OGH 12Os65/23k

OGH12Os65/23k27.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart des Schriftführers Rechtspraktikanten Obergruber LL.M. in der Strafsache gegen M* M* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 3 Hv 73/22w des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 15. Mai 2023 (ON 542) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00065.23K.0727.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde richtet, nicht Folge gegeben.

 

Gründe:

[1] Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 1. Februar 2023 (ON 526), das auch Freisprüche der Angeklagten * B*, * G*, M* M* und * Mi* enthält, wurden M* M*, * Be*, * K*, * B*, * Bu*, * S* und * Mi* jeweils des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall (teils auch nach § 15) StGB sowie D* M* und * St* jeweils des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

[2] Unmittelbar nach Urteilsverkündung meldete der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft dagegen „hinsichtlich sämtlicher Angeklagter Nichtigkeitsbeschwerden“ an (ON 524 S 39).

[3] Eine Urteilsausfertigung und das Protokoll über die Hauptverhandlung wurden der Staatsanwaltschaft am 28. März 2023 zugestellt (ON 1 [nicht durchgehend journalisiert]).

[4] Bereits am 27. März 2023 hatte die Staatsanwaltschaft den am 28. März 2023 bei Gericht eingelangten (ON 1) Antrag gestellt, „die Frist zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel gemäß § 285 Abs. 2 StPO […] zu verlängern“.

[5] Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 29. März 2023 (ON 533), zugestellt an die Staatsanwaltschaft noch am selben Tag (ON 533 S 3), abgewiesen.

[6] Mit am 26. April 2023 beim Landesgericht für Strafsachen Graz eingelangtem Antrag (ON 538) begehrte die Staatsanwaltschaft – soweit hier von Bedeutung – die Berichtigung des „Urteil[s] gemäß § 270 Abs. 3 erster Satz StPO in Bezug auf die nachangeführten [29 im Antrag konkret bezeichneten] Formgebrechen und Auslassungen […], welche sämtliche nicht die im § 260 Abs. 1 Z 1 bis 3 und Abs. 2 StPO erwähnten Punkte betreffen“ (II./ des Antrags).

[7] Mit Beschluss vom 15. Mai 2023 (ON 542), zugestellt an die Staatsanwaltschaft noch am selben Tag (ON 542 S 6), wies der Vorsitzende (unter anderem) den letztgenannten Antrag (Punkt II./ der ON 538) ebenso zurückwie die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Schöffengerichts vom 1. Februar 2023 (ON 526) bloß angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

[8] Gegen diese beiden Aussprüche richtet sich die fristgerechte Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 543). Ihr kommt – wie auch die Generalprokuratur zutreffend ausführt – keine Berechtigung zu.

 

Zur Beschwerde gegen die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde:

[9] Nach der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde hat der Beschwerdeführer das Recht, binnen vier Wochen (hier) nach Zustellung einer Urteilsabschrift eine Ausführung seiner Beschwerdegründe bei Gericht zu überreichen (§ 285 Abs 1 StPO).

[10] Gegenständlich begann diese Frist mit der Zustellung der Urteilsausfertigung an die Staatsanwaltschaft am 28. März 2023 zu laufen und endete – unter Berücksichtigung der in die Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzurechnenden Zeit von der Antragstellung gemäß § 285 Abs 2 StPO bis zur Bekanntmachung des (hier abweisenden) Beschlusses (§ 285 Abs 3 dritter Satz StPO) – mit Ablauf des 27. April 2023.

[11] Da die Staatsanwaltschaft weder bei der Anmeldung noch innerhalb der Ausführungsfrist Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet hat, erfolgte die Zurückweisung der (bloß angemeldeten, nicht aber ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerde durch den Vorsitzenden zu Recht (§ 285a Z 2 iVm § 285b Abs 1 StPO).

[12] Hinzuzufügen bleibt, dass – dem sinngemäßen Beschwerdevorbringen zuwider – ein gemäß § 270 Abs 3 zweiter Satz StPO gestellter Antrag auf Urteilsberichtigung per se für den Rechtsmittelwerber ohne Einfluss auf den Lauf der Frist zur Ausführung eines Rechtsmittels ist. Allein wenn das Urteil tatsächlich mit Beschluss berichtigt wurde, ist eine entsprechend verbesserte Urteilsabschrift an die Beteiligten mit dem Hinweis zuzustellen, dass die frühere gegenstandslos ist. Ausschließlich in diesem Fall beginnt für den Rechtsmittelwerber mit dem Zeitpunkt der Zustellung der verbesserten Urteilsausfertigung die Frist zur Ausführung eines Rechtsmittels neu zu laufen, wobei die Rechtskraft des Berichtigungsbeschlusses ohne Bedeutung ist (vgl zum Ganzen Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 52).

[13] In diesem Umfang war der Beschwerde daher in nichtöffentlicher Sitzung nicht Folge zu geben (§ 285b Abs 4 StPO).

 

Zur Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Urteilsberichtigung:

[14] Die gegen die Nichtstattgebung (vgl Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 54) des Antrags auf Urteilsberichtigung gerichtete Beschwerde ist durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft erledigt, weil sie sich auf keine für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde wesentlichen Umstände bezieht (Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 54; vgl auch RIS‑Justiz RS0126057, RS0120683).

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