OGH 12Os85/22z

OGH12Os85/22z29.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. September 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Turner in der Strafsache gegen * Z* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des * R* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 11. April 2022, GZ 6 Hv 33/22k‑120, sowie über dessen Beschwerde gegen einen zugleich gefassten Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00085.22Z.0929.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten * R* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuldsprüche der Mitangeklagten enthaltenden Urteil wurde * R* der Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 15. Februar 2022 in G* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * Z*, * M* und zwei Unmündigen als Mittäter (§ 12 StGB) mit Gewalt gegen Personen anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

I./ wegzunehmen versucht, und zwar dem * S*, indem sie ihn zunächst umzingelten, * Z* von ihm Geld forderte, sie ihm Stöße versetzten und dessen Fluchtversuch dadurch unterbanden, dass * Z* ihn an der Schulter packte, ihn festhielt und mehrfach mit der Faust gegen seinen Oberkörper schlug, * M* zumindest einmal gegen seinen rechten Oberschenkel trat, einer der unmündigen Mittäter auf ihn einschlug und * S* von * Z* mit einem Schulterwurf zu Boden gebracht wurde;

II./ weggenommen, und zwar dem * W*, indem sie ihn von seinem Begleiter * Sc* trennten, ihn umzingelten, massiv bedrängten und stießen, * Z* von ihm Geld forderte, ihn am Ärmel seiner Jacke riss, mit der Faust ins Gesicht schlug und ihn rücklings gegen eine Holzkiste stieß und * M* aus der durch diese Gewalteinwirkung aus der Kleidung zu Boden gefallenen Geldbörse des Opfers 20 Euro entnahm.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R*, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.

[4] Die zu II./ ausgeführte Mängelrüge (Z 5 erster, zweiter und vierter Fall) spricht mit Blick auf das konstatierte gemeinschaftliche Vorgehen als Mittäter (US 7 f) keine entscheidende Tatsache an. Bei der Lösung der Schuld- und der Subsumtionsfrage kommt es nämlich nicht darauf an, ob der Rechtsmittelwerber selbst oder einer seiner Mittäter die Forderung nach Geld aussprach und ob er „nur in untergeordneter Form“ beteiligt war (RIS-Justiz RS0117499; RS0089808 [T12, T13]).

[5] Die zu I./ und II./ auf die Privilegierung nach § 142 Abs 2 StGB abzielende Subsumtionsrüge (Z 10) bestreitet das Vorliegen erheblicher Gewalt. Sie bringt vor, dass jeweils bloß von einem „harmlosen Gerangel unter Gleichaltrigen“ auszugehen sei, bei dem „gesunde und nicht gebrechliche“ Tatopfer „lediglich gestoßen, […] geschlagen und gegen den Oberschenkel getreten“ bzw an der Kleidung gerissen wurden. Sie orientiert sich jedoch prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der erstgerichtlichen Konstatierungen (vgl RIS-Justiz RS0099810), indem sie insbesondere die Feststellungen zum mittels „Schulterwurfes“ erfolgten Zu‑Boden‑Bringen (bei I./) sowie zu einem Faustschlag gegen den Kopf (bei II./; US 7 f) ausblendet. Solcherart macht das Rechtsmittel aber nicht klar, weshalb die vorliegende Gewaltanwendung nicht erheblich sein sollte (vgl RIS-Justiz RS0094427 [T7, T13, T15, T17]). Ein Eingehen auf das bloß unbedeutende Folgen behauptende Vorbringen erübrigt sich daher.

[6] Die mit gleicher Argumentation wie zur Subsumtionsrüge (Z 10) und Verweis auf die als untergeordnet beurteilte Tatrolle des unbescholtenen, ein vorbildliches Nachtatverhalten zeigenden Rechtsmittelwerbers ausgeführte Diversionsrüge (Z 10a), die der Sache nach einen Verstoß gegen § 7 Abs 3 JGG releviert, ist nicht berechtigt.

[7] Ein Urteil ist aus § 281 Abs 1 Z 10a StPO nur nichtig, wenn die darin enthaltenen Feststellungen bei richtiger Rechtsansicht die Nichtanwendung der Diversion nicht zu tragen vermögen oder wenn Ergebnisse der Hauptverhandlung auf einen Umstand hindeuten, der für die positive Beurteilung der diversionellen Voraussetzungen den Ausschlag gäbe, das Gericht dazu aber keine Feststellungen getroffen hat. Nicht anders als im Fall von Rechts- und Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 und 10 StPO) ist somit Gegenstand der Diversionsrüge der Vergleich der im Urteil getroffenen Konstatierungen mit den Diversionskriterien (RIS-Justiz RS0119091, RS0124801).

[8] Weshalb bei gebotener Gesamtbewertung (Schroll/Kert, WK-StPO § 198 Rz 24) der bereits zur Subsumtionsrüge dargestellten Konstatierungen (US 7 f) die Schuld des Angeklagten – auch unter Berücksichtigung dessen Unbescholtenheit und Nachtatverhaltens – nicht als schwer iSd § 32 StGB iVm § 7 Abs 2 Z 1 JGG anzusehen sei (Schroll in WK2 JGG § 7 Rz 13 ff; vgl auch Schroll/Kert, WK‑StPO § 198 Rz 30; zuletzt: 12 Os 28/22t und 12 Os 13/21k), legt die Rüge nicht dar. Ein Überwiegen der Erschwerungsgründe ist für ein unterbliebenes diversionelles Vorgehen im Übrigen nicht erforderlich (Schroll/Kert, WK-StPO § 198 Rz 24).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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