OGH 12Os75/04

OGH12Os75/0423.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matschegg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hedwig B***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Karl A***** und Peter E***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend Karl A***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. März 2004, GZ 034 Hv 25/04z-110, und die Beschwerde des Angeklagten A***** gegen den gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten A***** und E***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch eine rechtskräftige Verurteilung der Hedwig B***** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 2 StGB sowie die Angeklagten B***** und A***** betreffende Teilfreisprüche enthält - wurden Karl A***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB [idF vor BGBl I 15/2004] (II./), des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (V./) und des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) der versuchten Brandstiftung als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 169 Abs 1 StGB (VII./); der Angeklagte Peter E***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB [idF vor BGBl I 15/2004] (III./), des Verbrechens der Vergewaltigung als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 201 Abs 1 StGB [idF vor BGBl I 15/2004] (IV./), des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (V./) sowie des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB (VI./) schuldig erkannt.

Danach haben - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung - in Wien

II./ Karl A***** am 29. August 2003 Martina Ei***** mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt sowie durch wiederholte gegen sie gerichtete Drohungen mit schwerer gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, indem er ihr zahlreiche Schläge mit der Faust in das Gesicht versetzte, ihr gegenüber äußerte, wenn sie nicht tue, was er wolle und sich nicht ruhig verhalte, werde er sie abstechen, wobei er mit einem Butterflymesser hantierte, sowie durch die Äußerungen, er und Peter E***** seien Mafiabosse und hätten zahlreiche Leute hinter sich, die ihr und ihren Kindern etwas antun oder ihre Wohnung anzünden können, zur Duldung des Beischlafes genötigt; III./ Peter E***** am 29. August 2003 Martina Ei***** mit Gewalt, indem er ihren Kopf wiederholt unter Anwendung von nicht unerheblicher Körperkraft gegen sein erigiertes Glied drückte, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich des Oralverkehrs an ihm, genötigt;

IV./ Peter E***** am 29. August 2003 zur Ausführung der unter Punkt II./ angeführten Vergewaltigung durch Karl A***** beigetragen, indem er Aufpasserdienste leistete;

V./ Karl A***** und Peter E***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 30. August 2003 Martina Ei***** und Hedwig B***** durch die Äußerung, wenn sie etwas von den Vorfällen vom 29. August 2003 erzählten, würden sie umgebracht, mithin durch gefährliche Drohung, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige bzw Aussage zu den Vorfällen vom 29. August 2003 zu nötigen versucht;

VI./ Peter E***** versucht, an fremden Sachen ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst zu verursachen, und zwar

1. am 10. September 2003 in der Wohnung der Hedwig B***** in Wien ***** durch Verschütten und Anzünden von Benzin in der Wohnung, worauf es zu einer explosiven Brandentwicklung kam,

2. am 12. September 2003 an der Wohnung der Martina Ei***** in Wien ***** durch Verschütten und Anzünden von Benzin im Bereich der Wohnungstüre;

VII./ Karl A***** Peter E***** zu den unter VI./ angeführten Handlungen bestimmt, indem er ihn dazu aufforderte, die Wohnungen in Brand zu setzen und sich in unmittelbarer Nähe des Tatortes aufhielt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, Z 5a StPO, vom Angeklagten E***** überdies aus Z 9 [lit] a erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht berechtigt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*****:

Die auf Z 5 gestützte Behauptung mangelhafter Begründung zu den Schuldsprüchen II./ und IV./ (gemeint: V./), weil zwischen den Angaben des (strafrechtlich relevantes Verhalten konsequent zur Gänze leugnenden) Angeklagten und der Mitangeklagten B***** sowie der Zeugin Ei***** (die während des Verfahrens unterschiedliche Aussagen gemacht hatten) ein "erheblicher Widerspruch" bestünde, zeigt keinen Formalfehler in der Bedeutung des intendierten Nichtigkeitsgrundes auf, sondern beschränkt sich auf eigenständige Beweiswerterwägungen, die - weil jenseits der Prüfung auf Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und empirischen Erfahrungssätzen - nicht Gegenstand einer Mängelrüge sein können (12 Os 104/03).

Der Vorwurf unvollständiger Begründung "betreffend die dem Angeklagten angelasteten Brandstiftungen" (gemeint: Schuldspruch VII./), weil "sowohl der Angeklagte wie auch der Drittangeklagte [E*****] jede Verantwortlichkeit des Angeklagten dementiert" hätten, scheitert an den dazu detaillierten Erörterungen des Schöffensenates (US 34 ff); der relevierte Umstand, dass mehrere Zeugen nur (je) einen Mann (unmittelbar an den Tatorten) gesehen hätten, betrifft, da die Bestimmung zu einer strafbaren Handlung die gleichzeitige Anwesenheit von unmittelbarem Täter und Bestimmungstäter am Tatort nicht voraussetzt, keine entscheidende Tatsache.

Das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Hinweis auf die Ausführungen zur Mängelrüge beim Obersten Gerichtshof keine, geschweige denn erhebliche sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der Aussprüche über entscheidende Tatsachen zu erwecken.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten E*****:

Nicht im Recht ist der fallbezogen auf eigenständige, den Ergebnissen der tatrichterlichen Beweiswürdigung entgegengesetzte Folgerungen und Hypothesen zum Tathergang gestützte Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5) der inneren Tatseite zum Schuldspruch IV./, die aus dem objektiven Verhalten des Angeklagten abgeleitet wurde (US 42), weil der Schöffensenat dessen leugnende Einlassung - mängelfrei - durch im Einzelnen erörterte Verfahrensergebnisse als zur Gänze widerlegt erachtete (US 16 f, 29, 39 f) und daraus andere Schlüsse als der festgestellte deliktsspezifische Vorsatz nicht ableitbar sind.

Das Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a) zum Schuldspruch III./ bewegt sich mit der Umwürdigung isoliert herausgegriffener Beweisergebnisse zu den Tatmodalitäten und Spekulationen zum Motiv des mutmaßlichen Tatopfers, sich freiwillig zur Vornahme eines Oralverkehrs am Beschwerdeführer zu entschließen, auf einer Argumentationsebene, wie sie nur die Berufung wegen Schuld gegen Einzelrichterurteile eröffnet. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des dem Schuldspruch wegen Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB tragenden Tatsachensubstrates ergeben sich daraus ebenso wenig wie die Nichterörterung der Einschätzung der Verlässlichkeit der Angaben der Zeugin Ei***** durch die vernehmende Polizistin (S 435/II) sowie der Überzeugungskraft der ersten (diesen Vorwurf gegen den Angeklagten E***** - noch - nicht enthaltenden) Aussagen dieser Zeugin (S 41 f in ON 3) das Ersturteil mit Unvollständigkeit (Z 5) belastet (Mayerhofer StPO5 § 150 E 6b).

Die Ausführungen zur Rechtsrüge (Z 9 lit a) lassen mit der Behauptung mangelnder Notwendigkeit von Aufpasserdiensten als Beitrag zur Vergewaltigung der Martina Ei***** durch den Angeklagten A***** (Schuldspruch IV./ iVm II./) die erstgerichtlichen Feststellungen außer Acht, wonach das Beziehen einer Position vor dem Schlafzimmer (dem Tatort) durch den Nichtigkeitswerber Störungen des Tatablaufs durch - die nach anfänglichem Agieren gegen die Interessen von Martina Ei***** (Schuldspruch I./) nunmehr um die Freundin besorgte (US 17, 29), allenfalls aber auf diese eifersüchtige (US 40) - Hedwig B*****, sei es durch bloßes Betreten des Schlafraumes (US 46), vorbeugen sollte und auch tatsächlich verhinderte, und bringen somit materiellrechtliche Nichtigkeit nicht zur prozessordnungsgemäßen Darstellung (Mayerhofer StPO5 § 281 Z 9a E 5).

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher teils mangels Beachtung des gesetzlichen Anfechtungsrahmens (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO), teils als offenbar unbegründet (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO) nach nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen. Daraus folgt die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der Berufungen und der Beschwerde des Angeklagten A***** gegen den ihn betreffenden Widerrufsbeschluss (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO). Die Kostenentscheidung fußt auf § 390a Abs 1 StPO.

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