OGH 12Os51/24b

OGH12Os51/24b27.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart des Schriftführers Edermaier‑Edermayr LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * M* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendgeschworenengericht vom 29. Februar 2024, GZ 16 Hv 147/23z‑78, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00051.24B.0627.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Jugendstrafsachen

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung hat das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * M* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 13. Oktober 2023 in F* * L* zu töten versucht, indem er ihm mit einem Messer einen Stich in den Bauch versetzte, wobei die Tat eine lebensbedrohliche Verletzung in Form einer glattrandigen Hautdurchtrennung mit einseitig stumpfem und anderseitig spitzem Wundwinkel sowie glatten Wundrändern im Bereich des linken Oberbauches, die bis in die Tiefe reichte und operativ versorgt werden musste, zur Folge hatte.

[3] Die Geschworenen haben die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB bejaht.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

[5] Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert das Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags (§ 76 StGB). Der Beschwerdeführer stützt seine Kritik auf Passagen seiner Aussage, wonach das Opfer seit längerer Zeit Probleme mit ihm gehabt und ihn gehasst habe, er aufgrund einer zuvor stattfindenden Schlägerei zwischen ihnen gekränkt gewesen sei und vom Opfer, das sich uneinsichtig gezeigt habe, eine Entschuldigung eingefordert habe, sowie der Ausführungen des Sachverständigen Dr. * T*, wonach sich bei ihm eine Akzentuierung der narzisstischen Persönlichkeitsanteile zeige, was in Zusammenschau mit kulturellen Aspekten zu einem übersteigerten Affekt führen könne und seine Persönlichkeitsstruktur zu einer emotionalen Überreaktion auf Kränkungen führe.

[6] Nach gesicherter Lebenserfahrung scheiden diese Verfahrensergebnisse mit Blick auf den Umstand, dass Totschlag allgemeine Begreiflichkeit der heftigen Gemütsbewegung voraussetzt (RIS‑Justiz RS0092138, RS0092271, RS0092259), als ernst zu nehmendes Indiz für einen – den Gegenstand der begehrten Eventualfrage bildenden – Sachverhalt aus (RIS‑Justiz RS0100860 [T1]). Davon abgesehen hat der Angeklagte einen Tötungsvorsatz in Abrede gestellt (ON 76, 9; RIS‑Justiz RS0092113, RS0120766 [T5]).

[7] Indem die Fragenrüge (Z 6) unter Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten, wonach er gedacht habe, dass das Opfer ihn schlagen wollte, das Unterbleiben der Stellung einer Zusatzfrage nach dem Strafausschließungsgrund der Notwehr (§ 3 Abs 1 erster Satz StGB) kritisiert, nennt sie ebenfalls kein konkretes Tatsachensubstrat, dass das tatsächliche Vorliegen einer Notwehrsituation im Tatzeitpunkt – und damit die begehrte Fragestellung – nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizieren würde (RIS‑Justiz RS0100860 [T1], RS0132634).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 344 iVm § 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 344 iVm § 285i StPO).

[9] Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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