OGH 12Os80/17g

OGH12Os80/17g17.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. August 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtshörerin Schwarzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alexander U***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 21. April 2017, GZ 38 Hv 24/17x‑35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00080.17G.0817.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexander U***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 2 zweiter Fall StGB (1./; vgl US 14) sowie jeweils mehrerer Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach §§ 12 zweiter Fall, 207a Abs 1 Z 1, 15 Abs 1 StGB (2./), der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB (3./), der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster Satz StGB (4./) und der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 2 StGB (5./) schuldig erkannt.

Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – am 2. April 2015 in M*****

1./ die am 7. August 2002 geborene, also unmündige Noelle K***** durch die Aufforderungen über Skype, sich durch Einführen zumindest eines Fingers in die Vagina selbst zu befriedigen, dazu verleitet, dem Beischlaf gleichzusetzende Handlungen an sich selbst vorzunehmen, um sich geschlechtlich zu erregen;

2./ durch die an die Genannte gerichtete Aufforderung, vom „Fingern“ ein Video anzufertigen und dieses sowie mehrfach angeforderte weitere Nacktbilder, insbesondere ihrer Vagina, an ihn zu übermitteln, die Genannte zur Herstellung pornographischer Darstellungen Minderjähriger in zumindest zwei Fällen verleitet und zumindest sechs weitere Male zu verleiten versucht.

 

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten gegen die Punkte 1./ und 2./ des Schuldspruchs aus Z 5, Z 5a und Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Die Mängelrüge (Z 5) richtet sich gegen die Konstatierungen der Tatrichter, wonach der Angeklagte es ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand, dass es sich bei Noelle K***** um eine unmündige (US 7 betreffend 1./ des Schuldspruchs) bzw minderjährige Person (US 8 betreffend 2./ des Schuldspruchs) handelte.

Entgegen dem Vorwurf der Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter die zeitliche Abfolge des Chatverlaufs sehr wohl erörtert (US 11 f).

Das Schöffengericht hat die bekämpften Feststellungen auch nicht offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall). Indem der Rechtsmittelwerber aus dem Inhalt des Chatverlaufs bloß andere Schlüsse auf der subjektiven Tatseite zieht als das Erstgericht, bekämpft er nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Inwiefern Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall; vgl RIS‑Justiz RS0117995) vorliegen sollte, weil das Erstgericht lediglich feststellte, dass die Bilder am 2. April 2015 übermittelt wurden, „jedoch den entscheidenden Zeitpunkt der Übermittlung vermissen“ lasse, wird nicht klar. Indem die Nichtigkeitsbeschwerde behauptet, der Angeklagte hätte nach Bekanntwerden des Alters des Opfers „nicht Bilder im Sinne des geforderten Tatbestandes des § 206 StGB“ eingefordert, orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht an der Urteilsbegründung (US 11 f; RIS‑Justiz RS0119370).

Soweit der Nichtigkeitswerber lediglich die Konstatierungen zum Vorsatz des Angeklagten betreffend das Alter des Opfers bestreitet, wird auch Aktenwidrigkeit nicht aufgezeigt (Z 5 letzter Fall; RIS‑Justiz RS0099431).

Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet. Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) „zur Vermeidung von Wiederholungen“ auf das Vorbringen der Mängelrüge verweist, entspricht sie nicht der Strafprozessordnung (RIS‑Justiz RS0115902).

Jedenfalls gelingt es ihr nicht, durch den Verweis auf das Chatprotokoll und die – von den Tatrichtern im Übrigen berücksichtigte (Z 5 zweiter Fall; US 11 f) – Verantwortung des Angeklagten, angenommen zu haben, Noelle K***** wäre bereits 18 Jahre alt, er hätte den Kontakt mit ihr abgebrochen, als er ihr Alter erfuhr, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5a StPO zu wecken (vgl RIS‑Justiz RS0119583).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) führt aus, der zu 1./ festgestellte Sachverhalt wäre „schlechtestenfalls“ dem § 207 Abs 2 zweiter Fall StGB zu unterstellen, es fehlte für eine Subsumtion unter § 206 Abs 2 zweiter Fall StGB die „Erheblichkeit“, das Erstgericht sei „rechtsirrig davon ausgegangen, dass sich die besondere Intensität des Beischlafs aus der engen Verbindung zweier Personen ergäbe“. Mit dieser Argumentation bleibt der Rechtsmittelwerber methodengerechte Ableitung der gewünschten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz schuldig und verfehlt damit prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0116565). Die Rüge legt nicht dar, weshalb die von einem unmündigen Mädchen über Verleitung des Täters an sich selbst vorgenommene digitale Vaginalpenetration beim Tatbild des § 206 Abs 2 zweiter Fall StGB nicht dem Merkmal der dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung entsprechen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0129059).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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