb der mit Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 18.Dezember 1984 festgesetzten Probezeit begangen. Demgegenüber geht jedoch aus dem in Übersetzung vorliegenden Urteil des Tribunals Venedig vom 26.September 1985 (ON 63, siehe auch ON 58) hervor, daß die dort abgeurteilte Tat bereits am 11.Juli 1984, demnach schon vor dem in Rede stehenden Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 18.Dezember 1984, begangen worden ist. Es fehlte demnach an den Voraussetzungen für den - vom Gericht allerdings ohnehin nicht beschlossenen - Widerruf der bedingten Strafnachsicht im Sinne des § 53 Abs 1 StGB, damit aber auch an jenen für die sohin ersichtlich auf die Bestimmung des § 53 Abs 2 StGB gestützte Verlängerung der Probezeit. Die Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre verletzt sohin das Gesetz in der letztgenannten Bestimmung zum Nachteil des Verurteilten.

Rechtliche Beurteilung

Nur der Vollständigkeit halber sei vermerkt, daß ein Widerruf der im inländischen Urteil ausgesprochenen Strafnachsicht nach § 55 Abs 1 StGB (die erwähnten Urteile des Kreisgerichtes Leoben und des Tribunals Venedig stehen zueinander im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB) schon wegen des geringen Gewichtes der nachträglich abgeurteilten Tat nicht indiziert war; derzeit käme eine solche Verfügung schon wegen Fristenablaufes (§ 56 StGB) nicht mehr in Betracht. Der Bestimmung des § 55 Abs 3 StGB hinwieder kommt nach Maßgabe der in Rede stehenden Strafaussprüche keine rechtliche Relevanz zu.

Aus dem Akteninhalt ergibt sich ferner, daß entgegen der Bestimmung des § 495 Abs 3 StPO vor der Entscheidung über den Verlängerungsantrag weder der Verurteilte noch sein Bewährungshelfer gehört wurden, wodurch das Gesetz auch in der Bestimmung des § 495 Abs 3 StPO verletzt wurde.

Da sich die dargelegten Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt haben, war gemäß § 292 StPO in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu entscheiden.

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