OGH 12Os52/12g

OGH12Os52/12g26.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jennifer T***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und Z 2, 15 Abs 1, 12 erster und dritter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Jennifer T***** sowie über die Berufung des Andreas H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 7. Dezember 2011, GZ 34 Hv 93/11f-96, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Der Angeklagten Jennifer T***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter sowie Freisprüche (verfehlt auch von der rechtlichen Kategorie; vgl Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1) enthält, wurde Jennifer T***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und Z 2, 15 Abs 1, 12 dritter Fall StGB (I./) sowie der Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB (II./1./), nach § 288 Abs 1 StGB (III./1./) und der Begünstigung nach §§ 15 Abs 1, 299 Abs 1 StGB (II./2./ und III./2./) schuldig erkannt.

Danach hat sie in F***** und anderen Orten - zusammengefasst wiedergegeben -

I./ teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäterin (3./) mit Andreas H***** und anderen Angeklagten, teils indem sie die unmittelbaren Täter mit ihrem Fahrzeug zum Tatort fuhr und von dort wieder wegbrachte (1./, 2./, 4./ und 5./), mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz anderen durch Einbruch fremde bewegliche Sachen weggenommen und wegzunehmen versucht, und zwar

1./ am 29. Jänner 2011 Anton F***** Geld und Wertgegenstände;

2./ in der Nacht auf 26. März 2011 Gewahrsamsträgern des Gasthofs D***** zwei iPods und 53 Euro;

3./ am 26. März 2011 Gewahrsamsträgern des Hotels A***** P***** Geld und Wertgegenstände;

4./ am 26. März 2011 Gewahrsamsträgern des Geschäfts M***** 300 Euro;

5./ am 26. März 2011 Gewahrsamsträgern des Hotels B***** einen Laptop, einen iPod und einen USB-Stick;

II./ am 9. Dezember 2010 bei ihrer förmlichen Vernehmung als Zeugin in einem Ermittlungsverfahren nach der StPO vor Beamten der Polizeiinspektion K***** durch die wahrheitswidrigen Angaben, sie kenne Andreas H***** nur flüchtig und dieser habe Andrea Hu***** nicht geschlagen

1./ zur Sache falsch ausgesagt;

2./ Andreas H*****, der eine mit Strafe bedrohte Handlung, nämlich das Vergehen der Körperverletzung begangen hatte, der Verfolgung absichtlich zu entziehen versucht;

III./ am 19. April 2011 bei ihrer förmlichen Vernehmung als Zeugin im Verfahren AZ 36 Hv 44/11i des Landesgerichts Innsbruck durch die wahrheitswidrige Aussage, sie habe Andreas H***** nur flüchtig gekannt und dieser habe Andrea Hu***** nicht geschlagen,

1./ zur Sache falsch ausgesagt;

2./ Andreas H*****, der eine mit Strafe bedrohte Handlung, nämlich das Vergehen der Körperverletzung begangen hatte, der Verfolgung absichtlich zu entziehen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a und 9 lit b StPO stützt.

Sie verfehlt ihr Ziel.

Der Mängelrüge gelingt es nicht, formale Begründungsfehler aufzuzeigen. Undeutlichkeit der Entscheidungsbegründung (Z 5 erster Fall) liegt nämlich nur vor, wenn aus objektiver Sicht nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob und aus welchen Gründen entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen festgestellt wurden (RIS-Justiz RS0099480). Nach § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO ist ein Urteil nichtig, wenn man davon sprechen kann, dass der Ausspruch des Gerichtshofs über entscheidende Tatsachen mit sich selbst in Widerspruch steht (RIS-Justiz RS0117402). Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, wenn sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS-Justiz RS0118317, RS0108609). Das Aufgreifen formaler Mängel muss sich überdies auf entscheidende Tatsachen beziehen (RIS-Justiz RS0106268) und an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß nehmen (RIS-Justiz RS0119370).

Aus welchem Grund der zu Schuldspruch I./3./ erfolgte Ausspruch, dass die Angeklagten „nach Aufbrechen bzw Aufzwängen der Türen gemeinsam in die Objekte eindrangen“, undeutlich sei und in Widerspruch zu jener Konstatierung stünde, dass Andreas H***** und Sercan S***** die Terrassentür aufgebrochen hätten, legt die Beschwerde, die verkennt, dass bei konstatierter Mittäterschaft der Frage, welchem der Mittäter einzelne Handlungen zuzurechnen sind, keine entscheidende Tatsache betrifft (RIS-Justiz RS0089808, RS0089835), nicht nachvollziehbar dar.

Soweit die Ausführungen zur subjektiven Tatseite der Angeklagten unter Bezugnahme auf bloß eine Urteilspassage als unzureichend kritisiert werden, beachtet sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe nicht. Das Erstgericht hat sich nämlich auch hiemit ausführlich auseinandergesetzt (US 23-30).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) geht schon im argumentativen Ansatz fehl, weil sie sich nicht auf Aktenstellen bezieht, aus denen erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tatsachen abgeleitet werden können, sondern mit eigenen Beweiswerterwägungen Kritik an der Beweiswürdigung des Erstgerichts übt. Sie thematisiert nämlich vorwiegend die Wahrnehmungen einer Zeugin und spekuliert über „verwunderliches“ Verhalten eines auf frischer Tat ertappten Täters, der „nicht sofort die Flucht ergreift“. Die Angeklagte übersieht, dass bei prozessordnungskonformer Ausführung der Tatsachenrüge auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0118780) und eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - dadurch nicht eröffnet wird.

Die gesetzmäßige Ausführung materiell-rechtlicher Nichtigkeitsgründe hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen methodengerechten Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0116565, RS0117247, RS0099724; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) geht mit der unter isolierter Betrachtung einzelner Passagen des Urteils erhobenen Behauptung, „aufgrund der getroffenen Feststellungen wurde im Hinblick auf § 129 StGB die subjektive Tatseite nicht verwirklicht“ gerade nicht von den Konstatierungen des Erstgerichts aus (insb US 14-16).

Dies trifft in gleicher Weise auf die zu den Schuldsprüchen II./ und III./ getätigten Ausführungen zu, die den Feststellungen des Erstgerichts entgegen (US 17) behaupten, die Aussagen der Angeklagten vor der Kriminalpolizei und dem Gericht seien „nicht unwahr“. Aus welchem Grund die Angabe, einen Tatverdächtigen „bloß flüchtig“ zu kennen, keine Aussage in der Sache selbst wäre, legt die Beschwerde gleichfalls nicht dar (RIS-Justiz RS0099810) und entfernt sich schließlich mit der Behauptung, bei Andreas H***** handle es sich um den Lebensgefährten der Angeklagten, weswegen § 299 Abs 3 StGB zum Tragen komme, gänzlich vom Urteilssachverhalt ohne darzulegen, inwiefern dieser - im Übrigen aktenfremde - Sachverhalt durch in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweise indiziert gewesen wäre (RIS-Justiz RS0118580).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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