OGH 12Os74/16y

OGH12Os74/16y14.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Jülg, BSc, als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Kevin P***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom 2. Mai 2016, GZ 13 Hv 1/16t‑60, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00074.16Y.0714.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Kevin P***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet. Danach hat er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung, einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens und einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis

1./ am 21. Februar 2015 in K***** Simone Z***** außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie festhielt und mit einer Hand den Genitalbereich des bekleideten Opfers intensiv berührte, und

2./ am 27. September 2015 in K***** Wolfgang Z***** mit einem Messer mit einer Klingenlänge von 6,5 cm attackiert und ihm damit absichtlich eine schwere Körperverletzung zuzufügen versucht, indem er mit dem Messer mehrfache Schnittbewegungen gegen Wolfgang Z***** führte, wobei die Tat nur deshalb beim Versuch blieb, weil dieser ausweichen konnte,

somit Taten begangen, die ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (1./) und der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 87 Abs 1 StGB aF (2./) zuzurechnen gewesen wären.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, der keine Berechtigung zukommt.

Zu Urteilsfaktum 2./ behauptet die Mängelrüge einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen den Feststellungen zum Einsatz des Messers („Stichbewegungen“) und deren Referat im Erkenntnis („Schnittbewegungen“), legt aber nicht begründet dar, weshalb gegen eine Person gerichtete Schnittbewegungen nicht geeignet sein sollten, eine schwere Körperverletzung zu verursachen, und sich dieser demnach auf eine entscheidende Tatsache beziehen sollte.

Mit verkürzter Wiedergabe einer Kommentarmeinung und Bezugnahme auf oberstgerichtliche Judikatur, wonach eine Berührung des Geschlechtsteils über einer Unterhose eine geschlechtliche Handlung begründe, leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (vgl RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569), weshalb der sehr feste und intensive Griff auf die Scheide des mit einer Jeans‑Hose bekleideten Tatopfers (US 3) nicht als geschlechtliche Handlung anzusehen sein sollte und es daher auch weiterer Feststellungen bedurft hätte, ob „Frau Z***** unter der Jeans weitere Bekleidungsstücke getragen hat“. Auch die bloß begründungslos vorgetragene Behauptung, eine Berührung von ca zwei Sekunden sei als derart flüchtig anzusehen, dass sie nicht unter den Tatbestand der geschlechtlichen Nötigung zu subsumieren sei, entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass eine – hier konstatierte (US 4) – intensive Berührung des Genitalbereichs des bekleideten Opfers nach ständiger Judikatur und herrschender Lehre das angesprochene Tatbestandsmerkmal – unabhängig von der Kleidungsstärke – sehr wohl erfüllt (vgl RIS‑Justiz RS0094905 [T30, T35], RS0095194 [T1, T2], RS0095733 [T9, T10] und RS0095739 [T12, T13]; Philipp in WK2 StGB § 202 Rz 13, Hinterhofer SbgK § 202 Rz 29).

Soweit die Rechtsrüge die Konstatierung begehrt, der Betroffene habe deren Scheide nicht intensiv berührt, verfehlt sie den gerade im festgestellten Sachverhalt (US 3)

gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruch 2./ vermisst Feststellungen zu der von Wolfgang Z***** zum Vorfallszeitpunkt getragenen Oberbekleidung legt aber nicht dar, weshalb diesem Umstand angesichts der Urteilsannahme, wonach der Betroffene Stiche von oben nach unten in Richtung des Kopfes bzw Oberkörpers des Tatopfers führte (US 3), rechtliche Relevanz zukommen sollte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

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