OGH 12Os57/85

OGH12Os57/8530.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral (Berichterstatter), Hon.Prof.Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Max Ewald A wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG und § 15 StGB, teils begangen auch als Beteiligter nach dem dritten Fall des § 12 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Jänner 1985, GZ 6 a Vr 3850/84-85, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Knob, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Aus deren Anlaß wird jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO der Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nach § 22 Abs. 1 StGB aufgehoben.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Max Ewald A des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG und § 15

StGB, teils begangen auch als Beteiligter nach dem dritten Fall des § 12

StGB, ferner des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z 2 SGG und schließlich des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB schuldig erkannt.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat er A/ vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in solchen Mengen eingeführt, ausgeführt, in Verkehr gesetzt und in Verkehr zu setzen versucht, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem er 1./ in der Zeit von Jänner 1984 bis 18. Februar 1984 eine nicht mehr genau festzustellende, jedenfalls 20 Gramm nicht übersteigende Menge Heroin der abgesondert verfolgten Ilonka A überließ;

2./ am 13. Februar 1984 30 Gramm Heroin aus den Niederlanden ausführte und über die Bundesrepublik Deutschland nach Österreich einführte und 27 Gramm hievon in österreich zum Verkauf bereithielt;

3./ am 18.Februar 1984 je einen Schuß Heroin den abgesondert verfolgten Franz B und Sabine C überließ;

B/ zu einer strafbaren Handlung der in A/ bezeichneten Art dadurch beigetragen, daß er den abgesondert verfolgten Franz D, der im September 1984 in Amsterdam von einem unbekannt gebliebenen deutschen Staatsbürger 13 Gramm Heroin und 2 Gramm Kokain erwarb und der ca. 10 Gramm Heroin und 1,8 Gramm Kokain hievon aus den Niederlanden ausführte und über die Bundesrepublik Deutschland nach Österreich einführte und von dieser Menge hier zumindest 5 Gramm Heroin durch Weitergabe an Doris E in Verkehr setzte, mit dem unbekannt gebliebenen deutschen Verkäufer der Suchtgifte zusammenbrachte, um D den Erwerb der Suchtgifte zu ermöglichen;

C/ in der Zeit von Mitte September 1983 bis 29.Oktober 1984 in Wien und anderen Orten Österreichs wiederholt unberechtigt Suchtgifte, insbesondere Heroin, erworben und besessen;

D/ im Februar 1984 in Wien mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, einem unbekannten indischen Staatsbürger namens F durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Käufer zu sein, zu einer Handlung, nämlich zum Verkauf von ca. 20 Gramm Heroin im Wert von mindestens 40.000 S unter Kreditierung des Kaufpreises verleitet, die F am Vermögen um ca. 40.000 S schädigte.

Max Ewald A wurde hiefür nach § 12 Abs. 1 SGG, § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Jahren verurteilt. Außerdem wurde gemäß § 22 Abs. 1 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet. Schließlich wurde das sichergestellte Suchtgift, und zwar 27 Gramm Heroin, gemäß § 12 Abs. 3 SGG für verfallen erklärt.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten mit einer auf die Z 5 und 10, von der Staatsanwaltschaft mit einer auf die Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Strafausspruch mit Berufungen bekämpft.

Den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO erblickt der Angeklagte zunächst darin, daß das Erstgericht bei einer Reihe von Feststellungen, insbesondere der Feststellung, daß er seiner Ehegattin Ilonka die Entnahme des in der Wohnung aufbewahrten Heroins nach Belieben ermöglichte, und bei der Konstatierung, daß er im Februar 1984 in Amsterdam 30 Gramm Heroin minderer Qualität erwarb und davon eine Menge von 27 Gramm mit sich führte, um sie zu verkaufen (S 464/I), auf Beweismittel Rücksicht genommen habe, die nach dem Inhalt des Hauptverhandlungs-Protokolls über die gemäß § 276 a StPO am 29.Jänner 1985 neu durchgeführte Hauptverhandlung weder (im Sinne des § 258 Abs. 1 StPO) aufgenommen noch verlesen worden seien. Dem Hauptverhandlungs-Protokoll sei nämlich nur zu entnehmen, daß der gesamte Akteninhalt aus den Vorstrafakten, nicht aber, daß auch der Inhalt des gegenständlichen Aktes (und insbesondere die darin befindlichen Polizeierhebungen und das Protokoll über die vorangegangene Hauptverhandlung vom 13.November 1984) verlesen worden sei.

Da jedoch den Beschwerdebehauptungen zuwider aus dem Protokoll über die am 29.Jänner 1985 abgeführte Hauptverhandlung (vgl. auch den Aktenvermerk des Vorsitzenden S 27/II) im Gegenteil unzweifelhaft hervorgeht, daß sehrwohl der gesamte Akteninhalt (des gegenständlichen Aktes), aus den Vorstrafakten hingegen nur die Urteile und Strafvollzugsberichte (einverständlich) verlesen worden sind (S 448/I), gehen die bezüglichen Ausführungen ins Leere. Die Mängelrüge des Angeklagten ist aber auch insoweit nicht zielführend, als damit jene Urteilsfeststellungen bekämpft werden, wonach der Angeklagte von einem indischen oder pakistanischen Staatsbürger namens F 20 Gramm Heroin zum Weiterverkauf übernahm, dieses teils selbst konsumierte, teils seiner ebenfalls drogenabhängigen Gattin Ilonka überließ und es hiebei ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, daß seine Ehegattin einen Teil des Heroins weitergebe (S 464/I). Denn das den Beschwerdebehauptungen zuwider in dieser Beziehung keine wesentlichen Verfahrensergebnisse übergehende Erstgericht läßt daran, daß der Angeklagte - obwohl er dies gegenüber F vortäuschte - nicht sämtliche 20 Gramm weiterverkaufen, sondern damit (auch) seinen und seiner Ehefrau Eigenbedarf decken wollte, ohnedies keinen Zweifel, begründet aber andererseits auch (keineswegs 'widersprüchlich', sondern) durchaus denkmöglich und in übereinstimmung mit der allgemeinen Lebenserfahrung, daß der Angeklagte dolo eventuali mit einer (den Gewohnheiten in der Suchtgiftszene entsprechenden, teilweisen) Weitergabe des seiner Ehegattin überlassenen Suchtgiftes (an einen unbegrenzbaren Personenkreis) rechnete (vgl. S 468, 469/I).

Rechtliche Beurteilung

Schließlich geht auch die (ziffernmäßig) auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützte Rechtsrüge des Angeklagten fehl, in der er nächst behauptet, der Schuldspruch, wonach er in der Zeit von Jänner 1984 bis 18.Februar 1984 eine nicht mehr genau festzustellende, jedenfalls 20 Gramm nicht übersteigende Menge Heroin der abgesondert verfolgten Ilonka A überließ (Punkt A/1/ des Urteilssatzes), sei durch die erstgerichtlichen Feststellungen in 'zeitlicher Hinsicht nicht gedeckt'. Denn das Erstgericht hat im angefochtenen Urteil - wenn auch im Rahmen der darin enthaltenen beweiswürdigenden Erwägungen (S 469/I) - ohnedies die nötigen und (mit dem Hinweis auf die bezüglichen von Ilonka A am 19. Februar 1984 beim Sicherheitsbüro der Bundespolizeidirektion Wien gemachten Angaben) auch hinreichend begründeten Feststellungen getroffen. Soweit aber der Beschwerdeführer im Hinblick auf das 'grundsätzlich angeordnete Territorialitätsprinzip' die Ansicht vertritt, zu Unrecht auch wegen der Ausfuhr von Suchtgift verurteilt worden zu sein, ist er auf die Bestimmungen des § 64 Abs. 1 Z 4 StGB (betrifft nach österreichischen Strafgesetzen zu ahndende Auslandsstraftaten) zu verweisen.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Es kommt aber auch der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 11 StPO rügt, daß das Erstgericht im Zusammenhang mit dem Punkt A/1/ des Schuldspruchs keine Verfallsersatzstrafe nach § 12 Abs. 4 SGG verhängt hat, im Ergebnis keine Berechtigung zu:

Zwar trifft es zu, daß ein Verfallsersatz zwingend - bei mehreren Beteiligten an derselben Tat allerdings insgesamt nur einmal - und zwar in der Höhe des allfällig erzielten Erlöses für das den Gegenstand des Schuldspruchs nach § 12 Abs. 1 SGG bildende Suchtgift, in Ermangelung eines solchen Erlöses aber (auch bei schenkungsweiser Weitergabe) in der Höhe des gemeinen Wertes (bzw. des üblichen Schwarzmarktpreises) zu verhängen ist, soweit das Suchtgift oder dessen Erlös nicht ergriffen oder nicht (auch nicht im Ausland) auf Verfall erkannt wurde, wobei lediglich die Frage, welcher Anteil des Verfallsersatzes auf den einzelnen Beteiligten entfällt, dem richterlichen Ermessen unterliegt (vgl. Leukauf-Steininger, Nebengesetze 2 , § 12 Anm. E und E Nr. 86-89). Der Umstand, daß nicht festgestellt werden konnte, daß der Angeklagte im vorliegenden Fall aus dem Suchtgifthandel Erlöse erzielt hat, stand somit der vom Erstgericht vertretenen Ansicht (S 481/I) zuwider der Verhängung einer Verfallsersatzstrafe nicht entgegen. Eine solche konnte aber nach Lage des Falles dennoch nicht ausgesprochen werden, weil der in Rede stehende Schuldspruchpunkt - in diesem Belange unangefochten - eine unbestimmte Mengenbezeichnung ('eine nicht mehr genau festzustellende, jedenfalls 20 Gramm nicht übersteigende Menge Heroin') enthält, was naturgemäß die Unmöglichkeit einer entsprechenden (Ermessenserwägungen entzogenen) Wertberechnung des nicht mehr greifbaren Suchtgiftvorrates nach sich zieht (vgl. EvBl. 1981/153).

Demnach kann auch die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft nicht zum Erfolg führen.

Aus Anlaß der ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden war jedoch von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs. 1 StPO), daß das angefochtene Urteil mit einer nicht geltend gemachten - wenngleich vom Angeklagten im Zuge seiner Berufungsausführungen erwähnten - Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 11

StPO deshalb behaftet ist, weil die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet wurde, obwohl gemäß § 22 Abs. 2 StGB von einer Unterbringung u.a. dann abzusehen ist, wenn der Rechtsbrecher mehr als 2 Jahre in Strafhaft zu verbüßen hat. Bei Prüfung der Frage, ob ein mehr als 2- jähriger Strafvollzug bevorsteht, sind nicht nur die wegen der Anlaßtat verhängte Strafe (und allfällige Strafen aus Vorverurteilungen die hiezu im Verhältnis des § 31 StGB stehen), sondern sämtliche Freiheitsstrafen zu berücksichtigen, die im Urteilszeitpunkt bereits in Vollzug gesetzt wurden oder in Vollzug zu setzen wären (vgl. EvBl. 1985/4).

Das Erstgericht hätte sich daher bei Prüfung der Unterbringungsvoraussetzungen nicht nur auf die im gegenständlichen Fall verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Jahren beschränken, sondern auch beachten müssen, daß der Angeklagte seit 11. Jänner 1985 (bis zum 10.Juli 1985) eine über ihn zu 6 c Vr 10.472/83 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten verbüßt (vgl. Strafantrittsbericht S 373/I), sodaß im Urteilszeitpunkt erster Instanz (vgl. EvBl. 1984/126) die Dauer des (noch offenen) Strafvollzuges aus der Summe dieser beiden Strafen (auch nach Abrechnung der Vorhaftzeiten und der bis zum Urteil bereits verbüßten Strafzeit) zwei Jahre überstieg.

Das angefochtene Urteil war daher im Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nach § 22 Abs. 1 StGB aufzuheben und dieser Ausspruch aus dem Urteil auszuschalten.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend den raschen Rückfall, die einschlägigen und rückfallsbegründenden (§ 39 StGB) Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen und den Umstand, daß die vom Angeklagten zu verantwortende Suchtgiftmenge die Grenzmenge um ein Vielfaches übersteigt, als mildernd das Teilgeständnis, den Umstand, daß die Taten zum Teil vor dem Urteil vom 31.Jänner 1984 begangen wurden, sohin von diesem hätten mitumfaßt werden können und daß die Betrugshandlungen im Zusammenhang mit der Sucht des Angeklagten stehen.

Mit ihren Berufungen begehren die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung, der Angeklagte eine Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe. Beide Berufungen sind nicht berechtigt.

Zu den vom Erstgericht im wesentlichen richtig festgestellten und gewürdigten Strafbemessungsgründen kommt als weiterer Milderungsgrund lediglich, daß es beim Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG teilweise beim Versuch geblieben ist. Dieser Umstand aber (versuchter Verkauf von 27 Gramm Heroin in Österreich) fällt schon deswegen nicht besonders ins Gewicht, weil das Verbrechen bei den alternativen Begehungsformen der Ein- und Ausfuhr des Suchtgiftes und bei der überlassung von Heroin an Ilonka A vollendet wurde. Als weiterer Erschwerungsgrund fällt dem Angeklagten die Wiederholung des Verbrechens nach dem Suchtgiftgesetz zur Last. Im übrigen vermögen weder die Staatsanwaltschaft noch der Angeklagte in ihren Berufungen weitere Umstände geltend zu machen, die eine, von der Beurteilung des Schöffengerichtes abweichende Strafbemessung rechtfertigen könnten. Das Schöffengericht hat vielmehr eine, unter Berücksichtigung der Schuld des Angeklagten, der mehrfach einschlägig vorbestraft, andererseits aber seit 10 Jahren suchtgiftabhängig ist und, um die Befriedigung seiner Sucht zu ermöglichen, die strafbaren Handlungen beging und des Gewichtes der Tat, angemessene Freiheitsstrafe verhängt.

Den Berufungen war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

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