Spruch:
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 4. November 2008, AZ 8 Bs 384/08i, verletzt insoweit das Gesetz in dem im 16. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen, als in teilweiser Stattgebung der Beschwerde der Staatsanwalt die vom Landesgericht Wels zu AZ 25 Hv 77/05y bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde.
Der Beschluss, der im Übrigen unberührt bleibt, wird in diesem Umfang aufgehoben und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom 10. Juni 2008, GZ 25 Hv 75/08h-11, mit dem vom Widerruf der zum AZ 25 Hv 77/05y des Landesgerichts Wels gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen wurde, zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Tamas V***** wurde mit rechtskräftigem (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichts Wels vom 11. Juli 2005, GZ 25 Hv 77/05y-6, wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 2 StGB unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen verurteilt, wobei ein Teil der Geldstrafe von 70 Tagessätzen unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.
Mit rechtskräftigem (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichts Wels vom 18. Juni 2008, GZ 12 Hv 40/08s-14, wurde Tamas V***** der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 Abs 1 und 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Wels vom 7. März 2008, AZ 15 Hv 11/08y, zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Zusatzfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Unter einem erging der Beschluss auf Widerruf der zum AZ 25 Hv 77/05y des Landesgerichts Wels gewährten bedingten Strafnachsicht.
Noch vor dem zuletzt bezeichneten Erkenntnis war Tamas V***** mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 10. Juni 2008, GZ 25 Hv 75/08h-11, wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB und des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden, wobei ein Teil von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Vom Widerruf der zum AZ 25 Hv 77/05y des Landesgerichts Wels gewährten bedingten Strafnachsicht hatte das Landesgericht Wels mit unter einem gefassten Beschluss abgesehen, ohne die Probezeit zu verlängern. Aus Anlass von dagegen erhobenen Berufungen und Beschwerden der Staatsanwaltschaft sowie eines Mitangeklagten holte das mit diesen Rechtsmitteln befasste Oberlandesgericht Linz noch vor Verkündung seiner Entscheidung (vgl Zeitangaben S 3 in ON 19, S 2 und S 9 in ON 20) eine Strafregisterauskunft ein, aus welcher die rechtskräftige Verurteilung durch das Landesgericht Wels vom 18. Juni 2008, GZ 12 Hv 40/08s-14, ebenso ersichtlich war wie der zugleich damit ergangene Widerruf der zum AZ 25 Hv 77/05y des Landesgerichts Wels gewährten bedingten Strafnachsicht (ON 19).
Soweit hier von Interesse wurde in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft die über Tamas V***** verhängte Freiheitsstrafe mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. November 2008, AZ 8 Bs 384/08i (ON 21), auf zehn Monate erhöht, wovon ein Teil von sieben Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probzeit bedingt nachgesehen wurde.
Der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Unterbleiben des Widerrufs zum AZ 25 Hv 77/05y des Landesgerichts Wels wurde - ungeachtet des aktenkundig bereits im Verfahren des Landesgerichts Wels zum AZ 12 Hv 40/08s erfolgten Widerrufs - teilweise Folge gegeben und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz auf Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre verletzt - wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - den im 16. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen.
Der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 18. Juni 2008, GZ 12 Hv 40/08s-14, auf Widerruf der in Rede stehenden bedingten Nachsicht eines Teils der Geldstrafe entfaltete eine Sperrwirkung, sodass das Oberlandesgericht Linz anlässlich seiner Entscheidung vom 4. November 2008 ohne vorangegangene Aufhebung des Widerrufsbeschlusses über den gleichen Entscheidungsgegenstand nicht neuerlich absprechen durfte (vgl Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 13; Fabrizy StPO10 § 494a Rz 9). Wegen der Bindungswirkung des Widerrufsbeschlusses kann der dennoch ergangene Beschluss auf Verlängerung der Probezeit keinerlei Rechtswirkung entfalten. Zur Klarstellung sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die letztgenannte Entscheidung zu beseitigen und die auf eine neuerliche Beschlussfassung gemäß § 494a Abs 1 StPO abzielende Beschwerde der Staatsanwaltschaft zurückzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0100454).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)