OGH 12Os7/16w

OGH12Os7/16w3.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kühlmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Leopold C***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 19. Mai 2015, GZ 15 Hv 2/15p‑56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00007.16W.0303.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Leopold C***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (I./), mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 206 Abs 1, 15 Abs 1 StGB (II./ und III./), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153 (IV./), mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (V./A./), jeweils mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 212 Abs 1 Z 1, 15 Abs 1 StGB (in Ansehung der Melanie F*****) und nach § 212 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (in Ansehung der Lisa K*****; VI./) sowie zweier Vergehen der Blutschande nach §§ 15 Abs 1, 211 Abs 2 StGB (VII./) schuldig erkannt.

Danach hat er

I./ in K***** im Zeitraum zwischen Anfang 2000 bis Ende 2001 in der Dauer von maximal einem Jahr mit einer unmündigen Person, und zwar seiner am 11. Mai 1991 geborenen Enkeltochter Lisa K*****, eine dem Beischlaf gleichzusetzende (zu ergänzen:) geschlechtliche Handlung unternommen, indem er von ihr einen Oralverkehr an sich vornehmen ließ, wobei die Tat eine sexuelle Funktionsstörung im Sinn einer sexuellen Aversion, somit eine 24 Tage übersteigende Schädigung der psychischen Gesundheit (§ 84 Abs 1 StGB) der Genannten zur Folge hatte;

II./ in K***** in wiederholten Angriffen im Zeitraum von Anfang 2000 bis Ende 2001 in der Dauer von maximal einem Jahr mit einer unmündigen Person, und zwar seiner am 11. Mai 1991 geborenen Enkeltochter Lisa K*****, den Beischlaf (A./) und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen (B./) unternommen, indem er

A./ zumindest zwei Mal seinen Penis an ihrer Scheide ansetzte und versuchte, in sie einzudringen;

B./ in mehreren Angriffen ihre Scheide leckte, mit seiner Zunge und seinen Fingern in ihre Scheide eindrang und von ihr einen Oralverkehr an sich vornehmen ließ;

III./ in L***** zwischen zumindest Anfang 2008 und November 2009 in mehreren Angriffen versucht, mit einer unmündigen Person, nämlich seiner am 10. Dezember 1995 geborenen Enkeltochter Melanie F*****, eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung zu unternehmen, indem er ihr Geld bot und sie ersuchte, seinen Penis in ihren Mund zu nehmen;

IV./ in L***** zwischen zumindest Anfang 2008 und November 2009 außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen, nämlich von seiner am 10. Dezember 1995 geborenen Enkeltochter Melanie F*****, indem er sich von ihr mit der Hand bis zum Samenerguss befriedigen ließ, wobei die Tat eine sexuelle Funktionsstörung im Sinn einer sexuellen Aversion, somit eine 24 Tage übersteigende Schädigung der psychischen Gesundheit (§ 84 Abs 1 StGB) der Genannten zur Folge hatte;

V./ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an unmündigen Personen vorgenommen bzw von unmündigen Personen an sich vornehmen lassen, und zwar

A./ indem er sich von ihnen mit der Hand bis zum Samenerguss befriedigen ließ, und zwar

1./ im Zeitraum von Anfang 2000 bis Ende 2001 für die Dauer von maximal einem Jahr in K***** mindestens ein Mal pro Monat von seiner am 11. Mai 1991 geborenen Enkeltochter Lisa K*****;

2./ in zahlreichen Angriffen zwischen zumindest Anfang 2008 und November 2009 in L***** von seiner am 10. Dezember 1995 geborenen Enkeltochter Melanie F*****;

VI./ durch die zu I./, II./B./ und III./ bis V./A./ näher bezeichneten Tathandlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person (in Ansehung der Lisa K***** unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Aufsicht unterstehenden Minderjährigen; US 7) geschlechtliche Handlungen vorgenommen oder von einer solchen Person an sich vornehmen lassen bzw dies versucht;

VII./ in K***** zumindest zwei Mal im Zeitraum von Anfang 2000 bis Ende 2001 in der Dauer von maximal einem Jahr versucht, seine Enkeltochter Lisa K*****, somit eine Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, durch Zureden zum Beischlaf zu verführen, wobei es beim Versuch blieb, weil er mit seinem Penis nicht in sie eindringen konnte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Der gegen die Annahme schwerer Tatfolgen zu den Schuldsprüchen I./ und IV./ gerichteten Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider wurde das Gutachten des Sachverständigen Dr. Dietmar J*****, welches beiden Opfern eine sexuelle Funktionsstörung im Sinn einer sexuellen Aversion mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung attestierte (ON 21, 25, 37 und 55 S 14 ff), richtig zusammengefasst dargestellt (US 9). Dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend war das Gericht nicht verhalten, den vollständigen Inhalt des Gutachtens im Einzelnen zu erörtern (RIS‑Justiz RS0098778, RS0106642, RS0106295; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 428).

Mit der bloßen Wiedergabe jener Gutachtenspassagen, in denen der Sachverständige das Vorliegen ‑ von der festgestellten, länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung verschiedener - posttraumatischer Belastungsstörungen bzw tiefgreifender Persönlichkeitsstörungen oder unmittelbarer psychischer Traumatisierung im eigentlichen Sinn verneinte, zeigt die Beschwerde keine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) auf, sondern zieht nur die aus dem Gutachten gezogenen tatrichterlichen Schlüsse nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung in Zweifel (RIS‑Justiz RS0098400; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 450).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die auf eine (methodisch vertretbare) Ableitung aus dem Gesetz gestützte Behauptung, das Erstgericht sei bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 584, 588).

Diesen Anforderungen werden die Rechts‑ und die Subsumtionsrüge nicht gerecht:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu Schuldspruch VI./ behauptet einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Damit übergeht sie die Konstatierungen, wonach dem Angeklagten „vollkommen klar“ war, dass Lisa K***** und Melanie F***** während der inkriminierten Handlungen jeweils seiner Aufsicht unterstanden und er seine Vertrauensstellung als Großvater zur Ermöglichung oder zumindest Erleichterung seiner Taten einsetzt und sich damit abfand (US 7), er zu den jeweiligen Tatzeitpunkten das Alter seiner Enkeltöchter kannte (US 4, 6), es ihm gerade darauf ankam, die bewussten und gewollten geschlechtlichen Handlungen an der jeweiligen Unmündigen vorzunehmen bzw an sich vornehmen zu lassen (US 7) und wonach der Angeklagte sein Autoritätsverhältnis als Großvater gegenüber Lisa K***** und Melanie F***** gezielt dazu einsetzte, diese zur Duldung bzw Vornahme der geschlechtlichen Handlungen zu bringen (US 14). In diesem Zusammenhang bleibt anzumerken, dass die von den Tatrichtern auch in Ansehung der Melanie F***** in objektiver und subjektiver Hinsicht festgestellte Ausnützung einer Autoritätsstellung zur Erfüllung des Tatbestands des § 212 Abs 1 Z 1 StGB gar nicht erforderlich ist.

Auch die gegen die Annahme der Erfolgsqualifikation nach § 206 Abs 3 StGB (I./) und § 207 Abs 3 StGB idF BGBl I 1998/153 (IV./) gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) verfehlt mit der Behauptung ihr Ziel, die aus dem Verhalten des Angeklagten resultierenden Folgen der jeweils 24 Tage übersteigenden Schädigung der psychischen Gesundheit der Opfer seien dem Beschwerdeführer nicht zurechenbar, weil das Gericht „keine Feststellungen zu den subjektiven Vorstellungen des Angeklagten getroffen“ habe.

Damit nimmt sie nicht Maß am gesamten Urteilssachverhalt (RIS‑Justiz RS0119884 [T2]; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 581, 584), wonach der Eintritt der schweren Körperverletzung im Sinn einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung als qualifizierender Erfolg sowohl bei Lisa K***** als auch bei Melanie F***** vorhersehbar war, weil jemand, der mit einem Kind sexualbezogene Handlungen durchführt, bei gehöriger Aufmerksamkeit damit rechnen muss, dass diese massive psychische Beeinträchtigungen, insbesondere bei unmündigen Opfern, hervorrufen, der Angeklagte diese infolge seiner persönlichen geistigen Verhältnisse jeweils voraussehen konnte (US 10, 12) und Anhaltspunkte dafür verneint wurden, dass er aufgrund seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen wäre, das Unrecht seiner Handlungen zu erkennen bzw dafür, dass ihm ein Unterlassen der Tathandlungen unzumutbar gewesen wäre (US 10).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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