OGH 12Os51/13m

OGH12Os51/13m20.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Sol und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung der Nicole S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Jugendschöffengericht vom 20. Februar 2013, GZ 25 Hv 154/12g-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Betroffene auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung der Nicole S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

Danach hat sie unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades, nämlich einer tiefgreifenden Persönlichkeitsentwicklungsstörung (US 3) beruht, Martin P*****, der auf sie zugehen wollte, durch die Äußerung „Wennst noch einen Schritt auf mich zukommst, stech ich dir die Schere ins Herz“, wobei sie zur Untermauerung der Drohung eine spitze Schere mit 10 cm Klingenlänge in der Hand hielt, somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung zu nötigen versucht, nämlich zur Abstandnahme von einem klärenden Gespräch und vom Betreten ihres Zimmers, sie sohin eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Tat begangen hat, die ihr, wäre sie zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen der schweren Nötigung nach den §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB zuzurechnen gewesen wäre.

Der auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und lit b, 10 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen kommt Berechtigung zu.

Zutreffend macht die Beschwerdeführerin einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) in Ansehung der Qualifikation der Anlasstat nach § 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB geltend.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hielt Nicole S***** Martin P*****, der ihr gefolgt war, eine spitz zulaufende Schere mit einer Klingenlänge von etwa 10 cm entgegen, wobei die Spitze auf P***** deutete. Etwa 50 cm von P***** entfernt stehend sagte sie zu ihm: „Wennst noch einen Schritt auf mich zukommst, stech ich dir die Schere ins Herz“. Nicole S***** wusste und nahm in Kauf, dass sie durch diese Äußerung und das Vorhalten der Schere, also durch eine gefährliche Drohung, ihren Betreuer Martin P***** an der Vornahme eines klärenden Gesprächs sowie am Betreten ihres Zimmers in der Betreuungseinrichtung „N***** GmbH“ hindern könnte und handelte trotzdem (US 3).

Rechtliche Beurteilung

Konstatierungen zu einer (auch insoweit) ernst gemeinten und gewollten, sich nach ihrem Bedeutungsinhalt als Drohung mit dem Tod manifestierenden Äußerung der Betroffenen fehlen jedoch (vgl Schwaighofer in WK² § 106 Rz 2). Der Urteilsspruch vermag sie nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 580).

Demzufolge mangelt es an der erforderlichen Tatsachengrundlage für die Beurteilung der Tat als nach § 21 Abs 1 StGB geeignete Anlasstat der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (vgl 11 Os 95/05p).

Das angefochtene Urteil war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben und die Sache an das Landesgericht Wels zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu verweisen.

Solcherart erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen der Betroffenen. Mit ihrer Berufung war sie auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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