OGH 12Os70/81

OGH12Os70/816.8.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. August 1981 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Hartmann, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Oberhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Todor A wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Dezember 1980, GZ 8 a Vr 6170/80-14, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Werner Schwind und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stäger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Strafe unter Anwendung des § 41 Abs 1 StGB auf 1 (ein) Monat herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11. November 1914 geborene, staatenlose Pensionist Todor A des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt. Nach Inhalt des Schuldspruchs liegt ihm zur Last, am 28. Mai 1980 durch die (in seinem Einspruch gegen die vom Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen ihn wegen des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei, begangen in Tateinheit mit dem Finanzvergehen der Monopolhehlerei am 23. April 1980 erlassene und ua ein Verfallserkenntnis gemäß dem § 17 FinStrG enthaltende Strafverfügung gemachten) Ausführungen, den mit dieser Finanzstrafsache befaßten Beamten des Zollamtes Wien in den Tod mitzunehmen, falls die Beschlagnahme ohne Urteil eines ordentlichen Gerichtes aufrecht bleibe, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tode, zu einer Handlung, nämlich zur Aufhebung der verfügten Beschlagnahme und Abtretung der (gegen ihn anhängigen) Finanzstrafsache an das Gericht zu nötigen versucht zu haben. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Todor A mit einer formell nur auf die Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten, der Sache nach auch den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a der zitierten Gesetzesstelle geltend machenden Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Einen Begründungsmangel im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO will der Angeklagte zunächst daraus ableiten, daß unter Verweisung auf seine Verantwortung vor dem Erstgericht, keine Waffe besessen zu haben, ihm schon aus diesem Grund die 'technische Möglichkeit' gefehlt habe, die (Mord-)Drohung wahrzumachen.

Diesem Beschwerdeeinwand ist zunächst entgegenzuhalten, daß sich weder seiner Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter (vgl ON 4 d. A) noch jener in der Hauptverhandlung (vgl das darüber aufgenommene Protokoll, ON 13

d. A) ein Hinweis des Angeklagten entnehmen läßt, keine Waffe besessen zu haben. Dieses vom Angeklagten erst in seiner Nichtigkeitsbeschwerde behauptete Vorbringen über das Fehlen einer Waffe findet im gesamten Akteninhalt, insbesondere im Hauptverhandlungsprotokoll keine Deckung, sodaß schon deshalb durch Nichterörterung dieses - nach der Aktenlage vom Beschwerdeführer gar nicht behaupteten - Umstandes ein Begründungsmangel nicht vorliegt. Im übrigen war aber eine Feststellung im Ersturteil über einen allfälligen Waffenbesitz des Beschwerdeführers entbehrlich, weil das im vorliegenden Fall vom Beschwerdeführer zu der von ihm angestrebten Nötigung verwendete Mittel der gefährlichen Drohung in subjektiver Beziehung nur erfordert, daß nach den Vorstellungen des Täters beim Bedrohten der Eindruck erweckt werde, er (der Drohende) sei willens und auch in der Lage, das in Aussicht gestellte Übel herbeizuführen; hingegen setzt das Delikt der Nötigung nicht voraus, daß der Täter die Drohung auch wahrzumachen beabsichtigt oder sie wahrzumachen imstande ist (vgl Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 6 zu § 105). Ob dem Beschwerdeführer eine Waffe zur Ausführung seiner Drohung mit dem Tode zur Verfügung stand, war demnach für seinen Schuldspruch wegen versuchter schwerer Nötigung ohne rechtliche Relevanz, sodaß das Fehlen von Urteilsfeststellungen hiezu auch nicht einen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund (nach der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO) zu begründen vermag. Im übrigen nahm das Ersturteil ohnedies als erwiesen an, daß der Angeklagte seine Ankündigung (den verantwortlichen Finanzbeamten in den Tod mitzunehmen) nicht wahrmachen wollte (S 84 d.A).

Rechtliche Beurteilung

Mit seinen weiteren Beschwerdeausführungen zur Mängelrüge bestreitet der Angeklagte die vom Erstgericht mit (auch insoweit) ausreichender und mängelfreier Begründung als erwiesen angenommene Ernstlichkeit seiner Morddrohung, ohne aber einen dem Ersturteil in diesem Belang anhaftenden Begründungsmangel in Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO aufzeigen zu können.

Der Angeklagte hat zwar im Gegensatz zu seiner Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter, bei dem er an der Ernstlichkeit seiner Drohung keinen Zweifel offen ließ und sogar eingestand, die Ausführung der angedrohten Mordtat ins Auge gefaßt zu haben (vgl S 39 verso d.A), in der Hauptverhandlung bestritten, daß dies der Fall gewesen sei; er wollte seine Morddrohung gleichsam nur als übermäßig dramatisierte, von ihm aber nicht ernst gemeinte und auch nicht ernst zu nehmende Unmutsäußerung verstanden wissen, mit der er niemanden zu bedrohen beabsichtigt habe (vgl S 73 und 74 d.A). Diese leugnende Verantwortung in der Hauptverhandlung blieb im Ersturteil aber keineswegs unberücksichtigt. Wenn das Erstgericht dieser Darstellung des Angeklagten, mit der er implicite auch die Ernstlichkeit seiner Drohung in Abrede stellte, aber nicht folgte, liegt ein Akt der dem Schöffengericht zukommenden freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) vor, der im Nichtigkeitsverfahren einer Anfechtung entzogen ist. Zwar wäre rechtsrichtig das Tatverhalten unter die Bestimmungen der §§ 15, 269 Abs 2 StGB als lex spezialis gegenüber der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105

Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB zu unterstellen gewesen, weil der Angeklagte durch gefährliche Drohung mit dem Tode Beamte der Finanzstrafbehörde der I. Instanz zu einer Amtshandlung (Abtretung des Verfahrens an ein Gericht) nötigen wollte (vgl Mayerhofer/Rieder, Strafgesetzbuch2, Nr 32, Leukauf-Steininger2, RN 28 zu § 269), doch sah sich der Oberste Gerichtshof zu einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO im Hinblick auf die jeweils gleichen Strafdrohungen nicht veranlaßt (Mayerhofer/Rieder, Strafprozeßordnung, Nr 27

zu § 290).

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu

verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 106 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten und nahm bei der Strafzumessung als erschwerend keinen Umstand, als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, das fortgeschrittene Alter und den bloßen Versuch des Verbrechens an.

Die Berufung des Angeklagten, welche Strafminderung begehrt, ist im Ergebnis berechtigt.

Zu den vom Erstgericht angenommenen Milderungsgründen kommen noch zusätzlich das vor dem Untersuchungsrichter abgelegte Teilgeständnis und ein gewisser Erregungszustand über die Zufügung vermeintlichen Unrechtes hinzu. Abgesehen von dem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsumstände und der günstigen Zukunftsprognose handelt es sich vorliegend um einen eher atypischen Fall einer schweren Nötigung, der an der Untergrenze des noch strafwürdigen liegt, sodaß unter weitgehender Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung die Strafe auf das im Spruche angeführte Ausmaß reduziert werden konnte, ohne Belange der Spezialoder Generalprävention zu verletzen. Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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