OGH 12Os60/15p

OGH12Os60/15p9.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Juli 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leisser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Adam C***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2 und Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Adam C***** sowie über die Berufung des Angeklagten Yassin K***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 13. November 2014, GZ 34 Hv 94/14g‑111, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00060.15P.0709.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Adam C***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche des Angeklagten Yassin K***** enthält, wurde Adam C***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2 und Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (A./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Z 3 SMG (B./I./), der Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 SMG (C./I./) und der Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 15 Abs 1 StGB, § 28 Abs 1 erster Fall, Abs 3 SMG (C./II./) schuldig erkannt.

Danach hat er zu datumsmäßig größtenteils nicht feststellbaren Zeitpunkten in der Zeit zwischen Mitte 2013 bis zum 10. Mai 2014 in I***** als Mitglied einer kriminellen Vereinigung

A./ den abgesondert verfolgten Mohamed Ch*****, der seinerseits zwischen Ende 2013 und dessen Festnahme am 13. März 2014 wiederholt per PKW über den Grenzübergang M***** vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich insgesamt 594,6 g Kokain mit einem zumindest 15%-igen Reinheitsgehalt (89,19 g reines Cocain) und ca 2.000 g Cannabis mit einem zumindest 12%-igen Delta‑9‑THC‑Gehalt (240 g Delta‑9‑THC), somit in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) insgesamt übersteigenden Menge (17,9‑fache Grenzmenge) einführte, durch entsprechende Bestellung der jeweiligen Suchtgiftmengen samt Zusage der Übernahme im Inland zu dessen Tatausführungen bestimmt, und zwar zu der

I./ am 22. Dezember 2013 erfolgten Lieferung von ca 150 g Kokain;

II./ im Februar 2014 unter Beteiligung des abgesondert verfolgten Samir R***** erfolgten Lieferung von ca 200 g Kokain und 2.000 g Cannabis;

III./ am 13. März 2014 erfolgten Lieferung von insgesamt 244,6 g Kokain, wobei nach vollendeter Einfuhr die Übergabe an C***** infolge Festnahme des Ch***** beim Versuch blieb;

B./I./ zwischen Juli 2013 bis zum 10. Mai 2014 ‑ teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Yassin K***** als Mittäter ‑ vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain mit einem zumindest 15%-igen Reinheitsgehalt und Cannabis mit einem zumindest 12%-igen Delta‑9‑THC‑Gehalt, in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge (16,8‑fache Grenzmenge) im Zuge einer Vielzahl einzelner gewinnbringender Verkaufshandlungen anderen überlassen, nämlich insgesamt zumindest 2.396 g Cannabis (287,52 g Delta‑9‑THC bzw 14,3‑fache Grenzmenge) sowie zumindest 250 g Kokain (37,5 g Cocain bzw 2,5‑fache Grenzmenge) an im Urteil namentlich angeführte Abnehmer;

C./ vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain mit einem zumindest 15%-igen Reinheitsgehalt und Cannabis mit einem zumindest 12%-igen Delta‑9‑THC‑Gehalt, in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge (8,44‑fache Grenzmenge), mit dem Vorsatz erworben und ‑ zu C./I./ ‑ besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar:

I./ zwischen einem unbekannten Zeitpunkt im Februar 2014 bis zum 26. Februar 2014 die letztlich von der Kriminalpolizei sichergestellten 1.000 g Cannabis (120 g Delta‑9‑THC bzw 6‑fache Grenzmenge);

II./ am 13. März 2014 die unter Punkt A./III./ angeführten insgesamt 244,6 g Kokain (36,69 g Cocain bzw 2,44‑fache Grenzmenge), wobei diese Tat infolge Festnahme des Lieferanten Mohamed Ch***** beim Versuch blieb.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Adam C*****, der keine Berechtigung zukommt.

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu A./I./ bis III./ behauptet Unvollständigkeit, weil das Erstgericht die Feststellungen zu den Kokain-Schmuggelfahrten auf die (undifferenziert) als nachvollziehbar beurteilten Angaben des Zeugen Mohamed Ch*****, die durch die im Akt liegenden Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung sowie der Observation gestützt würden, gründet (US 16 f), ohne dessen Aussagen in der Hauptverhandlung (ON 89 S 16 ff) zu erörtern.

Unter Berücksichtigung der gesamten Angaben des Mohamed Ch***** der nie eine direkte Lieferung an den Angeklagten behauptet hatte, zeigt der Rechtsmittelwerber mit der pauschalen Behauptung, in Ansehung der „völlig unterschiedlichen Aussagen“ des genannten Zeugen vor der Polizei und in der Hauptverhandlung wären die Tatrichter verhalten gewesen darzulegen, weshalb die ersteren „glaubwürdiger“ waren, keine im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO erörterungsbedürftigen Widersprüche (vgl RIS‑Justiz

RS0098646) auf. Anzumerken bleibt, dass die Differenz zwischen den Angaben der nach I***** anlässlich der ersten beiden Fahrten gelieferten Kokainmengen (insgesamt 350 g bzw 250 g) für die Überschreitung des Fünfzehnfachen der Grenzmenge zu A./ (17,9‑fache bzw 16,9‑fache Grenzmenge) ohne Auswirkung ist.

Entgegen der Kritik am „Pauschalverweis“ auf die Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung (der Sache nach Z 5 vierter Fall; vgl US 16) ist die Begründung von Konstatierungen mittels Verweises auf bestimmte Aktenteile ‑ wie hier auf die konkreten Aktenseiten ‑ nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0119301 [T8]).

Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die oben angeführten Teile der gerichtlichen Aussage des Zeugen Mohamed Ch***** auch Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) geltend macht, verkennt er, dass nur die erheblich unrichtige Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels in den Entscheidungsgründen den angezogenen Nichtigkeitsgrund herstellt (vgl RIS‑Justiz RS0099431 [T16]).

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu A./II./ zuwider war der Schöffensenat nicht zur Erörterung der Aussage des Zeugen Ch***** in der Hauptverhandlung verpflichtet, wonach er nichts von einer Cannabislieferung an den Nichtigkeitswerber wisse (ON 89 S 18). Hat Adam C***** doch entgegen dem Beschwerdevorbringen sein vor der Polizei abgegebenes Geständnis (ON 34 S 41) in der Hauptverhandlung keineswegs „nicht aufrecht erhalten“, sondern vielmehr eingeräumt, es sei „durchaus möglich“, dass er bei Samir R***** etwas bestellt habe (ON 89 S 6). Bei der Person des (unmittelbaren) Lieferanten handelt es sich solcherart nicht um eine ‑ mit Mängelrüge anfechtbare ‑ entscheidende Tatsache.

Der vom Beschwerdeführer behauptete Konnex zwischen dem am Bahndamm vergrabenen und später von der Polizei sichergestellten Kilogramm Cannabis des Angeklagten (C./I./) und der Frage, ob er zwei Kilogramm Cannabis bei Samir R***** bestellte, besteht nicht. Den Besitz des vergrabenen Suchtgifts hat der Nichtigkeitswerber vor Gericht uneingeschränkt zugestanden (ON 89 S 8 f), sodass die diesbezügliche Feststellung mängelfrei erfolgte.

Der in diesem Zusammenhang erhobene pauschale Vorwurf, die Tatrichter seien bei divergierenden Aussagen von Zeugen immer der den Nichtigkeitswerber belastenden Version gefolgt und hätten die entlastenden Angaben unberücksichtigt gelassen oder stillschweigend übergangen, verfehlt sein Ziel: Wo das Gesetz auf einen Vergleich der angefochtenen Entscheidung mit Verfahrensergebnissen abstellt (Z 5 zweiter Fall und Z 5 fünfter Fall), ist stets der entsprechende Aktenbezug herzustellen (vgl 13 Os 113/14p).

Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der zu A./III./ und C./II./ angenommenen Suchtgiftmenge zuwider hat das Erstgericht die bekämpfte Konstatierung in Übereinstimmung mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen auf die nachvollziehbaren Angaben des Zeugen Mohamed Ch***** gegründet und eingehend dargelegt, warum es die Verantwortung des Nichtigkeitswerbers als Schutzbehauptung wertete (US 16). Im Ergebnis bekämpft der Beschwerdeführer mit eigenen Erwägungen die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Entgegen der Behauptung der Mängelrüge hat sich der Nichtigkeitswerber bezüglich der ihm zu B./I./ zur Last gelegten Suchtgiftmenge geständig verantwortet und eingeräumt, dass es auch etwas mehr gewesen sein könnte (ON 109 S 21 f). Demgemäß waren die Tatrichter dem Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall) zuwider nicht dazu verhalten, auf die ‑ die Belastungen des Rechtsmittelwerbers vor der Polizei abschwächende ‑ Angaben einzelner in der Beschwerdeausführung genannter Zeugen einzugehen.

Der im Zusammenhang mit den Zeugenaussagen der Abnehmer erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) scheidet von vornherein aus, enthält doch das Urteil zu B./I./ keine Angaben über diese Zeugenaussagen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 468). Aktenwidrig ist ein Urteil nämlich nur dann, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431).

Ein Widerspruch im Sinn der Z 5 dritter Fall des § 281 Abs 1 StPO liegt entgegen der Beschwerdekritik nicht vor, wenn Beweisergebnisse gegen getroffene Feststellungen sprechen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 439).

Gegenstand von Rechts- und

Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungs-voraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen

Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 581, 584; RIS‑Justiz RS0099810).

Diese Grundsätze missachtet die zu A./, B./ und C./ einen Entfall der Qualifikation der Begehung der Straftat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 28 Abs 3 SMG, § 28a Abs 2 Z 2 SMG) anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10).

Sie vermisst unter bloßer Wiedergabe von seinen Standpunkt nicht stützenden Kommentarstellen Feststellungen zur intendierten kriminellen Zielsetzung (Kooperation) und zum Vereinigungswillen, ohne methodengerecht aus dem Gesetz abzuleiten, weshalb die ‑ in der Beschwerde ausdrücklich angeführten ‑ Konstatierungen, wonach sich der Nichtigkeitswerber mit drei weiteren Personen für einen längeren Zeitraum zusammenschloss, um gemeinsam Kokain und Cannabis von Belgien nach I***** zu transportieren (US 9), sich beide Angeklagte mit vier weiteren Personen für einen längeren Zeitraum zusammenschlossen, um gemeinsam Suchtgiftverkäufe in großem Ausmaß abzuwickeln (US 11) und sich der Nichtigkeitswerber mit drei weiteren Personen für einen längeren Zeitraum zusammenschloss, um Suchtgifte mit dem Vorsatz auf Weitergabe zu erwerben und zu besitzen (US 12), für die rechtsrichtige Annahme der bekämpften Qualifikation nicht ausreichen sollten und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Darstellung einer materiell‑rechtlichen Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0117321).

Gleiches gilt soweit der Beschwerdeführer unter Übergehung der erstrichterlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 10, 11 f, 12 f) fehlende Konstatierungen über eine „vom Vorsatz des Erstangeklagten umfasste“ Mitgliedschaft an einer kriminellen Vereinigung kritisiert.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte