OGH 12Os68/90

OGH12Os68/906.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Friedrich, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Löschenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen ***** wegen des Verbrechens des Zwanges zur Unzucht nach § 203 Abs. 1 StGB aF und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13.November 1989, GZ 7 Vr 1318/88-78, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Angeklagten ***** und des Verteidigers Dr. Rath zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00068.900.0906.001

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ***** geborene ***** im zweiten Rechtsgang von dem Anklagevorwurf des Verbrechens des Zwanges zur Unzucht nach § 203 Abs. 1 StGB aF (Punkt I./), des Vergehens der versuchten Nötigung zur Unzucht nach §§ 15, 204 Abs. 1 StGB aF (Punkt II./), ferner des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Punkt III./) sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Punkt IV./) gemäß § 259 Z 3 StPO und von dem weiteren Anklagevorwurf des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB (Punkt V./) gemäß § 259 Z 2 StPO freigesprochen. Hiebei trug das erkennende Schöffengericht der seit 1. Juli 1989 durch BGBl. 1989/242 geänderten Rechtslage - an sich überflüssigerweise (weil nur im Falle eines Schuldspruchs ein Günstigkeitsvergleich im Sinne des § 61 StGB geboten ist und ein Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO zwecks Wahrung des Grundsatzes "ne bis in idem" nur die unter Anklage gestellte Tat, nicht aber auch die rechtliche Beurteilung derselben zum Gegenstand haben muß (vgl. Foregger-Serini 4 Erl. II zu § 259 StPO) - dadurch Rechnung, daß es die zu Punkt I./ und II./ der Anklageschrift, Band II/, ON 49, unter Anklage gestellten Fakten, wie aus dem Wortlaut im Spruche des insoweit nunmehr freisprechenden Erkenntnisses hervorgeht, ersichtlich als Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB nF (im Faktum betreffend *****) und als geschlechtliche Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB nF (in den Fakten betreffend ***** und *****) beurteilte. Für das ***** laut dem bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch zur Last liegende Vergehen der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB wurde nunmehr im angefochtenen Urteil eine Strafe festgesetzt. Die Staatsanwaltschaft bekämpft mit ihrer allein auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde ausdrücklich nur den auf § 259 Z 3 StPO beruhenden Teil des Freispruchs (Punkt I./ bis IV./; der darüber hinaus den gesamten Freispruch - samt Strafausspruch - umfassende Aufhebungsantrag der Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsmittelschrift beruht offensichtlich auf einem Versehen).

Nach dem sich auf den von der Anfechtung betroffenen Teil des Freispruches des Angeklagten gemäß § 259 Z 3 StPO erstreckenden Anklagevorwurf liegt ihm zur Last, in Graz

I./ außer dem Falle der Notzucht die nachgenannten durch Anwendung von Hypnose, sohin mit Gewalt gegen ihre Person, widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zur Unzucht mißbraucht zu haben, und zwar

Mitte März 1988 die *****, indem er sie zwang, an seinem Glied bis zur Befriedigung zu masturbieren;

am 13.Mai 1988 die *****, indem er sie zwang, das schmerzhafte Betasten ihrer Brüste und Scheide zu dulden, an seinem Glied zu masturbieren, einen Mundverkehr bis zur Befriedigung durchzuführen und seinen Samen zu schlucken;

II./ Mitte März 1988 die ***** außer den Fällen der §§ 201 bis 203 StGB (aF) durch Anwendung von Hypnose, sohin mit Gewalt, zur Unzucht zu nötigen versucht zu haben, indem er sie aufforderte, ihn mit der Hand zu befriedigen, und ihre Hand zu seinem Geschlechtsteil führte, wobei die Tatvollendung deshalb unterblieben sei, weil eine unmittelbar vorangegangene Gewaltanwendung zu einer Rückorientierung des Opfers aus der Hypnose führte und sich ***** sohin seiner Suggestion widersetzen konnte;

III./ jeweils Mitte März 1988 nachgenannte Personen durch die Anwendung von Hypnose und indem er sie in diesem Zustand fesselte, daher mit psychischer und physischer Gewalt zu folgenden Handlungen und Duldungen genötigt zu haben, und zwar

1./ ***** dazu, sich niederzuknien, sich an Händen und Füßen mit Lederbändern fesseln und mit einer Lederpeitsche auf das Gesäß schlagen zu lassen;

2./ ***** dazu, sich mit Lederschnüren an Händen und Füßen an eine Sprossenwand binden und dort im Bereiche der Schultern, des Gesäßes und der Schenkel auspeitschen zu lassen;

IV./ Mitte März 1988 ***** durch die zu Punkt III./1./ beschriebene Tathandlung vorsätzlich am Körper (durch Zufügen von schmerzhaften Striemen am Gesäß) verletzt zu haben. Die Mängelrüge der Staatsanwaltschaft schlägt in keinem Punkte durch:

Einen den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO bewirkenden inneren Widerspruch des angefochtenen Urteils erblickt die Beschwerdeführerin darin, daß dem bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des ***** wegen Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB die Annahme zugrundeliege, daß der Angeklagte zwischen Sommer 1987 und Mai 1988 entgegen seinen Ankündigungen in Inseraten weder selbst Mannequins oder Models beschäftigen wollte, noch die Absicht oder - mangels entsprechender Verbindungen - die Möglichkeit hatte, solche Beschäftigungen zu vermitteln (Band II/, S 447), wogegen das Schöffengericht im nunmehr angefochtenen Urteil davon ausgehe, daß sich der Angeklagte ***** im Sommer 1987 entschlossen habe, "Showassistentinnen und Fotomodelle auszubilden, für sie PR-Arbeit zu leisten und sie dann teils in der eigenen Show, teils bei anderen Entertainern einzusetzen oder schlußendlich über Agenturen zu vermitteln" (Band III/, S 120).

Rechtliche Beurteilung

Abgesehen davon, daß der unter dem vorbezeichneten Nichtigkeitsgrund geltend gemachte innere Widerspruch demselben Urteil anhaften muß und nicht, wie dies nunmehr die Staatsanwaltschaft versucht, aus einem - überdies andere Fakten betreffenden - Vergleich von zwei verschiedenen, wenn auch in zeitlicher Folge in demselben Verfahren gefällten Urteilen abgeleitet werden kann, betrifft dieser von der Beschwerdeführerin aufgegriffene Widerspruch im vorliegenden Fall keinen entscheidungswichtigen Umstand. Dieser Widerspruch könnte nämlich nur im Rahmen einer Tatbeurteilung als Täuschung im Sinne des § 108 Abs. 1 StGB erheblich sein. Eine solche Beurteilung des in der Anklageschrift, Band II/, ON 49 unter Punkt I./ bis IV./ angeführten Tatgeschehens kommt aber schon deshalb nicht in Betracht, weil ***** und ***** die hiezu erforderliche Ermächtigung (§ 108 Abs. 3 StGB) ausdrücklich verweigert haben (vgl. Band I/, S 309 a und Band II/, S 20) und nach der Aktenlage auch keine Ermächtigung der ***** vorliegt. Offensichtlich aus diesem Grund strebt auch die Staatsanwaltschaft in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde eine Beurteilung des *****, ***** und ***** betreffenden Tatgeschehens als Vergehen der Täuschung gar nicht an. In den von dem nunmehr bekämpften Teil des angefochtenen Urteils erfaßten Fällen geht es vielmehr der Sache nach bloß um die hier allein entscheidende Frage, ob der Angeklagte ***** durch Anwendung von Hypnose auf *****, ***** und ***** mit solcher Intensität einwirkte, daß diese Einwirkung bereits einer - den Willen der Genannten überhaupt ausschaltenden oder ihn zumindest beugenden - Gewalt entsprach. Dies wird aber im angefochtenen Urteil, der Auffassung der Staatsanwaltschaft zuwider, mit mängelfreier Begründung verneint (Band III/, S 150 bis 155). Eine wesentliche Grundlage hiefür bildeten nach den Urteilsgründen vor allem die Gutachten der dem Verfahren beigezogenen medizinischen Sachverständigen Dr. Sylvia W***** und Dr. Richard Z*****. Diese beiden Experten bekundeten im wesentlichen übereinstimmend, daß ein Handeln der ***** und der ***** unter dem (bestimmenden) Einfluß einer vom Angeklagten herbeigeführten Hypnose nicht eindeutig feststehe (Band II/, ON 46, S 187; Band III/, S 98 und 103, ferner Band II/, ON 54 sowie Band III/, S 106 ff), was auch die Anklagebehörde in ihrer Beschwerde einräumt (Band III/, S 167:

"... führte Dr. W***** aus, daß ... die gelungene Hypnoseinduktion nicht objektiv feststellbar war ...").

Was das Tatgeschehen mit ***** anlangt, so läßt die Staatsanwaltschaft in ihrer Mängelrüge vor allem außer acht, daß die Sachverständige Dr. Sylvia W***** in der letzten Hauptverhandlung am 13. November 1989 ihr früheres, ein Handeln der Zeugin P***** unter dem (bestimmenden) Einfluß einer Hypnose durch den Angeklagten ***** bejahendes Gutachten (Band II/, ON 46, insbesondere S 157, 185 und 187) auf Grund der Angaben der Zeugin P***** in dieser Hauptverhandlung nicht mehr aufrechterhalten hat (Band III/, S 100 und 101). Insoweit besteht auch mit dem schriftlichen Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Z***** (Band II/, ON 54, insbesondere S 247, 248 und 250) und seinem in der letzten Hauptverhandlung (am 13. November 1989) erstatteten Gutachten (Band III/, S 108) kein erörterungsbedürftiger Widerspruch. Wenn das Erstgericht bei dieser Beweislage auch im Falle der ***** zumindest im Zweifel eine vom (insoweit leugnenden) Angeklagten ***** durch Hypnose ausgeübte und einer Gewaltanwendung gleichkommende Einflußnahme nicht als erwiesen annahm (siehe Band III/, S 150), fällt diese Beurteilung letztlich in den im Nichtigkeitsverfahren einer Anfechtung nicht zugänglichen Bereich der freien Beweiswürdigung des Schöffengerichtes (§ 258 Abs. 2 StPO). Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war sohin der Erfolg zu versagen.

 

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